Oberösterreich, 11. Jahrgang, Heft 3/4, 1961

GILBERT TRATHNIGG Die Stadttürme von Vöcklabruck Nichtjede Siedlung konnte ihr verbautes Gebiet mit Stadt mauer und Graben umgeben. Erhebliche Mittel waren notwendig, um den Bau auszuführen, ebenso ihn zu er halten. Zum Sinnbild der Befestigung wurde aber der Torturm, wie in älteren Zeiten in der Rechtssymbolik bereits Tür und Türschwelle für das ganze Haus galten. Darum erhielten Tür und Tor und ihre hölzerne oder steinerne Umrahmung vielfach reichen sinnbildlichen Schmuck. Ungleich höhere Bedeutung als der Tür schlechthin ist als Sinnbild dem Torturm zuzumessen, steht er doch nicht für ein Haus allein, sondern für eine ganze Siedlung, die nicht nur die Mittel zur Befestigung aufbringen konnte, sondern auch das Recht dazu besaß. Der doppelte Turm ist bereits in der Tabula Peutingeriana das Zeichen für eine Groß stadt. Zwei Türme, zwischen denen das Tor liegt, finden sich in den Stadtwappen von Linz und Wels, stolzer Aus druck für die wirtschaftliche und politische Bedeutung dieser Orte. Unter den Märkten hat einzig Haslach eine sehr ähnliche Darstellung im Wappen, während sich alle anderen, soweit sie einschlägige heraldische Sinnbilder be sitzen, mit einem Tor in der Mauer oder mit einem einzelnen Turm, der auch von der Stadtmauer umgeben sein kann, begnügten. Erst jüngere WappenVerleihungen durchbra chen diese Unterschiede. Eine Sonderstellung nimmt das Wappen von Vöcklabruck ein. Dieses zeigt eine steinerne Brücke, über die zwei gewappnete Ritter durch den Torturm in die Stadt einreiten. Die alte Deutung, daß es sich bei diesen Rittern um Herzog Albrecht H. und seinen Sohn Rudolf IV. handelt, wird wohl zu Recht bestehen. Beiden verdankt die Stadt Vöcklabruck außerordentlich viel. Unter den wenigen erhaltenen Stadttürmen nehmen die beiden Vöcklabrucker Türme eine besondere Stellung ein. Nur bei ihnen konnte bisher bedeutungsvoller Wappenschmuck nachgewiesen werden. Der Ostturm wurde bereits vor einigen Jahren im Auftrage der Stadtgemeinde Vöckla bruck von Otto Götzinger und Maria Holzinger restauriert und stellt nun eine seltene Sehenswürdigkeit dar. Zwei Wappengruppen springen besonders ins Auge. In der Höhe des zweiten Stockes sind die Wappen der österreichi schen Erbländer und darüber der Adlerschild zu sehen, ein Stockwerk tiefer sind in einem Wappenfries 16 Wappen aus den burgundischen Landen zusammengefaßt. Schon diese Zusammenstellung würde auf die Zeit Kaiser Maxi milians I. deuten, auch wenn die Jahreszahl 1502 nicht gefunden worden wäre. Die Wappenreihen des Vöcklabrucker Stadtturmes stehen nicht ganz vereinzelt. Auf dem Doppelkinderbildnis Erz herzog Philipps und seiner Schwester Margarethe aus dem Jahr 1594, auf dem Lehensschwert des Kaisers, das sich heute in der weltlichen Schatzkammer in Wien befindet (1596), am Wappenturm in Innsbruck von 1499, den wir leider nur mehr aus Abbildungen kennen, und in der Wappensuite des Triumphzuges (1512) finden sich ähnliche Reihen von heraldischen Darstellungen. Sucht man Gegen stücke, so kommt man auf die Titel, die Kaiser Maximilian führte. Diese Titelreihen stimmen weitgehend mit den Wappenreihen überein. In jenen Jahren beze'chnete sich der Kaiser als Erzherzog von Österreich, Herzog von Burgund, Lothringen, Brabant, Steiermark, Kärnten, Krain, Limburg, Luxemburg und Geldern, als Graf von Flandern, Habsburg, Tirol, Pfirt, Kiburg, Artois und Burgund, als Pfalzgraf von Hennegau, Holland, Seeland, Namur und Zupfen, als Markgraf des Heiligen Römischen Reiches (dieser Titel bezieht sich auf Antwerpen), als Markgraf zu Burgau, als Landgraf von Elsaß und Friesland, als Herr der windischen Mark, zu Portenau, Salins und Mecheln. Auf der Inschrift des Triumphreliefs im Louvre ist diese Titelreihe noch erweitert. Hier werden auch alle Länder angeführt, die Kaiser Maximilian als sein Erbe bean spruchte. Vor allem wird aber die Stellung der burgun dischen Besitzungen noch stärker betont, die er durch seine Heirat mit Maria von Burgund 1477 erworben hatte. Wie Österreich, war Burgund eine Vereinigung von ver schiedenen Herzogtümern, Grafschaften und Herrschaften. Die Herzöge von Burgund hatten sie zwischen 1384 und 1473 an sich gebracht; sie waren teils Lehen des deutschen Reiches, teils Lehen Frankreichs. Dadurch war die staats rechtliche Lage sehr schwierig. Karl der Kühne von Bur gund hatte 1447 und 1474 versucht, sie auch staatsrechtlich zu einer Einheit zu verschmelzen. Sein Versuch, sie zu einem Königreich Burgund zu vereinen, mißlang aber ebenso wie der spätere, der die zwei Königreiche Burgund und Friesland begründen wollte. Man könnte versucht sein, die starke Betonung der bur gundischen Besitzungen im Titel und auf den Wappen reihen auf den tiefen Eindruck zurückzuführen, den Maximilian 1. in Burgund empfing. Sicher waren die Jahre an der Seite von Maria von Burgund von nachhaltigem Einfluß auf den Kaiser. Am burgundischen Hof hatte sich zu Ausgang des Mittelalters ein Lebensstil gebildet, der nochmals die mittelalterlichen Formen und Ideale archai sierend pflegte. Die Stiftung des Ordens vom Goldenen Vlies, die Turniere und Hoffeste gehören hierher, wie die Kollegialbehörden, die Kollegien und Bruderschaften und die Pflege und Förderung von Dichtkunst, Musik, Malerei und Bildhauerei. Es ist unschwer, vieles aus dem Leben des letzten Ritters, wie man Maximilian später nannte, hier einzuordnen, unbeschadet der Frage, ob der Einfluß von Burgund ausging oder zum Teil vorhandene Neigungen und Anlagen durch das Erleben jener Jahre nur verstärkt wurden. Aber sosehr Kaiser Maximilian auch Romantiker war, ebenso stand er im Werden einer neuen Zeit und fühlte sich ihr verhaftet wie der ritterlichen Vergangenheit. Deshalb sind bei Titelreihen und Wappenfolgen wohl realere Gründe zu suchen. 39

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