Oberösterreich, 11. Jahrgang, Heft 3/4, 1961

Oberösterreich • Landschaft Kultur Wirtschaft Fremdenverkehr 11. Jahr Heft 3/4 Winter 1961/62 stXdtebilder aus oberosterreich INHALT Franz Dicht! Adolf Bodingbauer Elfriede Prillinger Dr. Johann Sperl Dr. Franz Eng! Dr. Kurt Holter Dr. Gilbert Trathnigg Linus Kefer Rudolf Walter Litschel Dr. Alois Zauner Dipl.=lng. Werner Sarley Herbert Erich Baumert Die alte Grenzfestung Freistadt Vom Innerberger Stadel zum Heimathaus Steyr Kaiserkrone und Herzogshut — Unverbindliche Gedanken über die Salzkammergutstädte Auf Lenaus Spuren im Salzkammergut Die Städte Braunau. Schärding und Ried in der bayrischen Geschichte Wels und das oberösterreichische Barock Die Stadttürme von Vöcklabruck Städte im Bauernland Zauber der Kleinstadt an der Donau Lorch und Enns Verkehrsprobleme der Landeshauptstadt Linz Oberösterreichische Bildmotive auf Briefmarken II. Teil Schriftleitung: Dr. Otto Wutzel / Typographische Gestaltung: Kurt Schreiner Umschlagentwurf: Erika Janisch, nach einem Plan des Leopold Franz v. Rosenfelt über das Amt Ruefling b. Linz (um 1710) aus der Bibliothek des oö. Landesmuseums. Die Idee der Veröffentlichung stammt von Dr. A. Marks. Einzelverkaufspreis: S 24.—, Jahresabonnement für 2 Hefte: S 36.— exkl. Porto. — Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Oberösterreichischer Landesverlag; verantwortlich für den Inhalt im Sinne des Pressegesetzes: Dr. Otto Wutzel, sämtliche Linz, Landstraße 41, Ruf 26 7 21. — Druck: Oö. Landesverlag Linz.

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FRANZ DICHTL Die alte Grenzfestung Freistadt Es gibt nur mehr wenige Beispiele mittelalterlicher Stacltbefestigungen, welche ihr Gesamtbild so gut erhalten haben und die ursprüngliche Anlage noch so gut erkennen lassen wie Freistadt. Ein günstiges Schicksal hat hier bewahrt, was durch den kriegstechnischen Fortschritt anderswo längst als zwecklos und den Lebensraum beengend beseitigt worden ist. Aber vielleicht wurde diese Beengung in Frei stadt gar nicht so verspürt, denn die wirtschaftlichen Ver hältnisse der Stadt und ihrer Bürgerschaft waren infolge der abgeschiedenen Lage und der Verkehrsverhältnisse gerade zu jener Zeit nicht rosig, als man sich andernorts seines engen Mauerpanzers entledigt hat, um einer auf strebenden Wirtschaft Raum zu geben. Freistadt ist ein uraltes Siedlungsgebiet, dessen Anfang geschichtliches Dunkel verhüllt. Zweifellos ist seine Ent stehung dem Lfmstand zu verdanken, daß das ehemals ziemlich waldfreie und daher leicht begehbare Feldaisttal hier seinen Abschluß fand und der schwierige Weitermarsch nordwärts zur Moldau auf diesem Boden daher einen Rastund Flandelsplatz entstehen ließ. Ein vom Feldaisttal und den ihr zustrebenden Gerinnen natürlich begrenztes Plateau war für diesen Zweck ein leicht zu verteidigender Platz, was auch für die spätere Errichtung einer Stadt aus schlaggebend war. Ob man an Nößlböcks Theorie von der Gründung der Stadt um 1130 durch Otto von Machland festhält oder glaubt, sie bezweifeln zu müssen, eines muß wohl als sicher angenommen werden, daß ein Handelsplatz, den spärliche Funde bis in die späte Bronzezeit zurück verfolgen lassen, eine künstliche Ergänzung der natürlichen Wehranlage benötigt haben wird. Spuren davon sind allerdings durch den späteren Stadt- und Festungsbau restlos zerstört worden. Solche künstliche Wehranlagen waren vor allem im Westen notwendig, wo das Gelände eben ausläuft, während der Platz vor allem gegen Osten durch einen steilen, im Süden und Norden mehr sanften Abfall geschützt ist. Die ursprüngliche Befestigung wird man als seichten Graben und niedrigen Wall mit Palisaden zaun,an das Gelände sich anschmiegend,annehmen müssen, und vielleicht deutet eine mäßige Bodenwelle im Verlauf der Linzer und Salzgasse noch eine ehemalige Llmwallung an. Hier im Westen stand auch die alte Burg, für deren Entstehung Nößlböck spätestens das 10. Jahrhundert an nimmt, in deren Schutz sich ein Straßendorf, die heutige Linzer und Salzgasse, entwickelte. Burg und Straßendorf wurden in die spätere Gründungsstadt einbezogen. Macht man einen Rundgang durch die Stadt, so fallen vor allem der geräumige, regelmäßige Hauptplatz auf, der Mittelpunkt der Altstadt, doch auch die ziemlich regel mäßig verlaufenden, breiten Straßen, alles Merkmale einer Gründungsstadt. Aber auch die Umfassung der Stadt, die Befestigung, ist ziemlich regelmäßig in einem nur durch das Gelände etwas verschobenen Viereck angelegt. Nehmen wir im Süden den Ausgangspunkt an, so haben wir das Wahrzeichen der Stadt vor uns, das Linzer Tor. In seiner baulichen Anlage sicher