Oberösterreich, 11. Jahrgang, Heft 3/4, 1961

T- tjM |Ä ^i< • I» Steyregg, Altes Schloß, Aufgang mit Renaissanceportal. Photo: Melichar. Aber das Greiner Rathaus birgt noch mehr als Miniaturen auf rauhem Papier. Es birgt auch jenes Miniaturtheater, über das schon so viel geschrieben wurde und das seinen Ruhm, die älteste öffentliche Bühne Österreichs zu sein, bis heute erfolgreich verteidigt. Dazu kommt, daß .sich der Innenraum dieses Theaters seitjenem Abend im Jahre 1790, an dem sich der Prinzipal einem wohlaffektionierten Publi kum vorstellte, kaum verändert hat. Es gibt für dieses Haus keine zweite und dritte Ebene, und wer ganz der Ver zauberung bedarf, wer bis dahin noch blind an den Fassaden der Bürgerhäuser vorbeigegangen ist, wer bis dahin noch keinen Greiner Hof gesehen hat, wer bis dahin noch nicht im „Blumenstöckl" saß, in diesem Kaffeehaus, das schon dem Namen nach aus einer Nestroy-Posse von der Wiener Vorstadt flugs nach Grein entschlüpft sein könnte, wer sich bis dahin immer noch ohne Partnerschaft glaubt — der findet in diesem Theater jenen Zusammenklang, dessen Töne uns Österreichern das Wort von den Sängern und den Geigern eintrugen. Doch dieses mißverstandene und vom Alltag tausendfach widerlegte Wort paßt nicht einmal für Grein. Denn gleich unmittelbar neben Scherz und Spielfindet sich das ehemalige Franziskanerkloster, das inmitten der Gegenreformation vom Grafen von Meggau gegründet wurde und das bis zu seiner Aufhebung im Josephinischen Sturm einen kulturellen Mittelpunkt von hohem Rang fixierte. Hier wurde weder gescherzt noch gespielt: Die Lehranstalt, die die Franziskaner eröffneten, entließ nach harter Arbeit und langem Studium eine Reihe von Männern, die in der ganzen damals bekannten Welt den Ruf dieses Greiner Institutes festigten, und weil ich eben von der Wissenschaft rede: auch Bartholomäus Tichtl, der berühmte Rektor der Wiener Universität an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, war ein Sohn der Stadt Grein. Auch das prägt das Antlitz einer Stadt, auch das vermag zu verzaubern und zu glänzen. So wie in den heiteren Tagen des Jahres die Donau, die Grein mehr gab als eine flache örtsbezeichnung. Heute ist die Donau auch hier ein kaum noch gefährliches Wasser, aber bis in unser Jahrhundert herein nannten alle Schiffs leute zwischen Regensburg und dem Schwarzen Meer den Greiner Wirbel und Strudel mit dem Teufel in einem Atem zug, und das sollte jeder bedenken, der in einer Dämmer stunde die Stadt und ihren Fluß zu lieben beginnt. Denn erst dann wird er jäh erkennen, daß jedem Zauber auch das Trügerische innewohnt,und nur wer dieses überwunden, kann jenem ganz erliegen. Vor solchen Gefahren ist man in Steyregg gefeit. Diese kleinste Stadt Öberösterreichs gibt sich offen, unproble matisch und ungekünstelt, als wäre sie niemals bedroht gewesen, als wäre sie noch so jung wie zu jener Zeit, in der die passauischen Bischöfe ihren Wolf als Wappentier zu Steyregg in Stein hauen ließen. Uber dieses Phänomen habe ich oft und viel nachgedacht, aber nur eine Erklärung gefunden: Steyregg hat etwas Südliches an sich, eine Luft, die — wenngleich sie auch nur an wenigen Tagen im Spätsommer zu spüren ist — doch ausreicht, um dieser Siedlung jenen immerfrischen Glanz zu schenken, wie ihn die Städte des Altertums heute noch versprühen. Wer das erfaßt hat und mit mir eines Sinnes ist, der wird sich nicht wundern, wenn er hört, daß an den Steyregger Schloßhängen einst der Wein gedieh. Davon ist allerdings längst nicht mehr die Rede. Der Wandel ist in Steyregg sogar viel rascher zu erfahren als in Grein oder in Eferding, weil die Nähe der Landeshaupt stadt lockt. Man wohnt in Steyregg, man erwirbt einen Grund, man baut ein Haus, aber den Tag verbringt man an seiner Arbeitsstätte in Linz, und wenn man abends heimkehrt, so vermeint man in einen Vorort, an die Peri pherie heimgekehrt zu sein. Und dennoch: Es genügen schon eine Nacht und der ihr folgende Morgen, um dem Zauber Steyreggs zu erliegen. Daß er sich oben, im alten Schloß, offenbart, wäre nicht weiter verwunderlich. Aber seltsamerweise wirkt er am eindringlichsten unten, auf dem Marktplatz, und rund um das neue Schloß, dessen barocke Teile zwar von Fliegerbomben zerstört wurden, das aber mit seinem kaiser gelben Trakt wie eine nach Oberösterreich gesandte Bot schaft Kornhäusels und damit des Wiener Spätbieder meiers anmutet. Diesem Spätbiedermeier verdankt jedoch Steyregg noch mehr: Auf seinem Friedhof finden sich zwei Grabdenk mäler, blockförmig und mit dem Emblem kaiserlicher Kürassieroffiziere geschmückt. Hier ruhen die Weißenwolffs, die als treue Untertanen der Majestät die Herrschaft Steyregg 1635 übernahmen. Vorher hausten hier die 54

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