Oberösterreich, 11. Jahrgang, Heft 3/4, 1961

bescheidenen nachrömischen Bauten bestätigt. Ein Weiter bestehen der Stadt als Mittelpunkt eines Bistums- und Verwaltungssprengels ist deshalb nicht anzunehmen. Nach dem Einzug der Baiern werden die Romanen bald in ihnen aufgegangen sein. Da die bairischen Herzöge im allgemeinen das römische Fiskalgut übernahmen, ist dies auch für Lorch anzu nehmen. Das ehemalige Lager, die Straßen, der Hafenplatz an der Donau und die Ennsbrücke mit Zöllen und Ge fällen — soweit solche noch bestanden — sowie ein Groß teil des Ackerlandes und der Wälder dürfte Herzogsgut geworden sein. Wie das übrige bairische Herzogsgut werden sie 788 an den König übergegangen sein. Noch im späten Mittelalter hieß der Acker über dem Prätorium in der Pfalz. Es scheint daher hier zuerst ein agilolfingischer Herzogshofund nach 788 eine karolingische Pfalz bestanden zu haben. 3. Die Ennsburg bis zum Beginn des 12. Jahrhun derts Nach dem Tode Kaiser Arnulfs (899) fielen die Ungarn im Sommer des folgenden Jahres zum ersten Male in Bayern ein und verwüsteten den Traungau. Bis sich der bairische Heerbann gesammelt hatte, war die Hauptmacht des Feindes schon wieder abgezogen. Graf Luitpold und Bischof Richer von Passau gelang es noch, eine kleine Abteilung auf dem nördlichen Donauufer bei Linz zu stellen und ungefähr 1200 davon zu töten. Zum Schütze gegen diesen neuen Feind aus dem Osten wurde im Herbst 900 auf der Höhe östlich von Lorch die Ennsburg erbaut. Darüber erfahren wir aus einer Urkunde des Jahres 901, deren Echtheit, wie sich nun herausgestellt hat, vielfach unbegründeterweise angefochten wurde. Nach ihr schenkte König Ludwig das Kind aufBitten der Bischöfe von Passau, Augsburg und Freising und des Grafen Luitpold dem Kloster St. Florian die vor kurzem erbaute Ennsburg sowie den Besitz eines Hörigen Perahart nördlich der Donau mit der Bestimmung, daß beide Vergabungen der Herr schaft des Bischofs von Passau unterstehen sollten. Bischof Richer von Passau habe auf die seinem Bistum zugefügten Schäden hingewiesen und gebeten, jene Burg (civitas), welche die Getreuen des Reiches einmütig zum Schutz des Vaterlandes gegen die Feinde des Christentums am Ufer der Enns auf dem Boden des heiligen Florian und der Grenzgrafschaft (in lerra prefecture lerminalis) erbaut hätten, jenem Ort zu übergeben, an dem der Körper dieses Mär tyrers begraben sei. Dies habe er getan und die Burg mit allen Befestigungs- und Nutzeinrichtungen (cum omni apparalu munilionis seil utilitatis) unter Zustimmung des Grenzgrafen (cum coniventia terminalis comitisJ dem heiligen Florian zu dauerndem Recht übergeben. Der Ausdruck civitas kann in den Quellen des 10. und 11. Jahrhunderts sowohl Burg als auch Stadt bedeuten und eine gleichzeitige Traditionsnotiz bezeugt, daß sich St. Florian damals schon im Obereigentum von Passau befand. Uber den Bau der Ennsburg berichtet aber auch eine etwa gleichzeitige erzählende Quelle, die Fuldaer Annalen, deren letzter Teil sehr wahrscheinlich im Kloster Nieder altaich geschrieben wurde. Nach ihrer Formulierung habe man die sehr starke Burg am Ufer der Enns zum Schütze des Reiches auf das' schnellste mit einer Mauer umgeben und dann sei jeder nach Hause zurückgekehrt. Es hat also