so alt als die Stadt, hatte es den südlichen Stadteingang zu schützen. Deutlich sind hier die beiden Ringmauern zu sehen, die hohe innere und die niedrigere äußere, der Stadtgraben und sein Abschluß nach außen, die Graben- oder Mantelmauer, weil sie wie ein Mantel die äußerste Umfassung der Stadt war. Das Linzer Tor stand ursprünglich frei im Zwinger, dem Raum zwischen den beiden Ringmauern, mit der Vorderseite in der äußeren Stadtmauer. Das hochstrebende Keildach wurde dem Turm 1484 aufgesetzt, denn vorher hatte er, wie die innere Stadtmauer, Zinnen. Das Tor war zu Nachtund vor allem zu Kriegszeiten, seiner Bedeutung entspre chend, stark gesichert. Die Torflügel waren gepanzert und das Ausheben durch einen starken Eisendorn in der Mauer gehindert.Dahinter war ein hölzernes Fallgatter angebracht, das auch bei offenem Tor herabgelassen werden konnte, und außerdem war die Toröffnung durch die Zugbrücke verschlossen, die an Schwungbalken hing und mit diesen aufgezogen werden konnte. Die Schwungbalken bewegten sich in den Mauerschlitzen über der Toröffnung. Der Zu gang in die Obergeschosse vollzog sich ursprünglich über eine Holzstiege an der geschützten Rückseite des Turmes, die heute mit der inneren Stadtmauer baulich verbunden ist, denn der stadtseitige Rundbogen diente ja als Uber führung des Wehrganges der inneren Stadtmauer über die Straße, um durch diese keine Unterbrechung zu erfahren. Der Wehrgang war hier 1841 noch vorhanden. Vor dem lanzer Tor liegt ein unverbauter freier Platz, auf dem sich ein Vorwerk zum Schutz des Tores befand. Es war eine dreieckige, von einem Graben umfaßte Bastei. Holzbrücken, die 1571 noch nicht durch gemauerte ersetzt waren, führten die Straße über beide Gräben. An das Linzer Tor rechts anschließend ist noch ein Stück der inneren Stadtmauer mit Schießluken und Pechnasen des Wehrganges sichtbar. Diese wurden statt der Zinnen 1553 eingebaut, die Pechnasen hauptsächlich zur Beobach tung des Zwingers. Eine Ecke an der Südseite der Stadt schirmt ein Rundturm, der in der äußeren Stadtmauer steht. Er gehört zu den jüngsten Türmen, wurde er doch mit dem Scheiblingturm gemeinsam erst in den Hussitenkriegen, zwischen 1444 und 1447,erbaut. Wegen seiner exponierten Lage — er steht mit drei Vierteln im Stadtgraben — diente er auch als Pulverturm. So wie hier die äußere, bildete auch die innere Stadtmauer einen Winkel, diese sogar einen spitzen, eine Art der Mauerführung, für die es keine Erklärung gibt, denn die jenige Seite der Befestigung, der hierdurch ein Vorteil erwächst, ist durch den Steilabfall des Geländes ohnehin fast uneinnehmbar. Hier, also nach dem vorspringenden Winkel, ist noch ein Stück des Wehrganges mit Schieß luken erhalten und hat hinter der ehemaligen Latein-

schule,später Volksschule, noch 1840 bis zum alten Rathaus gereicht. Der zinnenbekrönte Rathausturm hat mit der Befestigung nichts zu tun, er ist eigentlich nur ein durch gehender Erker. Gerade wegen der natürlichen Sicherheit gestattete man nämlich hier auf der Südostseite sehr früh ein Anbauen an die Stadtmauer, denn ursprünglich war der Raum hinter der Mauer frei und hieß „Reihe". Nahe der Südostecke der Stadt ist die erste I.ücke in der Befestigung zu verzeichnen. Hier war ein Stadtausgang, ein Türl, das hauptsächlich dem Zugang zur Stadtmühle diente. Nach dem Brande im Jahre 1887 wurde das Posttürl, wie es benannt wurde, demoliert und an seiner Stelle eine Stiege angelegt. Da der Stadtgraben vor dem Aufschütten bis an den Weyrmühlturm heranreichte,führte ein Holzsteg über den Graben. Das Posttürl war winkelig in den Zwinger gebaut, um ein sanfteres Gefälle für die Holzstiege zu be kommen. Die Toröffnung hatte ein Steingewände in der gleichen Ausführung wie das Waagamt in der Waaggasse mit der Jahreszahl 1616. Vermutlich wurde das Türl nach dem großen Stadtbrand in diesem Jahr umgebaut. Der Bau war einstöckig. Die bereits genannte Stadt- oder Weyrmühle, an derselben Stelle wie die heutige Kittelmühle, bedurfte eines besonderen Schutzes. Zu diesem Zweck wurde 1390 der Weyrmühl turm errichtet. Er ist der einzige Turm der Befestigung, welcher vor dem Stadtgraben liegt. Der Weyrmühlturm ist einer der stärksten Festungstürme der Stadt, steht auf Fels und hat 3,5 Meter dicke Mauern. Zu ihm führt vom Zwinger her über den Stadtgraben ein Verbindungsbau, der eine Notmühle enthielt, die mit einem unterschlächtigen Mühlrad den Überlauf der Grabenstufe nutzte. Für beide Mühlen nämlich, fiir die Notmühle als auch für die Weyr mühle, war das Wasser im Stadtgraben bis zum Schloß aufgestaut, es war ein Weiher und daher auch der Name der Mühle. 