Oberösterreich, 11. Jahrgang, Heft 3/4, 1961

Messen zu veranstalten. Lediglich am Beginn der frän kischen Eroberung dürfte also hier ein limes certus bestanden haben. Das befestigte Lager in Lorch muß die Landnahme der Baiern und den vorübergehenden Vorstoß der Awaren um 700 überstanden haben. Der Priester Tutilo übergab im September 791 in den Zelten vor dem oppidum Lorch mit seinen Verwandten Oazo und Cozzilo ein Bethaus zu Rettenbach dem Bistum Freising. Zur selben Zeit, am 20. September 791, schlichtete Bischof Atto von Freising einen Streit unter den Huosiern um die Kirche in Holz hausen. Dabei wird angegeben,die königlichen Gesandten, darunter Bischof Arn von Salzburg und Graf Gerold, hätten sich auf dem Wartberg bei Lorch aufgehalten und der Streit um die Kirche habe vor den Gesandten drei Tage gedauert. Schließlich werden die Zeugen angegeben, welche die Einigung zu Enns in Gegenwart aller dort Versammelten gesehen hätten. Es kann sich hier nur um den Aufenthalt des Heeres vor dem Beginn des Awarenfeldzuges Anfang September 791 handeln. Die Unterbringung erfolgte also in Zelten neben dem ehemaligen Lager. Oppidum kann zwar in Frankreich in merowingischer Zeit auch eine außerhalb der Mauern gelegene Siedlung bedeuten, der übliche Sinn ist aber wohl der einer befestigten Stadt. Unter dem bei dieser Gelegen heit ebenfalls genannten Wartberg ist der spätere Georgen berg zu verstehen. Der Name deutet aufeinen Beobachtungs posten gegen die vom Osten vorgedrungenen Awaren, wozu er sich am besten eignete. War das römische Lager zur Abwehr der Feinde aus dem Norden errichtet worden, so mußte das mittelalterliche Lorch nun erstmals für kurze Zeit seine Aufmerksamkeit auf einen Angreifer aus dem Osten richten. Es ist auffällig, daß sich die königlichen missi auf dem Berg und nicht im Lager aufhielten, wo ja zweifellos ein Königshof vorhanden war. Wenn im Kapitulare von Diedenhofen 805 Lorch unter jenen Orten genannt wird, wo der Handelsverkehr mit den Slawen und Awaren überwacht werden sollte, setzt dies das Vorhandensein einer Kaufmannssiedlung voraus. Der Sieg gegen die Awaren und das damit verbundene Auf leben des Verkehrs wird auch dem Ort einen Aufschwung gebracht haben. Der Verfasser der Vita s. Rodberti behauptet um 800, der heilige Rupert, dessen Wirken um 700 angesetzt wird, sei auf der Donau ad Lavoriacensem cioitatem gekommen. Ebenso wird um 900 (899—902) in einer Schenkung, in der die Laurentiuskirche zum ersten Male genannt wird, Lorch als civitas bezeichnet. Dieser Ausdruck ist mehrdeutig. Er bezeichnet auch die Burg, aber nicht nur als Befestigung, sondern Burg mit städtischem Leben. In erster Linie bedeutet er die stadtähnliche Siedlung, die auf spätantike Wurzeln zurückgeht und Mittelpunkt eines zugehörigen Landbezirkes war. Nach dem, was wir eben gehört haben, dürfte er hier in diesem Sinne gebraucht sein. Die erwähnten Mauern dieser civitas werden noch jene des römischen Lagers gewesen sein. In welchem Zustand sie sich befanden, ist fraglich. Im Westen mußten beim Auftreten der Nor mannengefahr vielfach die alten Mauern ausgebessert werden. In der Raffelstätter Zollordnung aus der Zeit kurz vor der Ungarnkatastrophe sind Salzfuhren, die auf der gesetz mäßigen Straße den Ennsfluß überqueren, erwähnt. Sie benützten sicherlich noch die alte Römerstraße (Stadel gasse), die nördlich des Stadtberges verlief und in der Nähe