Oberösterreich, 12. Jahrgang, Heft 1/2, 1962

RAUM UBER DEM E1N6ANG3T0R AN3ICWT '^■S0. 1 KiZfo VERBANDELUN6 KS EISERNEN GITTERS. FENSTER -1:20. 6RUNDRISS M:-I00. ,r \ f■J W1 u r 0 tn 0 0 Z.oo 9o Wo\?>3-v*au"m ^x. di. o N -1.0« &.70 •4'>O0 I r m 6UAN1T _&2 4, Burgruine Falkenstein, einige Bauteilstücke in der Ansicht soioie im Grund- und Aufriß. endgültigen Verfall der Vergessenheit entrissen werden kön= nen. So kann eine Putzrille an der Turmwand den Dachansatz und die Dachneigung vom Palas verraten, Dachziegelreste in und außerhalb der Burg lassen darauf schließen, daß die Burg mindestens in ihrem Endstadium hart gedeckt war, eine er= haltene Mauerschmatze läßt eine Mauer vermuten, auch wenn von ihr nichts mehr zu sehen ist, waagrecht aneinandergereihte Putzreste knapp über den sichtbaren Balkenlöchern geben die Fußbodenoberkante des betreffenden Geschosses an, aus der Anordnung der im Steinmauerwerk ausgesparten Balkenkopf= auflager kann geschlossen werden, ob die längst verfaulte Raumdecke eine Dippeldecke oder eine Riemlingdecke war, ob sie mit einem oder mehreren Tragbalken gestützt war usw. Oft sind auch Kellerräume oder andere tiefe Gelasse noch zu= gänglich. In diesem Fall werden 5 bis 8 Kerzen im Raum ver= teilt auf dem Kellerboden aufgestellt, und anschließend wird die Abmessung bei flackerndem Kerzenlicht vorgenommen. Die Maße selbst werden mit der elektrischen Taschenlampe abgelesen. Hauptsächlich in den Wintermonaten werden die Pläne ange= fertigt. Alle Polygonpunkte werden koordinatenmäßig gerech= net und kartiert. Die Mauer= und Gebäudeecken werden maß= stabgerecht auf die Polygonseiten, deren Richtung nunmehr genau festliegt, aufgetragen und mit Hilfe eines Vollkreis= transporteurs werden sodann die Geländepunkte (Kleinpunkte oder Streupunkte) von den zugehörigen Polygonpunkten aus aufgetragen. Anschließend werden die Schichtenlinien gezeich= net. So findet nach und nach jede in der Natur aufgeschriebene Zahl auch im Plan ihren ganz bestimmten Platz. Bei dieser Arbeit, die langsam voranschreitet, erlebt der Ingenieur seine Arbeit in Gedanken noch einmal, aber in einer bedeutend verkleinerten Form. Dieses Nachempfinden einer Frühlingsarbeit mitten im Winter ist etwas sehr Schönes. Jede Mauer, jede Zahl, die im Plan gezeichnet wird, ist ja mit einer räumlichen und sichtbaren Vorstellung in der Natur verbunden. Zu den grauen Mauern gesellen sich auf einmal weiße Frühlingswolken, bei dieser Ecke stand der erste zögernd grünende Haselstrauch, und nicht weit unterhalb am Hang blühte der Schlehdorn übervoll in seinem weißen Kleid, und rund um ihn herum war der Boden bis zum nahen Wald dicht mit Immergrün bedeckt, das so wunderbar blau im Oster= mond blühte! Sind alle Pläne fertig gezeichnet, so wird der jeweiligen Bur= genplanfolge noch ein kurz gefaßter Aufnahmebericht mit auf den Weg gegeben. Der Techniker wurde förmlich in der letzten Minute mit die= ser großen, umfangreichen Aufgabe betraut. In naher Zeit wird von mancher abgemessenen Burgruine nur mehr ein Schuttkegel übrig sein, über den die gute Mutter Natur ihren weiten grünen Mantel mit jungen Sträuchern und blühenden Sommerblumen ausbreitet. 16

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