1571 hatte der Turm eine vorgekragte hölzerne Brustwehr unter dem Dachsaum, wie ein zeitgenössisches Bild zeigt. Gegen das Schloß zu ist anschließend an den Weyrmühl turm noch ein Stück der äußeren Stadtmauer mit den Schießluken erhalten. Auch die innere Stadtmauer mit einer Dicke von 1,7 Meter ist an einigen Stellen erkennbar, sei es beim Durchbruch hinter dem Haus Nr. 13 oder als Vorsprung an der Rückseite der an sie angebauten Häuser. Bevor der Mühlbach, der eine Strecke im Stadtgraben fließt,sich in den oben genannten Weiher ergoß,war er, wie an einer Stelle noch deutlich sichtbar, auf einem Damm mitten im Graben angelegt. So konnte bei Kriegsgefahr durch Anstauen des Wassers der Graben geflutet werden. Auf unserem Stadtrundgang fortschreitend, gelangen wir nun zur Nordostecke, wo das Schloß an die Stadt ange baut ist. Es handelt sich ja um den jüngeren Sitz der Herrschaft, der erst im ausgehenden 14. Jahrhundert errichtet worden ist. Das Bauwerk liegt im Winkel zwischen der Feldaist und dem Frauenteichabfluß, der einzigen Stelle, die eine Stadterweiterung zuließ, ohne bereits beste hende Befestigungsanlagen aufzugeben, andererseits aber doch dem Herrschaftssitz einige natürliche Sicherheit zu bieten. Betritt man das Schloßgebäude von der Stadt her, so bemerkt man im äußeren Hof zur Rechten eine abge schrägte Mauer. Beim Bau des Schlosses mußte nämlich die innere Ringmauer abgebrochen und etwas gegen die Seite 1: Böhmer Tor von Norden Oben: Schloß in der NO=Ecke der Stadthefestigung Sämtliche Fotos dieses Aufsatzes: M. Eiierscbner Stadt zu gerückt werden. Der alte Mauerzug konnte durch Grabungen einwandfrei festgestellt werden. Durch die neue Mauer führten nur zwei Zugänge zum Schloß, einer vom Stadtplatz und einer im Zuge des Schloßgaßls. Die ange bauten Häuser durften in den Schloßvorhof weder Fenster noch Türen haben. Man muß ja wissen, daß die neue Burg deshalb angelegt wurde, weil sich die Herrschaft in der alten, in der Salzgasse gelegenen nicht mehr sicher und stark genug fühlte. Daher wurde die neue Burg nieht so sehr zur Verstärkung der Stadtbefestigung, in die sie aber einbezogen war, als vielmehr zum Schutz der Herrschaft gegen die Stadt errichtet. Dies erhellt aus der Stellung des 50 Meter hohen Berchfrits, des Turmes, der so angelegt ist, daß die Stadt gut beobachtet werden konnte, und auch aus der Anlage eines Grabens zwischen Burg und Stadt, über den eine Zugbrücke führte. Als Berchfrit stand der Turm ursprünglich frei, und nur ein Steg verband das hoch gele gene Eingangstürl mit dem Gebäude. 1567 stürzte der obere Teil mit dem Dach ein und wurde darauf in die heutige Form umgebaut. Der Südflügel des Schlosses wurde erst im 17. Jahrhundert errichtet und so die Lücke zwischen Altbau und Turm geschlossen. Über dem Eingangstor in den inneren Schloßhof wurde die Schloßkapelle in Nord südrichtung erbaut. Schloßkapelle, Berchfrit und andere Räume im Schloß beherbergen heute das vielgenannte Mühlviertler Heimathaus. Etwas abseits vom Hauptge bäude steht in der Südostecke des Schloßplatzes ein alter Bau, der als „Kasten", also als Speicher diente. Er wurde in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auf die Stadt mauer aufgebaut, und diesem Umstände verdanken wir

die Erhaltung einer einzigen Zinne des inneren Wehrganges, sichtbar aufder Außenseite an der rechten Ecke im 1. Stock. Am Ausgang des 16. Jahrhunderts wurde im äußeren Schloßhof auch ein Stall für 18 Pferde erbaut. Es ist dies das heutige Feuerwehrdepot. Uber den Stadtgraben, der hier Schloßgraben hieß, führte von einem südlichen Vorbau ein Steg, der durch ein Türl betreten wurde. Dieses „Hintertürl" war der Bürgerschaft stets ein Dorn im Auge, ent gingen ihr doch auf diesem Weg die Straßenmauten, die bis 1800 bei den Stadttoren und später in den Vorstädten eingehoben wurden. So stark war die Bürgerschaft, daß sie in diesem Streit Sieger blieb und das Hintertürl im 15. Jahrhundert für immer vermauert werden mußte. Die Nordseite der Schloßbefestigung liegt in einer Linie mit der unmittelbar zum Böhmer Tor führenden Stadt befestigung. Das Böhmer Tor selbst ist viel stärker und massiger gebaut als das Linzer Tor an der Südseite, hatte es doch als Schutz gegen die böhmische Grenze zu dienen und somit den Hauptansturm auf die Stadt abzufangen. Über den Torverschluß und die Brücke gilt dasselbe wie beim Linzer Tor. Das Böhmer Tor hat nur drei gemauerte Seiten und sieht heute fast wie eine Ruine aus, ohne es tatsächlich zu sein. Leider ist eine Nachricht über das ursprüngliche Aussehen des Torturmes nicht überliefert. Die älteste Stadtansicht vom Jahre 1571 ist in ihrer