Oberösterreich, 11. Jahrgang, Heft 3/4, 1961

LINUS KEFER Städte im Bauernland Vor mehr als einem halben Jahrhundert, genau am 15.Juni des Jahres 1907, machten Arbeiter in einer stillen, traum versponnenen Kleinstadt im oberösterreichischen Alpen vorland einen Fund, der den Namen des Städtchens mit einem Schlage geläufig machte in allen Museen und bei den Forschern und Sammlern im deutschen Sprachraum und darüber hinaus in weiten Teilen Europas, wo man kulturgeschichtlichen Entdeckungen Interesse entgegen brachte. Ein Schwanenstädter Kaufmann hatte Lust auf ein Bad im eigenen Hause bekommen. So gab er den Auftrag, eine alte Rumpelkammer zu einem Badezimmer umzubauen. Bei diesen Arbeiten stieß man, so hatte es zunächst den Anschein, auf eine vermauerte Bretterwand; aber es war eine falsche Vermutung. Bald zeigte sich, daß man es nicht mit einer Holzverschalung zu tun hatte, sondern mit einer hölzernen Kiste, die, in Leinensäcke eingeschlagen, ein paar Jahrhunderte lang ihr verborgenes Dasein auf einer Mauerbank verbracht hatte. Der Inhalt der Truhe machte sie zu einer wahren Schatztruhe für die kulturgeschicht liche Forschung. Man hatte, nach Dr. Hermann Ubell, beim Anblick des zu Weihnachten 1907 dem Publikum in systematisch geordneter Aufstellung vorgeführten Fundes den Eindruck, „wie durch ein plötzlich aufgestoßenes klei nes Fenster in die bürgerliche Wohnstube eines deutschen Kleinstädters aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges hereinblicken zu können". Der Schatz, als „Schwanen städter Fund" berühmt geworden, enthielt wie nur selten ein Depotfund aus dieser Epoche der Geschichte eine wahre Fülle an Hausrat und Geschirr jeglicher Art, an Goldschmiedearbeiten, Silber- und Goldmünzen und an vollkommen erhaltener Tisch- und Leibwäsche und leine nem Bettzeug. Man hat beim aufmerksamen Betrachten des Fundes, der heute im Landesmuseum zu Linz auf bewahrt wird, wieder nach Ubell, „das Gefühl, als ob man ein paar farbige und interessante Seiten aus Gustav Freytags ,Bildern aus deutscher Vergangenheit' lese". Von dieser Vergangenheit ist freilich im Stadtbild heute kaum mehr etwas zu spüren. Krieg und Plünderung, Feuer und Wasser haben immer wieder zerstört, was einmal war. Heute, von Linz her, wenn man die Westbahn benützt, über Wels und vorbei an Lambach,wo das alte Benediktiner stift gewaltig und langgestreckt auf einem weit vorge schobenen Sporn der Traunterrasse sich hinaushebt über die bäuerliche Landschaft, erreicht der Eilzug in weniger als einer Stunde die Stadt, die um 788 erstmals urkundlich auferscheint als Suanaseo, im Mittelalter Swans oder Swanse heißt, später Schwans und im Dialekt „Schwana" genannt wird, bis der kleine Markt 1627 den Henker vom Haushamerfeld, den Grafen Herbersdorf, als Grundherrn erhält, dem der Kaiser für seine Verdienste entgegenkommt und seine Bitte, den neugewonnenen Markt zur Stadt zu erheben, schon nach wenigen Wochen erfüllt, durchaus nicht den Schwanenstädtern zuliebe, die nicht minder eifrige Protestanten gewesen waren als die Bauern und Bürger im übrigen Lande. Der Markt erhielt den Namen Schwanenstadt und Herbersdorf für seine junge Stadt den Stadtrechtsbrief, den er den neuen Stadtbürgern keineswegs aushändigte. Der Kaufpreis für das Stadtprivilegium wurde vertraulich ausgehandelt und wohlweislich verschwiegen. Es war zweifelsohne eine teure Ehre ohne Rechte, die sich die Schwanenstädter damit erwerben mußten. Da ihnen zugleich auch die bisherigen althergebrachten Rechte still und sicher aus der Hand gewunden wurden, ging auch ihr Wohlstand zurück.Ja, die Stadt muß noch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts jährlich ihre Kontribution an die Herrschaft zahlen; erst das Jahr 1848 bereitet diesem Zu stand ein Ende. Schwanenstadt blieb so, nicht im natürlichen Wachstum zur Stadt geworden,im Wesen einer von den vielen Markt orten des Landes, hingebreitet in die ländliche Stille und lebend aus dem bäuerlichen Bereiche. Auch Industrie und Gewerbe, die sich in jüngster Zeit am Stadtrand ausbreiten, verändern das Gefüge der Stadt kaum. Wenn man zwischen sieben und acht Uhr früh den Zug hier verläßt, kann man die Wartenden vor dem sauberen Stationsgebäude, die nun zusteigen, an den Fingern einer Hand zählen, und kaum mehr verlassen die Wagen, ein paar Schüler vielleicht sind dabei. Denn wer zur Arbeit kommt, muß einen der Frühzüge benützen. Es ist nicht weit zu gehen in die Stadt. Die breite Straße läuft ein Stück neben der Bahn her, und das freundliche Grün des Bahndammes säumt sie an dieser Seite, Ruhe bänke laden zum Verweilen ein. Unter schattigen Allee bäumen führt rechts der Gehsteig, bis die Straße einbiegt in den Bereich der geschlossenen Siedlung und wir mit der Bundesstraße, der alten Reichs- und Heeresstraße, die von Salzburg herkommt, das schöne Stadttor passieren, hinter dem sich der langgestreckte, rechteckige Stadtplatz von Schwanenstadt öffnet. Noch ist um diese Stunde wenig Leben hier. Ein Traktor mit Anhänger poltert an uns vorbei, ein Pferdefuhrwerk, ein Bäckerjunge zu Rad, den bauchig gewölbten Korb auf dem Rücken, flitzt pfeifend vorüber, Schulkinder radeln herein, ein Mädchen mit der Milchpietsche am Arm überholt uns. Aber schon gehen die Roll läden hoch, öffnet da und dort ein Geschäft, werden aus den eben noch übermütigen Lehrlingen beflissene Ver käufer, und dann fahren die gelben Autobusse ein und jetzt ist die Stadt erwacht. Aus den Backstuben flutet eine Welle warmen Duftes von frischgebackenem Brot, und zum Kaffee gibt es große, knusprige Weinbeerkipfel, Handels reisende sind schon da, eine Bäuerin mit ihren Kindern kommt herein, der Herr Doktor läßt sich zum Frühstück nieder, schnell ist der Raum voll. Später, auf dem Gang über den Platz, finden wir Land leute vor den Auslagen, die mehr verraten, was man hier kauft, als was man alles kaufen kann. Dinge des bäuerlichen Alltags überwiegen, Sense und Wetzstein, Axt und Säge, 43

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