Oberösterreich, 11. Jahrgang, Heft 3/4, 1961

.-4 i»wf Oben und rechts: Unkonventionelle Blicke auf die „Faszination" des Traunsees mit Schloß Ort und Gmunden Sämtliche Fotos: H. G. Prillinger vom Süden über den See herfliegt und die Oberfläche des Wassers in wilde Wogenkämme zerreißt; wie die Wellen aufschreien, wenn sie sich hinstürzen, eine über die andere, bis an die Straße der Menschen. Und dennoch zwingt sie ein unwiderstehliches Gesetz, in sich zu bleiben und wieder zurückzugehen in die weite, graue Schale des Sees. Diesem großen Schauspiel: dem Wechsel von Sturm und Regen und spärlichen Tagen einer vollendeten Schönheit, ist die Stadt Gmunden Zuschauer.Am deutlichsten wird dies, wenn man die Stadt vom See aus betrachtet. Wie ein natürliches Theater wölbt sie sich da vor dem Blick, mit der Gelassenheit eines selbstverständlichen Bewußtseins liegt sie in dem Bogen, den ihr der See gezeichnet hat. Wo immer sich Platz genug findet, steht ein Haus, ist eine Straße. Im Osten haben die Menschen den spärlichen Raum ihres Lebens dem Traunstein abgerungen; steil und jäh ab fallend ist das Ufer an dieser Seite, die Leute leben wirklich „Unterm Stein", und was dieser Stein noch erlaubt, ge fährdet oftmals das Wasser. Aber auch im Norden, im Mündungsgebiet der Traun, ist der Raum der Stadt be grenzt von den Moränenhügeln der Eiszeit, vom Hoch kogl, vom Kalvarienberg,von der „Luft". An diesen Hängen lehnt nun die Stadt, und in einem weiten Halbkreis stehen die Häuser und wenden alle ihr Antlitz dem See zu. Denn der große Ruhepunkt dieser im wesentlichen unbedeuten den Stadt liegt in der Landschaft, an ihrer Mächtigkeit verflüchtigen sich sogar die lauten Auswirkungen der Zeit und versinken in ihre eigene Unwichtigkeit. Darum ist auch das Wasser nicht nur Attribut für die Stadt, sondern eine Wirklichkeit, der sich jeder beugt. Immer ist in Gmunden mehr vom See als von sonst etwas die Rede. Alles gilt dieser See, und selbst heute noch bleiben Ufer streifen unberührt, an denen die Stadt das Wasser gewähren läßt; zu gehen und zu kommen. Dort singt dann der See sein eigentümliches Lied; das Licht zerfällt in unendlich viele Kringel, und der Wind zerschlägt sie nach Laune. Dann hebt das Wasser sie auf seine Schultern und trägt sie zum Ufer. Ein wenig Schaum bleibt für einen Augen blick im Sand oder aufden Steinen liegen, aber nicht lange. Denn immer wieder kommt eine kleine, lichtgefüllte Welle, den ganzen Tag lang, und morgen und übermorgen und in tausend und hunderttausend Jahren noch gleich, das Licht des Tages in sich tragend und nachts das Glänzen der Dunkelheit und des Mondes. Und in vielen Jahrmillionen bleibt von dem stetigen Anprall im Gestein eine winzige keusche Mulde, angefüllt mit einer unbeirrbaren Hoffnung. Vielleicht kann aus diesem Grunde der Stadt Gmunden kein Jahrhundert je ein eindeutiges Gepräge geben. Nie ist hier Geschichte wesentlich mehr gewesen als die Wellen am Ufer — einmal sanfter, einmal stürmischer, doch immer nur Ausläufer eines entfernten Geschehens. Niemals waren Gmundens Wichtigkeiten zugleich Wichtigkeiten des ganzen Landes oder der Welt; wie ein Kind sich in den Kittelfalten seiner Mutter versteckt, so lag diese Stadt durch alle Zeit am Saum der Hügel und Berge — verborgen, abseits. Nie waren auch Kronen daheim in dieser Stadt, und das einzige großtönende Zeichen, das die Gmundner ange nommen haben, der „Herzoghut",ist nichts als ein Jagdhut. Und dennoch ist er ein wesentliches Sinnbild geworden, denn auch der Herzog von Gumberland hat sich eingereiht in die unzählbare Menge derer, die der verwirrenden Faszination verfallen sind, welche die weite Fläche des 16

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