Dar stellungsweise nicht ganz verläßlich, doch könnte danach das Böhmer Tor ein niedriges Keildach mit einem Glocken türmchen besessen haben. Die Stadtansichten vom Jahre Scheiblingturm an der NW=Ecke der Stadtbefestigung 1798 lassen jedenfalls, wenn überhaupt auf eines, dann auf ein Grabendach schließen,jedoch über die Nordmauer ragt außerdem noch ein Türmchen mit einer Zwiebelhaube hervor. Ebenso ist nicht erwiesen, ob die Innenseite durch eine Holzwand verschlossen oder offen war. Wie beim Linzer Tor, war auch beim Böhmer Tor der Wehrgang nicht unterbrochen, sondern die innere Stadtmauer führte in einem Torbogen über die Straße. Da das Tor schräg im Zwinger steht und mit der Südostkante die Stadtmauer berührt, befindet sich ebenerdig ein Türl in den Zwinger. In der dicken Mauer ging die Stiege in das 1. Stockwerk und von hier ein kurzer Gang zum Wehrgang. Auch beim Böhmer Tor war das Vorgelände bzw. der Zugang zum Tor gesichert. Westlich vom Tor lag eine fünfeckige Bastei, die in den Frauenteich vorsprang — die Spitze derselben ist heute noch sichtbar —, und auf ihr stand fiankendeckend ein kleiner halbrunder Turm, der auf einem Steg über den Graben erreichbar war. Ostlich vom Tor springt zum unmittelbaren Schutz der Brücke die äußere Stadtmauer bogenartig vor. Interessanterweise war aber auch die Frauenkirche vor dem Tor an die Befestigung angegliedert, denn der schmale Durchgang zwischen Fried hofsmauer und Stadtgraben, wo heute die Straße nach St. Oswald verläuft, war durch kleine, halbrunde Türm chen gesperrt, und die Frauenkirche beweist heute noch ihren wehrhaften Charakter durch je drei beiderseits im Dachabsatz gelegene Schießscharten. Vom Böhmer Tor angefangen, ist der Nordseite der Stadt der Frauenteich vorgelagert, der ehemals bis zu den Häusern der Fröschau reichte und den Zweck hatte, in Zeiten der Gefahr den oberen Teil des Stadtgrabens mit Wasser zu versorgen. Der obere Teil des Grabens reichte vom Scheiblingturm bis zum Linzer Tor,und hier wie dort war eine starke Staumauer im Graben errichtet. Der Graben vom Scheiblingturm bis zum Schloß muß trocken gewesen sein, da eine Bewässerung wegen des Gefälles nicht möglich war. Die äußere Stadtmauer ist hier an der Nordseite stellenweise noch in alter Höhe erhalten, aber auch das an den Scheiblingturm anschließende Stück der inneren Stadtmauer ist noch mit den Schießscharten des Wehrganges sichtbar. Die Nordwestecke der Stadt wird von dem zwischen 1444 und 1447 erbauten Scheiblingturm beherrscht. Er ist rund, scheibelig (daher der Name)erbaut und steht in der inneren Stadtmauer, so daß der Wehrgang auf Kragsteinen an der inneren Turmseite entlanggeführt werden mußte. In der Höhe des Wehrganges war auch der Turmeingang. Der untere Teil diente als Kotter für die unfreien Leute. Die freien dagegen mußten ihre Strafe im etwas geräumigeren Linzer Tor absitzen, wo sich noch bis 1918 der Gemeinde arrest befand. Der Scheiblingturm bekam 1947, also genau 500 Jahre nach seiner Erbauung, wieder ein Kegeldach, nachdem er lange Zeit ein solches entbehren mußte. Unmittelbar beim Turm befindet sich eine Überhöhung der Zwingermauer, eine Brustwehr, zum Schutz der Staumauer. Hier war es übrigens, wo die Belagerer im Bauernkrieg in der Nacht vom 30.Juni auf den 1. Juli 1626 durch den erweiterten Grabeneinlauf, wahrscheinlich unter Benützung der Staumauer, in die Stadt eindrangen und durch Öffnen des Böhmer Tores den Ihren zum Sieg ver halfen.

Mit dem Scheiblingturm befinden wir uns bereits auf der eben auslaufenden Westseite. Hier bis zum Linzer Tor ist der Stadtgraben besonders tief, was man durch verlaufende Aufschüttung des Aushubes nach Westen hin erreichte. Auf dieser Seite stand auch die eingangs erwähnte und spätestens im 10. Jahrhundert entstandene alte Burg, deren ursprüngliche Anlage nicht mehr deutlich erkennbar ist. Nach den großen Stadtbränden 1,507 und 1.516 war sie längere Zeit Ruine, bis sie in der jetzigen Gestalt wieder aufgebaut wurde. Deutlich ist noch der Turm erkennbar, dessen Stumpf, da er in der inneren Stadtmauer errichtet war, auf der Westseite vorspringt. Nach Erbauung der neuen Burg wurde der alte Herrschaftssitz im Gegensatz als alte Burg oder „Altenhof" bezeichnet. Auf der Westseite der Stadt befand sich ursprünglich kein Stadtausgang. Es wurde aber hier ein halbrunder Turm im Graben an die Zwingermauer anschließend errichtet, um Graben und Vorgelände besser einsehen zu können. Aus demselben Grund stand ein gleicher Turm an der Südwestecke der Stadt nahe beim Linzer Tor. Beide Türme dürften gleichzeitig mit dem Weyrmühlturm 1390 erbaut worden sein. Während