schon eine Befestigung bestanden oder die natürliche Beschaffenheit des Ennser Stadtberges wurde als solche angesehen und dieser nur mit einer Mauer umgeben. Wenn diese Interpretation richtig ist, handelte es sich um eine Maßnahme, wie sie etwas später auch König Hein rich 1. zur Abwehr der Ungarn traf, als er befahl, die Versammlungsplätze zu ummauern, so daß seine Burgen als „Volksburgen" anzusprechen sind wie die der ger manischen Zeit. Ob der Ennser Stadtberg schon vorher durch Wallanlagen gesichert war, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen. Aufge fallen ist uns nur, daß sich auf ihm 791 die königlichen missi aufhielten. Wenn sich aber hier die ursprüngliche Keltensiedlung befunden haben sollte, so wäre die Mög lichkeit, diese sei mit einem Wall umzogen gewesen, ohne weiteres gegeben, und Spuren einer Wallanlage wurden auch tatsächhch festgestellt. Solche Wallburgen hat man auch bereits als urbes bezeichnet. Auf jeden Fall eignete sich der Ennser Stadthügel vorzüglich für den Ausbau zur Fluchtburg, weil nur seine Ränder durch Mauern befestigt zu werden brauchten. Indirekt spricht auch die Urkunde von 901 für eine solche Auslegung, weil sie berichtet, die Ennsburg sei teilweise auf dem Grund des Klosters St. Flo rian, teilweise aber auf solchem der prefeclura lerminalis errichtet worden. Derartige Besitzverhältnisse setzen jeden falls eine größere Ausdehnung der Burg voraus. Wenn die 900 erbaute Ennsburg eine „Volksburg" war, ist anzunehmen, daß sich innerhalb ihrer Mauern Wohn- und .Speicherbauten sowie geringe Mannschaft, ähnlich wie in den Heinrichsburgen, befanden. Diese Bauten sind wahr scheinlich unter den „Nutzeinrichtungen" der Urkunde von 901 zu verstehen. Die Initiative zum Bau dürfte von Markgraf Luitpold aus gegangen sein, jener Persönlichkeit, die damals die Ge schicke Bayerns leitete und einige Jahre später, 907, in der folgenschweren Schlacht bei Preßburg fiel. Es frägt sich nun, wie lange Enns Volksburg geblieben ist. Schon mit der Schenkung an den Bischofvon Passau erhielt sie ja einen Herrn, der in der Nähe begütert war, so daß nun bald innerhalb seiner Mauern auch noch eine „Herren burg" errichtet worden sein dürfte, zumindest aber eine Aufenthaltsmöglichkeit für den Bischof geschaffen wurde. Die Fluchtburg wurde hingegen schon nach 955 überflüssig. In der Zeit vom 7. bis 9. Jahrhundert vollzieht sich außer dem die Ausbildung der Grundherrschaft durch Umwand lung persönlicher Abhängigkeiten (Leibherrschaft) in echte Grundherrschaftsverhältnisse. Die Ennsburg wird dadurch bald auch grundherrschaftlicher Mittelpunkt geworden sein. Im Jahre 977 ist unsjedenfalls ein Gut (praedium) Ennsburg genannt, worunter wir uns wohl kein einzelnes Bauerngut vorzustellen haben, sondern eine mehr oder weniger ausgebildete Grundherrschaft; jedenfalls einen größeren Besitzkomplex. Rechtsnachfolgerin der Pfalz in Lorch kann diese Herrenburg nicht sofort geworden sein, weil dort königlicher Besitz erhalten blieb, der erst 977 an Passau kam. Er umfaßte zehn Könighufen, von denen man eine im Normalmaß mit 60 Joch annimmt. Mitte des 10. Jahrhunderts wurde dann die Ennsburg herzoglich. Nach der Urkunde von 977 tauschte der Onkel 60

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