Oberösterreich, 11. Jahrgang, Heft 3/4, 1961

bauliche Anlagen setzte ein solcher früher Markt ja nicht voraus. Bis zu einem gewissen Maße kamen diese Messen aber doch auch dem Orte Enns zugute. Interessant ist, daß hier neben dem Regensburger Hans grafen auch Richter des Ortes (iudices ville) genannt sind. Enns dürfte sich also bereits vom umliegenden Land unter schieden und eine gewisse rechtliche Sonderstellung einge nommen haben. Da der Ausdruck villa sowohl Dorf als auch Stadt bedeuten kann, dürften damals schon Kauf leute und Handwerker ansässig gewesen sein. Diese Richter hatten mit dem Regensburger Hansgrafen die Einhebung der Gebühren durchzuführen, die den Otakaren zustanden. Als seine Vertrauensleute waren sie wohl auch von ihm eingesetzt. Eine Münztätigkeit, die häufig an Orten mit Markt und Zoll ausgeübt wurde, ist für Enns erst 1185 beurkundet, doch führt man sie durch Zuweisung von Fundstücken bis in die Zeit von 1130 bis 1160 zurück. Auffällig ist, daß bei Enns die Stadtentwicklung von der Burgsiedlung ausging, obwohl sich das alte Lager noch über die Ungarnkriege erhalten hat. Dies ist nur möglich, wenn die civitas Lauriacensis des 12.Jahrhunderts nur mehr einen spärlichen Überrest der alten Herrlichkeit darstellte. Es kann aber kein Zweifel darüber bestehen, daß Lorch im 9. Jahrhundert auf dem Weg war,sich auch zur Stadt im Rechtssinne zu entwickeln. Die skizzierten günstigen äußeren Umstände waren schon nach hundert Jahren mit dem Vordringen der Mongolen schlagartig zu Ende. Nach dem Übergang von Enns in den Besitz der Babenberger 1192 waren sie aber noch gegeben und haben sicherlich nicht unwesentlich zur Anlage der heutigen Stadt beigetragen. Diese ist durch einen groß zügigen Gründungsakt, verbunden mit der Konstituierung einer Gemeinde, von den Babenbergern planmäßig angelegt worden. Da die längsgestreckten Baublöcke für die Grün dungsstädte um 12 charakteristisch sind und ungefähr zur selben Zeit auch schon Wiener Neustadt, Hainburg und Laa angelegt wurden, dürfen wir die Nachricht zu 1194, Enns sei mit dem Lösegeld des Richard Löwenherz be festigt worden, bereits auf diese Befestigung mit seiner dem Gelände angepaßten Ummauerung beziehen. In dem von Herzog Leopold VI. 1212 gewährten Stadtrecht sind auch schon Graben und Umgang erwähnt. Den Kern der neuen Stadt bildet ein Rechteckplatz 1:2, auf dem sich wohl von Anfang an eine Rundkirche, die sogenannte Scheibling kirche, befand. Das Stadtrecht von 1212 setzt vor allem die Höhe der Strafen für einzeln aufgezählte Vergehen fest und regelt Erbschaft, Handel und Verkehr mit den fremden Kauf leuten. Was Stadtverfassung und -Verwaltung betrifft, wird die Abhaltung des Marktes und die Fürsorge für alles, was zu Ehre und Nutzen der Stadt gereicht, einem Ausschuß von sechs Bürgern übertragen. Diese Bestimmung setzt bereits das Bestehen einer Stadtgemeinde voraus. Der Stadtrichter ist offenbar vom Landesfürsten eingesetzt, zumindest deutet die Bestimmung, daß er keinen Bürger zwingen werde, das Richteramt zu übernehmen, daraufhin. Wenn sich der ältere otakarische Markt auch schon auf dem Stadtberg befunden hat, muß er der planmäßigen Babenbergergründung zum Opfer gefallen sein, weil sich im heutigen Stadtgrundriß kein älterer Kern erkennen