letzterer noch wohlerhalten ist, wurde ersterer um 1840 abgeblochen, aus dem Material eine Brücke über den Graben errichtet und so ein neuer Stadtausgang geschaffen. Durch Hunderte von Jahren hat sich das mittelalterliche Stadtbild von Freistadt in unsere Tage herübergerettet, mag es auch, besonders im Laufe der letzten 150 Jahre, manche Scharte abbekommen haben. Hoffentlich mangelt es der Bürgerschaft von Freistadt jetzt und künftig nicht an der Einsicht, daß sie das ererbte Städtekleinod unver fälscht an spätere Generationen weiterzugeben hat. Schmidingerturm an der SW-Ecke der Stadtbefestigung Jede Behandlung heimatkundlicher Themen lenkt die Aufmerksamkeit auf das Institut für Landeskunde von Oberösterreich Es ist heute einer der aktivsten Faktoren in der oberöster= reichischen Landesforschung. Seit 1947 gibt es die O b e r = österreichischen Heimatblätter heraus. Diese wertvolle Zeitschrift steht augenblicklich somit im 15. Jahr= gang. Sie ist für jeden Interessenten der Heimatkunde ein unentbehrlicher Behelf. Dazu parallel erscheinen in unregelmäßigen Abständen die Bände der Schriftenreihe des Institutes für Landeskunde von Oberösterreich. Näher ver= wiesen sei auf die letzten Bände: Paul Karnitsch, Die Rehef= Sigillata von Ovilava (Wels), 1959; Heinrich Wimmer, Das Linzer Landestheater 1803 — 1958; Herbert Erich Baumert, Die Wappen der Städte und Märkte Oberösterreichs, 1958. Das Biographische Lexikon für Oberöster = reich erscheint seit dem Jahre 1955 mit bisher 7 Lieferun= gen. Als wertvolle Ergänzung ist die Schriftenreihe zum Biographischen Lexikon zu werten. Die bisherigen Bände wurden den beiden Malern Rudolf Wer= nicke und Rudolf Steinbüchler gewidmet. Mit den seit Jahren betriebenen Ausgrabungen in Lorch be= faßt sich die Publikationsreihe: Forschungen in Lauriacum. In ihnen werden in streng wissenschaftlicher Art die Ausgrabungsergebnisse verwertet und der Fachwelt bekanntgemacht. Zuletzt erschien Band 6/7 mit dem Bericht der Plangrabungen aus den Jahren 1953/1954/1956. Ein besonderes Anliegen des Instituts und seines Leiters, Dr. Franz Pfeffer, ist der Atlas von Oberöster = reich mit den ergänzenden Veröffentlichungen zum Atlas von Oberösterreich. Vom Atlaswerk selbst sind bisher 2 Lieferungen erschienen. Die Veröffent= lichungen sind bis zum Band 5 gediehen. Sämtliche Publikationen des Instituts für Landeskunde sind erhältlich in der Buchhandlung des Oö. Landesverlages Linz, Landstraße 41

ADOLF BODINGBAUER Vom Innerberger Stadel zum Heimathaus Steyr In der 2. Hälfte des 19.Jahrhunderts war, wie in manchen Orten Oberösterreichs, auch in Steyr der Musealgedanke lebendig geworden. Mit der Anlegung einer Sammlung von musealen Gegenständen begann in Steyr das Ehepaar Jakob und Marianne Kautsch. Bereits 1890 waren so viele heimatkundliche Gegenstände gesammelt, daß eine Aus stellung im damaligen Bürgerschulgebäude möglich wurde. Die ständig und rasch wachsenden Sammlungen nahm 1894 die Stadtgemeinde Steyr in Obhut und brachte sie im Rathaus unter. Der erste Kustos war der Lehrer Blümelhubers, Gustav Ritzinger, sein Nachfolger war Jakob Kautsch. 1898 wurden die musealen Bestände in der Industriehalle untergebracht, seit 1913 beherbergt sie der Innerberger Stadel. Doch nun einiges über die Geschichte des zuletzt genannten Gebäudes. Bereits um die Mitte des 16. Jahrhunderts wurde der Bau eines Getreidekastens geplant, in dem auch Fleischbänke untergebracht werden sollten. Den Stadt vätern schien hiefür der Platz unterhalb des Pfarrhofes besonders geeignet. Der Chronist Valentin Preuenhueber berichtet über den Bau in seinen „Annales Styrenses" unter Annus Christi 1611 folgendes: „In diesem Jahr ward auch der Anfang gemacht, gemeiner Stadt Getrayd-Kasten gegen den neuen Thor ueber, allda vorher ein leerer Platz, oder Brand-Staette gewest, zu bauen, welcher erst im dritten Jahr hernach voellig aufgefuehret worden; Ist ein sehr nuetzlich und zu einem Getrayd-Kasten ein ansehn lich schoen Gebaeude: Stadt-Cammerer oder Baumeister war damahlen Joachim Haendel. Als man nun im Werck mit solchen Bau begriffen war, nähme der Abt von Garsten den Grund in Anspruch, daß selbiger zum Pfarr-Hof gehoerig sey; Erhielte von dem Landes-Hauptmann Ein stellung dieses Baues, biß man sich mit ihme guetlich ver glichen, jaehrlichen von gemeiner Stadt dem Pfarrer zu Steyer, ein benanntes in Geld und Saltz fuerohin zu reichen. Bey dieser Baufuehrung hat sich ein Maurer zu todt ge fallen." Dieser ehemalige Getreidespeicher ist zu den schönsten Gebäuden der Renaissance in Steyr zu zählen. Hervorzuheben sind die prachtvolle Fassade mit dem Doppel, giebel, das R.ustikaportal und die reichen Sgraffiti, welche die Fenster und Türen umrahmen. An den ursprünglichen Zweck des Gebäudes erinnert noch ein Fresko über dem Hauptportal mit einer Darstellung aus der „Genesis" und der Inschrift: „Josephs Brüder Kommen in Egypten Traidt zukauffen." Inmitten der breiten Fassade befindet sich ein Wappen, das auf die Zeit der Innerberger (Eisen-

