Oberösterreich, 11. Jahrgang, Heft 3/4, 1961

Ich glaube, daß auch die Verbundenheit Bad Ischls mit Kaiser Franz Josef solcher Art war. Dieser Monarch war für die Menschen desTales einer der Ihren,und die Achtung, die ihm die Menschen entgegenbrachten, wurde nicht allein von der Kaiserkrone bestimmt. Es bestand vielmehr eine wirklich herzliche Verbindung von beiden Seiten. Hier, inmitten des Zaubers einer beruhigenden und geliebten Landschaft, konnte Franz Josefja sein, was vielleicht sein Wunschtraum gewesen sein mag das ganze bittere Kaiser leben hindurch; ein einfacher Mensch in Lodenjanker und Lederhose und auf dem Hute den Gemsbart, in nichts unterschieden von allen anderen rundum. Ein ganz ge wöhnlicher „Franz Moser" wollte er sein, und als ein solcher ist Franz Josef im Bewußtsein der Bevölkerung lebendig geblieben, so sehr, daß selbst politische Doktrinen vor der organischen Kaisertreue verblassen. Freilich, man findet auch selten einen Ort, der so wie Ischl schon aus seinen Anfängen her auf das große Ereignis anzuwachsen scheint, Vorzugslandschaft eines Kaisers zu werden. Alle geschichtlichen Lntwicklungsphasen der Ver gangenheit waren anscheinend schon in ihrer Gesamtheit eine allmähliche, aber bestimmte Vorbereitung für die Geschehnisse des neunzehnten Jahrhunderts. Illyrer, Kelten, Römer und Germanen, ja sogar Slawen bereiteten den Boden dieses Landes und hinterließen ein gemeinsames Erbe, das, mehr noch als in sichtbaren Zeugnissen, in den Menschen selbst sein Zeichen fand: ein waches, aufge schlossenes Gemüt, formenfreudig und erfinderisch, der Arbeit wie der Freude zugetan. Diese charakterlichen Vorzüge wurden zudem noch vertieft durch die natürliche Schönheit der Landschaft: ein weites, freundliches, ruhiges Tal inmitten von Gebirgsmassiven und grünen, bewaldeten Hügeln, belebt von zwei Flüssen, der Traun und der Ischl, und gesegnet mit dem Salz, dem kostbarsten Geschenk der Erde — wer hätte dieses Land nicht lieben mögen? Verhältnismäßig bald entdeckte die europäische Welt die Schönheiten des innerösterreichischen Raumes. Schon im Jahre 1797 bereiste Alexander von Humboldt das Gebiet des Salzkammergutes, und wenn er seinem Wiener Freunde schrieb: „... Ich gestehe, daß ich in der Schweiz keine solchen großen Naturszenen kenne als diese oberösterreichischen... Ich werde zu Fuß nach Ischl und Hallstatt und, wenn es die Witterung erlaubt, bis Aussee in Steiermark gehen...", so erscheinen seine Worte heute noch als ein schönes Kompliment gegenüber unserem Land. Auch Karoline Pichler — sie wurde „Wiens Madame de Stael" genannt ^ besuchte um diese Zeit bereits das Salzkammergut und konnte sich nicht genug des Lobes tun, speziell über die idyllische Landschaft um Ischl. So fügte sich langsam Stein auf Stein. In den zwanziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts wurde auch die Heilkraft der Sole erkannt, und Doktor Franz Wirer, der Begründer des „Kur"-Ortes, errichtete schon damals das erste Badehaus in Ischl. Die Kunde von der heilsamen Solekur drang bald nach Wien. Ein Bruder des damaligen Kaisers, Erzbischof Rudolf von Olmütz, versuchte auf An raten seines Arztes die neuen Ischler Bäder. Damit war die erste Verbindung mit dem Kaiserhaus geschehen, der Anfang war getan. Was dann kam,entwickelte sich ganz organisch: Das erzherzogliche Paar Franz Karl und Sophie kam ebenfalls zur Kur nach