Oberösterreich, 11. Jahrgang, Heft 3/4, 1961

Bevölkerung in Notzeiten gedacht. Gleichzeitig damit wurde die Zivilstadt geplant und vermessen. Ihr Bereich von zirka 85 Hektar erstreckte sich von der Ennser Bahnhof straße im Osten bis gegen Kristein im Westen und vom Eichberg im Süden bis zur Laurentiuskirche im Norden. Als Folge der planmäßigen Anlage war das Straßensystem rechtwinkelig und stimmte mit den Lagerstraßen überein. Die Häuser dieser ersten Anlage bestanden nur aus Fach werk, waren aber geheizt. Schon 10 Jahre nach dem Bau des Lagers erhielt diese Zivilsiedlung 212 von Caracalla Stadtrecht und wurde mit einem Landbezirk,für den sowohl Cetium als auch Ovilava einen Teil ihrer Stadtgebiete abgeben mußten, ausgestattet. Durch die Verlegung einer Legion nach Noricum änderte sich auch das Provinzialstatut. Während vorher die Provinz einem kaiserlichen Statthalter (procurator) unterstand, der in einer Person Chef des Militärkommandos, der Zivil verwaltung und des Gerichtswesens war, wurde jetzt der Kommandant der Legion, ein Senator, der legatus Augusti pro praetore provinciae Morici Statthalter. Da Virunum zu weit entfernt war, verlegte man nun einen Teil der Zivil verwaltung nach Ovilava, und Wels wurde deshalb von Caracalla in den Status einer Kolonie erhoben. Im 3. Jahrhundert ist nie mehr jene Ruhe zurückgekehrt, die vor den Markomannenkriegen herrschte. Die Straße entlang der Donau, die der Meilenstein von Lngelhartszell aus den Jahren 212—217 bezeugt, kann nur aus strategi schen Gründen angelegt worden sein und sollte wohl der Abwehr der Alemannen dienen. Ovilava wurde damals durch eine turmbewehrte Mauer zur Festung gemacht. Nach einem unter Maximinus Thrax (235—238) aufge stellten Meilenstein von Wels wurden Brücken, Straßen und Meilensteine wiederhergestellt, die am ehesten durch einfallende Germanen zerstört worden waren. Wahrschein lich ist damals,zwischen 231 und 234, die neugegründete Zivilstadt Lauriacum zum ersten Male in Flammen aufge gangen. Unter Kaiser Aurelian (270—275) brannte dann beim Juthungeneinfall 270/271 nicht nur die Zivilsiedlung neuerdings nieder, sondern auch die Festung selbst trug schwere Schäden davon. Kaiser Diokletian (284—305)führte im Zuge seiner Refor men auch eine Teilung der Provinz Noricum durch. Zum nördlichen Noricum ripense zwischen Donau und Alpenkamm gehörten Ober- und Niederösterreich mit Wels als Haupt stadt. Außerdem erfolgte nun eine scharfe Trennung von Militär- und Zivilgewalt. Letztere führte ein Statthalter mit dem Titel praeses in Wels. Der Grenzschutz in Ufernoricum unterstand dem militärischen Befehlshaber in Carnuntum. Zu Diokletians System gehörte auch die Auflösung der Großverbände, wobei die Stärke einer Legion auf höch stens 1000 Mann verringert wurde. Die großen Festungen, gebaut für wenigstens 6000 Mann, dienten bald als Zu fluchtsort für Bürger und Bauern. In Lauriacum erlitt im Jahre 304 der heilige Florian das Martyrium, nachdem er sich freiwillig gestellt und sein Christentum bekannt hatte. Unter Konstantin (325—327) dürfte die Stadt noch einmal einen Aufschwung erlebt haben und sogar vergrößert worden sein, aber Mitte des 4. Jahrhunderts wurde sie neuerlich zerstört, wobei sich nur das Lager halten konnte. Esfolgte ein nochmaliger Wiederaufbau unter Valentinianl. (364—375), der als letzter größere Mittel für den Grenz schutz aufwenden konnte. Im Jahre 401 stießen die Wandalen vom Osten vor und vernichteten es abermals. Nun erfolgte der Wiederaufbau nur mehr teilweise, nämlich im Osten um dasforum venale in der Gegend des St.