erzer) Hauptgewerkschaft hinweist; im Jahre 1628 war der Speicher in deren Besitz übergegangen. Die Jahreszahl 1612 zwischen Fresko und Wappen deutet die Bauzeit an. Vor dem ersten Weltkrieg drohte diesem so bedeutenden Ge bäude eine große Gefahr: der Innerberger Stadel sollte einem Postgebäude weichen. Der Meister des Stahlschnittes, Michael Blümelhuber, brachte es jedoch mit dem Aufge bot seiner Energie und einflußreichen Verbindungen zu Erzherzog Franz Ferdinand zustande, daß dieser Renais sancebau erhalten blieb. Das Heimathaus Steyr umfaßt eine Reihe von bedeu tenden Sammlungen. Die beiden großen Säle, in denen früher das Getreide gelagert war, geben den Schaustücken einen stimmungsvollen Rahmen. Im ersten Stockwerk ist im wesentlichen die stadtgeschichtliche Abteilung unter gebracht, während der Bestand im 2. Stock als volkskund liche Abteilung zu bezeichnen ist. Ganz besonders spiegelt sich die alte Bürger- und Handwerkerkultur der Eisenstadt in den reichen Sammlungen. Man wird selten ein Heimat museum finden, das eine so reiche Folge von Zunftalter tümern besitzt. Auch das „Steyrer Kripperl", das in einer Halle des Innerberger Stadels zu Hause ist, erfreut sich zur Weihnachtszeit guten Besuches von jung und alt. Unter den Beständen des Heimathauses befinden sich Gegenstände, die über den historischen Rahmen weit hinausragen und künstlerisch bemerkenswert sind,zum Bei spiel das Stadtrichterschwert von Steyr (eine Renaissance arbeit mit Rollwerkornamentik) sowie spätgotische und barocke Statuen. Die Holzplastiken schmücken die Pfeiler der beiden Stockwerke. Zu den besten Bildwerken gehören zwei frühbarocke Gestalten, die vom ehemaligen Hochaltar der mittelalterlichen Benediktinerstiftskirche Garsten stam men. Sie wurden in der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts von Hans Spindler d. Ä. gefertigt. Eine Figur hält das Stifts wappen von Garsten vor sich, die zweite das Wappen des Auftraggebers, des Abtes Anton II. Spindler von Hofegg. Der Zeit um 1500 gehört der größte Teil der gotischen Plastiken zu. Im ersten Stockwerk, das nun kurz behandelt wird, ist auch eine kleine geologische vor- und frühgeschichtliche Sammlung von Steyr und Umgebung ausgestellt. Bauge schichtlich äußerst interessant sind die Stadtansichten von Steyr vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Unter diesen be findet sich der Kupferstich nach einer Zeichnung des bedeutenden Stiftsmalers von Garsten, Johann Karl von Reslfeldt, aus dem Jahre 1693. Den weiträumigsten Teil bildetjedoch das Zunftwesen. Die Zunfttruhen,-Ordnungen, -bilder, -zeichen, -siegel, -pokale und -bücher vermitteln einen wesentlichen Beitrag zur Geschichte des Handwerks und Gewerbes der Stadt. Sechs mit dem Stadtwappen versehene Ratshumpen aus Zinn sowie eine Reihe von alten Steyrer Drucken, Bildern und Büsten von Steyrer Persönlichkeiten (Werndl, Pritz, Blumauer, Vogl, Gürtler, Redtenbacher, Wickhoff, Holzmayr, Schroff, Blümelhuber u. a.) sind ebenfalls erwähnenswert. Auch Rechtsaltertümer nimmt man wahr. Die Einrichtung eines Steyrer Bürger zimmers im Stile Louis' XVI., Gegenstände des Steyrer Bürgerkorps und Arbeiten bürgerlicher Kleinkunst aus den abgelaufenen vier Jahrhunderten vervollständigen diesen Raum. '/ Oben: Das Stadtrichterschwert von Steyr, Renaissancearbeit mit Rollwerkornamentik Urnseitig: Heimathaus, 1. Stock, zwei Blicke auf die stadtgeschicht= liehen Sammlungen Fotos: M. Eiersebner Linke Seite: Fassade des Innerberger Stadels am Grünmarkt mit der Jahreszahl 1612. — Foto: Franz Melichar

Die Bestände in der Eingangshalle können noch zur stadt geschichtlichen Abteilung gezählt werden. Es befinden sich dort Wappen von alten Geschlechtern der Stadt (Händl, Reischko, Taufkircher, Ättl, Urkauf und Prandtstetter), das Blutbannschwert und eine gotische Glocke von einer ehemaligen Kapelle der Stadt. Der Eindruck des Raumes wird aber von den vielen Waffen bestimmt. Auf dem Wappenstein des .1. Bürgermeisters von Steyr, Hans Prandt stetter, erkennt man über seiner Hausmarke den MarkusLöwen, welcher auf den Handel mit Venedig hinweist. So bemerkt schon Preuenhueber zu Anfang des 17. Jahr hunderts: „Sonderlich aber hat die Venedigische Kauf mannschaft viel Gelds und Reichtum den