RUDOLF WALTER LITSCHEL Zauber der Kleinstadt an der Donau Es beginnt mit Burgen. Mit wehrhaften Burgen, die aber merkwürdigerweise kaum jemals ihre Wehrhaftigkeit be weisen mußten. Und das verwirrt im ersten Augenblick. Das schafft eine Atmosphäre, die den Blick sofort von der Burg zur Stadt lenkt und die unwillkürlich das Gefühl erzeugt, daß diese schweren grauen Mauern zu nichts anderem als zum Geburtshelfer taugten. Was nachher kam, lag schon außerhalb der Feste, nur lose mit ihr verbunden, zufällig und treulos. Aber das alles scheint nur so. In Wirklichkeit ist Eferding ohne Schaunberg gleichermaßen undenkbar wie Steyregg ohne sein Schloß oder Grein ohne diese Greinburg, die sich übrigens als die jüngste in diesem Triumvirat vorstellt. Als sie erbaut wurde, kämpfte die Schaunberg nur noch in Träumen, und auf Steyregg saß jener Christoph von Liechtenstein, der an der Seite des Ungarnkönigs Matthias hielt und das kaisertreue Linz bedrohte. Das zu wissen, bindet — doch nur fürs erste. Was viel mehr entscheidet, was den Ton anstimmt und schließhch einen vollen Akkord erzeugt, ist eine andere Dreiheit; geformt aus der Lage an der Donau, aus dem Herkommen und aus dem gemeinsamen Schicksal. Freilich, zwei von den drei Städten — nämlich Eferding und Steyregg — liegen heute gar nicht mehr unmittelbar am Strom. Der Fluß, dem sie so viel verdanken, ist von ihnen abgerückt und währt einzig noch Grein den Vorzug, sich als Stadt an der Donau zu präsentieren. Wer in Efer ding die Donau sehen will, muß sich deshalb für einen Spaziergang rüsten, und wer von Steyregg aus die Donau sehen will, braucht einen scharfen Blick, um von der Schloßhöhe aus das breite Silberband knapp unter dem Horizont zu erfassen. So muß Grein den Vorhang aufziehen, und es öffnet ihn mit jenem Charme, der schon an das nahe Weinland erinnert. Sicher hat sich an der Kulisse einiges verändert, aber diese Stadt — die 1147zum ersten Malein der Stiftungs urkunde des Klosters Waldhausen genannt wird — verfügt über genug Kraft, um ihr auch scheinbar fremde Gesten annehmen zu können. Die neue Straße, die nun Grein von der Donau trennt,als wär's eine Narbe nach einem Schwert hieb, vermochte dieser Siedlung kaum zu schaden. Ja, im Gegenteil: die Narbe fügt sich gut in ein Antlitz, das jahrhundertelang allen Stürmen trotzte, darunter vor allem dem Bauernsturm. An ihn erinnert allerdings in Grein nicht allzuviel. Was Grein am Kragen packte und niederriß, waren die Brände von 1476 und 1642. In ihnen verloderte das mittelalterliche Grein, und es mutet heute fast wie ein Wunder an, daß sich zumindest die Pfarrkirche zum heiligen Ägidius Spuren aus der Spätgotik erhalten konnte. Sie ist eine Hallenkirche geblieben, obwohl der Turm im Hochbarock neu gestaltet werden mußte und die Einrichtung mit Namen wie Franz Ludwig Grimm und Bartholomäus Altomonte durchaus dem Rokoko zugehört. Doch dazwischen findet sich ein präch tiges spätgotisches Taufbecken, und das Gotteshaus entläßt einen immer noch durch Tore, denen kein Brand etwas anhaben konnte. Der schadete dem Rathaus wesentlich mehr. Aber es wäre um den Zauber, mit dem Grein seinen Besucher schon in der ersten, kargen Stunde der Einkehr bindet, schlecht bestellt, wenn gerade das Rathaus versagte, wenn es nicht prunken könnte,und sei es auch nur mit einem Urbar, das Miniaturen aus dem 15. Jahrhundert verwahrt und damit aus jener Zeit, in der Kaiser Friedrich III. den Brüdern Prüschenk für Grein die Stadtprivilegien verlieh. Dabei darf man freilich nicht übersehen, daß Grein schon zwischen 1220 und 1240 im landesfürstlichen Urbar als „forum" und als Sitz eines landesfürstlichen Amtsverwalters auf scheint, so daß der so oft und zu Unrecht geschmähte Friedrich eigentlich nicht zu verleihen, sondern nur zu bestätigen brauchte. Eferding, Pfarrkirche, Zeichnung von C. Wirthuemer aus 1890 vom ehemaligen Hochaltar. Photo: Photoarchiv Landeskonservator f. OO. 53
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