-Laurenz-Friedhofes. Als ein General kommando vom Lech bis zur Raab geschaffen wurde, um die Donaugrenze zu halten, verursachten die drückenden Kosten hiefür431 einen Aufstand der Provinzialbevölkerung. Im Jahre 433 hatten die Hunnen die Ostflanke erreicht, das Wiener Becken und Burgenland wurden an sie abge treten. Wahrscheinlich ist schon damals ein erheblicher Teil der romanisierten Bevölkerung geflüchtet. Auf seinem Zug nach Westen und nach seiner Niederlage durchquerte Attila 451 auch Oberösterreich und zerstörte das Lager in Lorch. Nach der Auflösung seines Reiches 453 ließen sich im Osten Österreichs die Rugier nieder und beanspruchten eine Schutzherrschaft über die Romanen südlich der Donau. Pannonien wurde 455 von den Ostgoten besetzt. Damals vermochte das römische Imperium, dessen Soldaten sich schon aus dem Staub gemacht hatten, die Provinzial bevölkerung nicht mehr zu schützen. Der heilige Severin, welcher um 460 in Ufernorikum erschien, mußte vielfach zu ihren Gunsten intervenieren. Die Alemannen durchbrachen vom Westen her die Grenze und durchstreiften auch das heutige Oberösterreich. Aber auch Heruler und Thüringer kamen in unser Gebiet. Severin hat Lauriacum als Zufluchtsort ausersehen. Es schien noch am ehesten Schutz zu gewähren. Ein Teil der Bevölkerung muß aber auch damals noch außerhalb des Lagers gewohnt haben und flüchtete nur bei Gefahr hinter die Mauern. In der Zivilstadt wurde sogar noch gebaut, weshalb die Bischofskirche dieser Zeit außerhalb des Lagers zu suchen sein dürfte. Schließlich mußte jedoch Lorch noch zur Zeit Severins kampflos den Alemannen überlassen werden. Als Odoaker 488 den Romanen befahl, Ufer norikum zu räumen, leisteten vor allem die wohlhabenden Schichten Folge. Seit Ende des 5. Jahrhunderts beherrschten den Norden und Osten des österreichischen Raumes die Langobarden, während im heutigen Oberösterreich 496 die Macht der Alemannen von den Franken gebrochen wurde.Im 6.Jahr hundert erschienen dann die Baiern. Sie stießen mit den Awaren und Slawen zusammen, welche nach dem Abzug der Langobarden 568 deren ursprüngliches Siedlungsgebiet besetzt hatten. Als 626 ein Vorstoß der Awaren gegen Byzanz gescheitert war,errichtete der Kaufmann Samo im Osten ein Slawenreich, das jedoch bald wieder zerfiel. 2. Lauriacum von der baierischen Landnahme bis zum Ungarnvorstoß Das baierische Siedlungsgebiet reichte im Osten ständig keilförmig bis Niederösterreich in den Bereich der Awaren und Slawen hinein. Die erste wichtige Nachricht über die Enns erhalten wir im Berichte Arbeos von Freising. Die Bedeutung der darin erwähnten Kämpfe mit den Awaren darf aber nicht überschätzt werden. Zumindest in der späteren Zeit der Agilolfingerherrschaft kann die Enns als Grenze keine Bedeutung mehr gehabt haben; erst um 788 spielte sie vorübergehend wieder eine gewisse Rolle. Hier machte 791 das Heer Karls des Großen halt, um vor Überschreiten des Flusses drei Tage lang Bittgesänge und 57

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