Ischl, und die Erzherzogin fand die ersehnte Kräftigung: ein paar Jahre später spielten schon ihre Buben auf den Wiesen der großen Schmalnau. Das hohe Paar kam nun alljährlich wieder, und leise bahnte sich dadurch dieses und jenes an. Metternich ging zur Kur nach Ischl, Graf Kolowrat verlebte den Sommer hier; Prinzen und Fürsten hatten ihren Treffpunkt in dem winzigen Markt im Gebirge, wo es gleich empfindlich kalt wurde, wenn es nur ein bißchen regnete — und es regnete verhältnismäßig oft. Trotzdem genossen die Gäste mit Behagen hier ihren Sommer fern der Großstadt; man sah einander und ließ sich sehen, man traf Freunde morgens bei der Molkenkur oder auf der Promenade und abends wieder im Theater — übrigens schon bald ein sehr passables, lebendiges Theater. Der Ort lebte auf. Der Name Ischl wurde zusammen mit den ersten Bädern Europas genannt, Mitglieder des höch sten internationalen Adels gaben sich ein Stelldichein in dem kleinen oberösterreichischen Gebirgsort. Und was erst noch lediglich Spiel der Großen zu sein schien: Hofinteresse und bis zu einem gewissen Grad auch Hofintrige, wurde 1848 plötzlich eigenartige Wirklichkeit: Ischl war so gut wie Wien Hof — Ischl war so gut wie Wien Stätte ge schichtlicher Bedeutung, denn Franz Josef, der erste „Salzprinz", wie er bei den Ischlern hieß, war nun der Kaiser von Österreich. Die Anwesenheit eines Hofes war für die Welt des neun zehnten Jahrhunderts mehr, als wir uns heute darunter vorstellen können. Alle Wünsche kreisten um diesen Hof, jede gesellschaftliche Bedeutung erhielt erst von diesem Hof her ihre Gültigkeit. Viele, sehr viele Namen sind daher in den alten Fremden büchern der Stadt Ischl genannt, aber wie überall hinter ließen nur Menschen mit einem reichen Gemüt wirklich bleibende Spuren. Daher gaben besonders die Künstler dem Ischl des neunzehnten Jahrhunderts ein eigenes Gepräge — Maler, Dichter, Musiker, Schauspieler. Man chen von ihnen ebneten sich erst von hier aus die Wege des Erfolges, manche andere fanden in der freundlichen Umgebung die Beglückung einer gelösten Arbeit. Große Namen dürfen wir in Ischl nennen: Bruckner, Hugo Wolf, Brahms; wir denken an Waldmüller und Rudolf von Alt, an Peter Fendi und an Kupelwieser — und wir denken im besonderen an Lenau und Adalbert Stifter. Man könnte sein wo immer auf der ganzen weiten Welt und wäre doch daheim im guten, freundlichen,alten Bad Ischl,nähme man nur den „Waldsteig" zur Hand. Wir dürfen aber auch die Schauspieler nicht vergessen, die vielfach sogar in Ischl ihre Karriere begründet haben — Girardi, die Schratt, Fanny Elßler und Leo Slezak, um nur einige Namen zu nennen — und am wenigsten dürfen wir Johann Strauß übersehen, der sogar dem Ischler Regen ein Loblied sang. Und noch einer kommt aus dem neun zehnten Jahrhundert und ragt weit in unsere Zeit herein, unvergeßlich den Ischlern und unvergeßlich den Lieb habern der Operette: Franz Lehär. Alle diese Namen sind in Ischl lebendig geblieben, während die Erinnerung an fremde Staatsmänner, die dem Ischl der kaiserlichen Zeit manchmal das Ansehen einer Welt stadt gaben, im Strom des Alltags unterging, weil sich das Zufällige allein eben nie erhält. So gibt es noch heute eine Nestroygasse und eine Leschetitzkyhöhe, ein Girardihaus und eine Villa Blumenthal in Bad Ischl, es gibt eine Unzahl 12

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