Oberösterreich, 11. Jahrgang, Heft 3/4, 1961

5. Die Anfänge der Stadt Enns Im Jahre 1186 schloß Herzog Otakar IV. von Steiermark mit Herzog Leopold V. von Österreich auf dem Georgen berg beim Markte Enns einen Vertrag, durch den die Steiermark 1192 an die Babenberger kam. Auf diesem Georgenberg haben wir uns zweifellos eine Burg des steirischen Landesfürsten vorzustellen, die vielleicht schon vorher die Bischöfe von Passau innehatten. Die Mauern der im Jahre 900 als Volksburg errichteten Ennsburg werden hingegen im 12. Jahrhundert nicht mehr bestanden haben, da durch den Sieg über die Ungarn 955 eine derartige „Fluchtburg" unnötig geworden war und sich auch die Befestigungstechnik weiterentwickelt hatte. Im Schutz des Georgenberges entstand schon früh eine Siedlung. So entzog Heinrich II., Markgraf von Österreich und Herzog von Bayern, zwischen 1149 und 1156 dem Adalbert von Perg die Vogtei über St. Pölten in einer Zusammenkunft im Örte Enns in Beisein vieler Getreuer und geistlicher Herren, und im Jahre 1157 erhielt Kadolt von Polheim bei einer Audienz des Bischofs Konrad von Passau und verschiedener Fürsten, Edler und Ministerialen im Örte Enns für den Verzicht auf ein Gut acht Talente. In beiden Fällen ist also von einem Ört Enns die Rede. Dieser Ausdruck ist unbestimmt und beweist nur das Vorhandensein einer Siedlung irgendwelcher Art. Wir wissen nicht, wem Enns damals gehörte. Noch vor 1164 war es jedenfalls in den Händen der ötakare, wie aus einer Urkunde von 1191 hervorgeht. Die Tatsache, daß Heinrich der Löwe 1176 hier einen Gerichtstag abhielt und sich anschließend am rechten Ennsufer mit dem österreichischen Herzog traf, läßt sich damit ohne weiteres vereinbaren. Der Lehenrevers Friedrichs II. von 1241, in dem dieser bezeugt, die Stadt Enns und das Lorchfeld mit ihren Pertinenzen seien Passauer Lehen, ist zwar eine passauische Fälschung aus der Zeit zwischen 1234 und 1260. Da jedoch 977 das Gut Ennsburg und zehn Königshufen an Passau kamen, war dieser Anspruch des Bistums wohl nicht aus der Luft gegriffen. Die Fälschung sollte wahr scheinlich alte Rechte wiederherstellen helfen, die macht politisch überholt waren. Enns dürfte demnach Passauer Lehen gewesen sein, aber schon von den Babenbergern als Träger desselben nicht mehr als solches anerkannt worden sein. Im selben Jahr 1186, in welchem am Georgenberg die für Österreich und Steiermark entscheidenden Abmachungen getroffen wurden, wird dieser Ört als vicus forensis, als Marktort, bezeichnet. Die natürlichen Voraussetzungen für die Niederlassung von Kaufleuten waren in Ennsja äußerst günstig, weil sich an diesem Punkte wichtige West-Öst- und Nord-Süd-Wege kreuzten. Außerdem lag Enns an jenem Handelsweg, der zu Lande das höchstentwickelte Wirt schaftsgebiet zwischen Rhein und Seine mit den Zentren des Östens, Byzanz und Kiew, verband. Dadurch sind die offenbar bedeutenden Messen zu erklären, die hier spätestens ab 1164 jährlich abgehalten wurden. Im Jahre 1191 regelte ötakar von Steier diese Veranstaltungen, die von den Regensburger Kaufleuten organisiert wurden, welche damals ja den gesamten Östhandel beherrschten. Diese Märkte begannen jeweils am Montag der Bittwoche und dauerten bis zum Pfingstsamstag, also nicht ganz 14 Tage. Da sie sich nach beweglichen Festen richteten. Enns, Stadtturm aus 1554—1568. Photo: Eiersehner. schwankten ihre Termine; in der Regel fielen sie aber in den Mai. Schon vom 23. April ab beanspruchte jedoch der steirische Landesfürst für sie ein Niederlagsrecht für alle Schiffe mit Wein und Getreide,für alle übrigen Waren sogar schon ab 25. März. Der Zoll, der den ötakaren die Sache interessant machte, wurde nach dem Markt von den beladenen Schiffen vor der Abfahrt und von den Wägen und Saumlasten an der Brücke eingehoben. Außerdem wurden die fremden Kaufleute noch extra besteuert. Da Händler aus Köln, Aachen, Ulm und Maastricht sowie Wägen von und nach Rußland genannt werden, muß vor wiegend Öst-West-Fernhandel getrieben worden sein, wofür auch die aufgezählten Waren sprechen. Als genauerer ört dieser Messen kommt wohl am ehesten die Ebene am nördlichen Fuße des Stadtberges in Frage, weil hier die alte Römerstraße über den Fluß führte und sich der Hafen Reintal entwickelte, während Enghagen erst später entstand. Die periodischen Märkte fanden ja ursprünglich nicht in, sondern neben den Siedlungen statt, auf einem Platz, der sonst anderweitig oder überhaupt nicht genützt wurde; 63

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