Oberösterreich, 11. Jahrgang, Heft 3/4, 1961

FRANZ DICHTL Die alte Grenzfestung Freistadt Es gibt nur mehr wenige Beispiele mittelalterlicher Stacltbefestigungen, welche ihr Gesamtbild so gut erhalten haben und die ursprüngliche Anlage noch so gut erkennen lassen wie Freistadt. Ein günstiges Schicksal hat hier bewahrt, was durch den kriegstechnischen Fortschritt anderswo längst als zwecklos und den Lebensraum beengend beseitigt worden ist. Aber vielleicht wurde diese Beengung in Frei stadt gar nicht so verspürt, denn die wirtschaftlichen Ver hältnisse der Stadt und ihrer Bürgerschaft waren infolge der abgeschiedenen Lage und der Verkehrsverhältnisse gerade zu jener Zeit nicht rosig, als man sich andernorts seines engen Mauerpanzers entledigt hat, um einer auf strebenden Wirtschaft Raum zu geben. Freistadt ist ein uraltes Siedlungsgebiet, dessen Anfang geschichtliches Dunkel verhüllt. Zweifellos ist seine Ent stehung dem Lfmstand zu verdanken, daß das ehemals ziemlich waldfreie und daher leicht begehbare Feldaisttal hier seinen Abschluß fand und der schwierige Weitermarsch nordwärts zur Moldau auf diesem Boden daher einen Rastund Flandelsplatz entstehen ließ. Ein vom Feldaisttal und den ihr zustrebenden Gerinnen natürlich begrenztes Plateau war für diesen Zweck ein leicht zu verteidigender Platz, was auch für die spätere Errichtung einer Stadt aus schlaggebend war. Ob man an Nößlböcks Theorie von der Gründung der Stadt um 1130 durch Otto von Machland festhält oder glaubt, sie bezweifeln zu müssen, eines muß wohl als sicher angenommen werden, daß ein Handelsplatz, den spärliche Funde bis in die späte Bronzezeit zurück verfolgen lassen, eine künstliche Ergänzung der natürlichen Wehranlage benötigt haben wird. Spuren davon sind allerdings durch den späteren Stadt- und Festungsbau restlos zerstört worden. Solche künstliche Wehranlagen waren vor allem im Westen notwendig, wo das Gelände eben ausläuft, während der Platz vor allem gegen Osten durch einen steilen, im Süden und Norden mehr sanften Abfall geschützt ist. Die ursprüngliche Befestigung wird man als seichten Graben und niedrigen Wall mit Palisaden zaun,an das Gelände sich anschmiegend,annehmen müssen, und vielleicht deutet eine mäßige Bodenwelle im Verlauf der Linzer und Salzgasse noch eine ehemalige Llmwallung an. Hier im Westen stand auch die alte Burg, für deren Entstehung Nößlböck spätestens das 10. Jahrhundert an nimmt, in deren Schutz sich ein Straßendorf, die heutige Linzer und Salzgasse, entwickelte. Burg und Straßendorf wurden in die spätere Gründungsstadt einbezogen. Macht man einen Rundgang durch die Stadt, so fallen vor allem der geräumige, regelmäßige Hauptplatz auf, der Mittelpunkt der Altstadt, doch auch die ziemlich regel mäßig verlaufenden, breiten Straßen, alles Merkmale einer Gründungsstadt. Aber auch die Umfassung der Stadt, die Befestigung, ist ziemlich regelmäßig in einem nur durch das Gelände etwas verschobenen Viereck angelegt. Nehmen wir im Süden den Ausgangspunkt an, so haben wir das Wahrzeichen der Stadt vor uns, das Linzer Tor. In seiner baulichen Anlage sicher so alt als die Stadt, hatte es den südlichen Stadteingang zu schützen. Deutlich sind hier die beiden Ringmauern zu sehen, die hohe innere und die niedrigere äußere, der Stadtgraben und sein Abschluß nach außen, die Graben- oder Mantelmauer, weil sie wie ein Mantel die äußerste Umfassung der Stadt war. Das Linzer Tor stand ursprünglich frei im Zwinger, dem Raum zwischen den beiden Ringmauern, mit der Vorderseite in der äußeren Stadtmauer. Das hochstrebende Keildach wurde dem Turm 1484 aufgesetzt, denn vorher hatte er, wie die innere Stadtmauer, Zinnen. Das Tor war zu Nachtund vor allem zu Kriegszeiten, seiner Bedeutung entspre chend, stark gesichert. Die Torflügel waren gepanzert und das Ausheben durch einen starken Eisendorn in der Mauer gehindert.Dahinter war ein hölzernes Fallgatter angebracht, das auch bei offenem Tor herabgelassen werden konnte, und außerdem war die Toröffnung durch die Zugbrücke verschlossen, die an Schwungbalken hing und mit diesen aufgezogen werden konnte. Die Schwungbalken bewegten sich in den Mauerschlitzen über der Toröffnung. Der Zu gang in die Obergeschosse vollzog sich ursprünglich über eine Holzstiege an der geschützten Rückseite des Turmes, die heute mit der inneren Stadtmauer baulich verbunden ist, denn der stadtseitige Rundbogen diente ja als Uber führung des Wehrganges der inneren Stadtmauer über die Straße, um durch diese keine Unterbrechung zu erfahren. Der Wehrgang war hier 1841 noch vorhanden. Vor dem lanzer Tor liegt ein unverbauter freier Platz, auf dem sich ein Vorwerk zum Schutz des Tores befand. Es war eine dreieckige, von einem Graben umfaßte Bastei. Holzbrücken, die 1571 noch nicht durch gemauerte ersetzt waren, führten die Straße über beide Gräben. An das Linzer Tor rechts anschließend ist noch ein Stück der inneren Stadtmauer mit Schießluken und Pechnasen des Wehrganges sichtbar. Diese wurden statt der Zinnen 1553 eingebaut, die Pechnasen hauptsächlich zur Beobach tung des Zwingers. Eine Ecke an der Südseite der Stadt schirmt ein Rundturm, der in der äußeren Stadtmauer steht. Er gehört zu den jüngsten Türmen, wurde er doch mit dem Scheiblingturm gemeinsam erst in den Hussitenkriegen, zwischen 1444 und 1447,erbaut. Wegen seiner exponierten Lage — er steht mit drei Vierteln im Stadtgraben — diente er auch als Pulverturm. So wie hier die äußere, bildete auch die innere Stadtmauer einen Winkel, diese sogar einen spitzen, eine Art der Mauerführung, für die es keine Erklärung gibt, denn die jenige Seite der Befestigung, der hierdurch ein Vorteil erwächst, ist durch den Steilabfall des Geländes ohnehin fast uneinnehmbar. Hier, also nach dem vorspringenden Winkel, ist noch ein Stück des Wehrganges mit Schieß luken erhalten und hat hinter der ehemaligen Latein-

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