der heutigen Eisenbahnbrücke die Enns überschritt. Die ebenfalls erwähnten Schiffe aus dem Traungau durften ohne Zoll passieren. Das Taiding bezeugt einen lebhaften Handelsverkehr mit Mähren und Böhmen, wobei Salz gegen Sklaven, Wachs und Pferde ausgetauscht wurde. Außer den angeführten Nachrichten haben uns die Aus grabungen wichtige Erkenntnisse über Lorch in der Zeit zwischen 500 und 900 gebracht. So wurden im Bereich des Lagers an der Stelle der Maria-Anger-Kirche, welche erst 1792 abgebrochen worden war, Grabungen veranstaltet und es ließ sich ein Kultkontinuum vom 5.Jahrhundert bis Joseph II. nachweisen. Die gotische Kirche stand über einem karolingischen Bau und diese wieder über einer spätrömi schen apsidenlosen Saalkirche, die in das römische Lager spital eingebaut war. Nur einmal, zu Ende des 5. oder Anfang des 6. Jahrhunderts, wurde die Kirche deutlich erkennbar geplündert und niedergebrannt. Der Fortbe stand eines Gebäudes muß allerdings noch nicht die unge störte Kontinuität der Besiedlung bedeuten. Die Ausgrabungen in der Laurenzikirche in den Jahren 1960 und 1961 ergaben eine ähnliche Situation auch für diese Kirche. Man nimmt an, daß sich auf dem Areal von Kirche und Friedhof das Kapitol der römischen Zivilstadt mit einem Haupttempel der Staatsgottheiten Jupiter, Juno und Minerva befand. Über einem römischen Großbau wurde eine frühchristliche Saalkirche des 4. oder 5. Jahr hunderts festgestellt, die als erste ihrer Art geheizt war. Darüber fand sich der Ostabschluß einer um 800 errichteten frühmittelalterlichen Kirche. Uber einen romanischen Bau als Zwischenglied zum bestehenden spätgotischen liegen allerdings noch keine sicheren Ergebnisse vor. Da sich jedoch jeder Kirchenbau in strenger Symmetrie zum vorhergehenden befindet, haben wir es auch hier mit einem „Bau- und Kulturkontinuum von der heidnischen Antike bis heraufin unsere Tage" zu tun. Auch das Patronat dieser Kirche läßt ein hohes Alter möglich erscheinen. Die Ausgrabungen in der Zivilstadt haben auch bescheidene nachrömische Bauten freigelegt, die sich aber nicht mehr an die römische Planung hielten und teilweise in römische Gebäude eingebaut waren, so wie im Lager spätere un regelmäßige Bautätigkeit festgestellt wurde. Die Freilegung des Gräberfeldes auf dem Ziegelfeld durch Amilian Kloiber ergab vor allem zwei sehr wesentliche Momente. Als erstes die völlig regelmäßige Weiterbenützung eines Friedhofes aus dem 4. Jahrhundert über den Zu sammenbruch der Römerherrschaft hinaus, wobei sich die späteren Bestattungen in den Friedhofsplan einfügen. Nach den Beigaben sind einige Gräber in das 5. Jahrhundert, zwei in das 6., eine Reihe von Bestatteten in das 7. und schließlich ein Kindergrab in das 8. Jahrhundert zu ver weisen. Es ist also hier die für die Kontinuität einer Siedlung wichtige Bedingung des Überganges vom spätantiken zum germanischen Friedhoferfüllt. Das zweite wichtige Moment ist ein starkes Nachlassen der Belegung des Gräberfeldes vom 5. bis 7.Jahrhundert. Von den 271 mehr oder weniger sorgfältig ausgegrabenen Körpergräbern gehören etwa 200 in die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts, etwa 20 in das 5. Jahrhundert und der Rest in das 6. und 7., eines sogar noch ins 8. Jahrhundert. Zu dieser Zeit dürfte schon der christliche Friedhof um die Laurenzkirche exisüert haben, 58

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2