Steyerischen Bürgern vor Jahren zu- und eingetragen." In der volkskundlichen Abteilung des 2. Stockes fallen sofort die mit 1736 bezeichnete Mostpresse aus einem Bauernhaus von St. Ulrich und die Stollentruhe aus dem Ennstale auf. Modelle von Bauernhöfen erklären die Haus formen, ebenso geben zwei Kulturkarten Aufschluß über das Gewerbe und die Siedlungsformen der näheren und weiteren Umgebung der Stadt. Die Volkskunst des Alpen vorlandes ist in den Mangelbrettern, Trinkfäßchen, Pfeifen, Ledergürteln u. a. ersichtlich. Dazu gehören auch die vielen Krippenfiguren und manches Spielzeug. Breiten Raum nimmt die „Lambergsche Puppensammlung" ein. Sie umfaßt über 300 Puppen aus dem 18. und 19. Jahr hundert. Der wesentlichste Teil der Sammlung wurde in den letzten Jahren restauriert. Von den vielen Kleidungs stücken kann nur ein kleiner Teil gezeigt werden; es sind dies Trachten aus dem Enns- und Steyrtale. An Bauern möbeln sind einige markante Stücke vorhanden. Ein Bett mit der Jahreszahl 1691, eine „Spreißl- oder Leistltruhe", eine mit 1818 bezeichnete bunt bemalte Truhe, ein Tisch (bez. 1798) mit zwei Stühlen und ein zum vorher erwähnten Bett gehöriger Kasten. Im allgemeinen Blickpunkt steht ein „Jahreszeitenkasten" in schwerem Bauernbarock. Eine Schneiderbank und eine Bügeleisensammlung, beginnend mit 1646 bis zu unserem Jahrhundert, wird man wohl selten finden. Gegenstände desjahreszeitlichen Brauchtums, des Brauchtums von Geburt, Hochzeit und Tod sind reich vertreten, doch würde ein nur annäherndes Eingehen auf die Bestände diesen Rahmen übersteigen. In der letzten Zeit hört man oft die Bezeichnung „Eisen museum" — ein Name, der durchaus richtig ist. Das Heimathaus Steyr ist bereits als Spezialmuseum auf dem Gebiete des Eisens anzusprechen, birgt es doch in seinen Räumen Bestände der „Lambergschen Messersammlung", die „Petermandlsche Messersammlung" und Eisenkunst von der Gotik bis zur Gegenwart. Die Eisenkunst ist be sonders reich vertreten: 10 barocke Grabkreuze, eine Sammlung von Waffeleisen, Oberlichtengitter, Wirtshaus schilder, Wandarme und Beschlagsbänder. Mannigfal-

tig ist der Vitrinenbestand mit kleineren Eisenformen. Ein Kreuz von 1699 wurde wahrscheinlich von jenem Meister geschaffen, der für die Stiftskirche Garsten Kapel lengitter angefertigt hat. Unter den Beständen der „Lambergschen Messersammlung" sind Beispiele der Stahl schnittkunst des 16. Jahrhunderts. In den Nachkriegsjahren wurde das Heimathaus beständig bereichert und vergrößert. Ende Juli 1957 wurde der „Sensenhammer" eröffnet. Das Gebäude, in dem die Be stände der Sensenschmiede aufgestellt wurden, ist eine fachgerechte Nachbildung einer alten Sensenschmiede. Alle wesentlichen Einrichtungsgegenstände sind Original stücke. Als einmaliger Bestand eines nun schon historischen Gewerbes erfreut sich der Sensenhammer größten Inter esses. Im Verbindungsraum zwischen dem 1. Stockwerk des Innerberger Stadels und dem Sensenhammer ist der größte Teil der „Petermandlschen Messersammlung" zur Schau gestellt. Sie ist nach dem Sammler Anton Peter mandl (1820—1900) so benannt. Mit unermüdlichem Fleiß trug Petermandl im Laufe der Jahrzehnte die Be stände dieser bedeutenden Sammlung zusammen. Während des ersten Weltkrieges wurde sie aus der k. k. Fachschule und Versuchsanstalt für Eisen- und Stahlindustrie in Steyr in das Technische Museum nach Wien verlagert. 1956 wurde die Sammlung dem Heimathaus Steyr übergeben und nach ihrer Restaurierung, die 1958 beendet war, zur Schau gestellt. Sie ist eine der größten Kostbarkeiten des Heimathauses; die ausgestellten Gegenstände stammen aus vier Erdteilen. Der Ausbau des Eisenmuseums wird ständig weitergeführt. Eine Nagelschmiede aus dem Dambachtale ist bereits im Heimathaus gelagert. Ihre Aufstellung wird zur Zeit vor bereitet. Auch die mittlere Halle des Erdgeschosses mit dem vorzüglichen Kreuzgewölbe und Stuckverzierungen soll als Museumsraum verwendet werden. Ihre Zweck widmung soll die eines Lapidariums sein. Ein Problem für sich ist der Raummangel. Manch wert volles Kulturgut ist dadurch dem Besucher entzogen. Besonders schwer fällt es, die vielen Gemälde zur Schau zu stellen. Es besteht vielleicht in den folgenden Jahren Aussicht, daß der Gebäudekomplex des Neutores, der den Grünmarkt abschließt, für museale Zwecke zur Verfügung gestellt wird. Aus dieser kurzen Zusammenfassung wird also ersichtlich, daß das meiste, was das Heimathaus Steyr dem Besucher bietet, Ahnengut jener Menschen ist, die in Steyr und im Räume dieser Stadt wirkten und lebten. Es ist Ausdruck des reichen Schaffens, der Kunst und Kultur, der Seele unserer Heimat.