läßt. Der otakarische Marktort könnte aber auch nördlich an der alten Römerstraße zu suchen sein, wo sich der Name Altstadt bis in die Neuzeit erhalten hat. 6. Die weiteren Schicksale der Stadt Enns Enns hat vom 13. bis zum 20. Jahrhundert weder Stadt gebiet noch Einwohnerzahl wesentlich vergrößert. Eine Tatsache, die der Großzügigkeit der Babenberger ein hohes Zeugnis ausstellt, zum Teil aber auch auf die geänderten Verhältnisse seit der Mitte des 13. Jahrhunderts zurückzu führen ist. In den Kämpfen, die zwischen Herzog Fried rich II. und dem Kaiser 1236 ausbrachen, muß auch Enns gelitten haben, denn 1244 begründet Herzog Friedrich die Gewährung der Mautfreiheit und die Unterbindung der Konkurrenz in unmittelbarer Nähe mit Bränden, welche die Stadt erlitten habe. Schon für die erste Hälfte des 14.Jahrhunderts läßt sich außer Wein- und Getreidehandel auch Salzhandel und Geschäftsverkehr mit Venedig urkund lich belegen, wobei die Stadt in Jeder Weise vom Landes fürsten gefördert wurde. Aus dieser Blütezeit stammt die heutige Pfarrkirche mit der Wallseer Kapelle, ursprünglich die Kirche des Minoritenklosters, sowie die Kapelle des Johanniterspitals mit interessanten Fresken, und auch die St.-Laurenz-Kirche wurde damals neu gebaut. Die katastrophale Pest von 1348 muß auch für Enns starke Auswirkungen gehabt haben, so daß Häuser verfielen oder in grundherrschaftliche Abhängigkeit gerieten. Ein Zu stand, dem Herzog Rudolf IV. durch energische Maß nahmen abzuhelfen versuchte. Auch Albrechts HL Be günstigungen erklären sich noch aus dem Bestreben, der Stadt wieder aufzuhelfen. Etwa wenn er allen Handwerkern der Städte, Märkte und Dörfer gestattete, sich in Enns niederzulassen. Das 15. und 16. Jahrhundert bedeuteten wieder eine Blüte zeit für die Stadt, wie aus dem Baubestand der Wohnhäuser noch deutlich ersichtlich ist. Im Jahre 1501 wurde in Konkurrenz zu Linz eine Brücke über die Donau gebaut und im selben Jahr nahm die neue Hauptmannschaft der fünf niederösterreichischen Länder für kurze Zeit in Enns ihren Sitz. Der 1523 erwogene Plan, die Landeshaupt mannschaft von Linz nach Enns zu verlegen, kam jedoch nicht zur Ausführung und Enns trat gegenüber Linz all mählich in den Hintergrund. Von 1551 bis 1574 beherbergte Enns im Hause des Stadtrichters und im ehemaligen Minoritenkloster die adelige Landschaftsschule. Das Rat haus am Stadtplatz wurde 1547 im Renaissancestil neu gestaltet und 1564 bis 1568 der weithin sichtbare Stadt turm errichtet, wozu die Scheiblingkirche als Steinbruch diente. Der Beginn des 17.Jahrhunderts brachte mit dem Sieg des Absolutismus über die ständische Staatsidee und dem Erfolg der Gegenreformation auch einen tiefen Einschnitt im Leben der Städte. Enns wurde durch die dreißigtägige Belagerung der Bauern 1626 noch zusätzlich belastet. Die 85 Häuser, die es dabei verlor, waren noch 1654 unbe wohnt. Nach einer kurzen Nachblüte im Barock fiel schließ lich diestädtische Selbstverwaltung allmählich derJose phinischen Staatsreform zum Opfer und man erwog damals in Regierungskreisen sogar, den Stadtturm abzubrechen, um durch den Verkaufdes Materials der Stadtkasse Einnahmen zu verschaffen. Im 19. Jahrhundert sollte die Verlegung 64

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