T A B O R - VERGANGENHEIT UND G EG E NWART Zur Vorbereitung des Erlebnisses „Steyr" ist ein Weg hinauf zum alten Feuerwachtturm „am T a b o r der einst zur Stadtbefestigung gehörte, heute dem friedlichen Zweck eines Restaurants gewidmet ist, besonders zu empfehlen. Die vieU leicht etwas trockene Lektüre eines Stadtführers wird hier zum lebendigen Eindruck. Die erklärenden Worte des Stadt= historikers gewinnen angesichts des großartigen Tiefblicks auf das Dächergewirr und des nicht minder ergreifenden Fernblicks in die Landschaft um Steyr faßbare Gestalt. Die moderne Umwandlung in einen Gaststättenbetrieb geschah mit viel Einfühlungsvermögen, so daß der Gast Vergangen^ heit und Gegenwart in den Räumen des Tabors in unvergeß= lieber Art genießen kann. Versonnen blickt er auf die als Wandschmuck angebrachte Reproduktion des historischen Stiches aus dem Jahre 1554 von Hans Sebald Lautensack. Sie zeigt das alte, wehrhafte Steyr mit den markanten Punkten der Stadtpfarrkirche und der „Stirapurg", mit dem bürgerstolzen Stadtplatz. Die Stadt= chronik berichtet, daß um die Zeit, da dieser Stich aufgenom= men wurde, die Befestigungsanlagen der Stadt auch auf die Vorstädte Ennsdorf und Steyrdorf ausgedehnt wurden. In Steyrdorf entstanden das Gleinker=, Schuhboden= und Frauen= tor, ebenso das „kapellenartige Wachthaus am Tabor" (Josef Ofner, Die Eisenstadt Steyr, Steyr 1956L Unversehens gleitet der Blick von der Vergangenheit wieder zurück in die Gegenwart. Was die Chronik beschreibt, liegt gegenwärtig vor dem entzückten Blick des Beschauers. Türme und Giebel grüßen zu ihm empor. Die Stadt breitet sich wie ein großes „Heimathaus" zu seinen Füßen. Mit steigendem Interesse setzt er seinen Rundblick fort. Er erkennt, daß hier eine geschickte Stadtplanung am Werk ist. Die Industrie, die seit dem 19. Jahrhundert Steyr in der Welt einen neuen Namen verschafft hat, vermengt sich nicht störend mit dem Alten. Sie wurde in geschlossenen Neubau= vierteln abgesetzt, behindert nicht die historische Silhouette und ist doch organisch mit dem Altbestand verbunden. Man muß die begeisterten Ausrufe ausländischer Gäste gehört haben, wenn sie am Tabor standen, diesen Eindruck in sich aufnahmen und die Stadt ob ihrer Gesamtanlage im Vergleich zu anderen Industriestädten mit beredten Worten glücklich priesen. Der Weg zum Tabor schenkt somit ein Erlebnis, das kaum eine andere Stadt bieten kann. Der gastronomische Genuß — er ist übrigens vorzüglich und eine Steyrer Spezialität für sich — wird gleichzeitig zur kulturgeschichtlichen Schau. Das Wort vom Augenschmaus bekommt köstlichen Doppelsinn.

\\1()\ l?IU(K\I nen -vi 'höi,"««!?'!? Ml fr"i!ii(in \ -wLA..*l,^E.N Dfc^ KA t Vi R11A V S fA (\ DI m E R :^[K'lfit'HE Oir OttliEE-ApEtUt i;.llWrUbsKPW Mj Bnrf Ischl, Kaiservilla ■ ' *'■ f ■'^ -^ ' ■" Pfarrkirche, Bruckner=Gedenktafel «t .•.jRITTER^flRER STIFTUNC Trinkhalle aus 1829—J83I ELFRIEDE PRIEL INGER Kaiserkrone und Herzogshut Unverbindliche Gedanken über die Salzkammergutstädte 1. Kaiserliches Bad Ischl Wenn man in die kleine Ortschaft Traxl egg am Fuße des Hoisenrads hinaufsteigt und sich dort oben auf den weiten, ruhigen Wiesen am Rande des Waldes ein wenig umschaut, tut sich talwärts einer der freundlichsten Blicke über Bad Ischl auf. Von hier aus sieht man so richtig, wie es sich gemächlich ausdehnt in seinem Talkessel und dennoch voller Geduld in den Kranz der umgebenden Hügel und Berge einfügt. Wie ein Nest liegt es da, rund, anheimelnd, beschützend; lediglich der spitze Kirchturm ragt als sicht barer Blickpunkt aus dem Gewirr der Dächer heraus, das Städtchen selbst aber erscheint wie eine wundervolle Insel der Ruhe und Befriedung. Der Wald, der sich von allen Seiten bis nahe an Bad Ischl herandrängt, vertieft diesen Eindruck der Ruhe, und auch die großen Wiesen am Hange des Jainzen oder rund um den Siriuskogel verbreiten gleich außerhalb des Stadtkerns wieder das Gefühl ländlicher Geborgenheit. Bad Ischl ist eine Stadt, in der der natürliche Rhythmus des Lebens noch nicht vom Übermaß der Bedürfnisse verdrängt ist, eine Stadt, in der auch die kleinen Dinge noch den Wert ihrer Wirklichkeit behalten haben. Hier geht der Herbst nicht vorbei, ohne daß die Laubstreu für den Winter zusammengetragen wird in den vielen kleinen Gehölzen rund um die Ortschaft; hier sind die fallenden gelben Blätter nicht lästiger Abfall, dessen Be seitigung eine zeitraubende Mühe darstellt — hier sind sie noch einbezogen in den Nutzen des Jahres. Bad Ischl ist einei der Orte, die einen fühlbaren Mittelpunkt in sich selber haben, um den sie sich logisch und allmählich entwickeln und um den sie wachsen, wie eine Kugel um ihre Mitte wächst: einfach, selbstverständlich, natürlich. Unveränderlich wirkt in solchen Oiten der Gedanke ihrer einstigen Gründung weiter und bildet einen unzerstörbaren Wesenskern. Viele von den Ortschaften des Salzkammer gutes scheinen dieser Art zu sein, im kleinen Bad Ischl aber kommt es am reinsten zum Ausdruck. Zwei, drei Hütten vor fünf-, sechs- oder noch mehrtausend Jahren mögen wohl der Zellkern gewesen sein für den heute so blühenden Ort. Vielleicht waren ein paar illyrische Männer die ersten „Ischler", als sie auf der Suche nach einem guten Stück Erde Gefallen fanden an dem geschützten Tal. Sie blieben, und später kamen andere und blieben auch; aus den Hütten wurden Häuser, Familien wuchsen in ihnen heran, ein bescheidener Handel blühte alsbald. Immer mehr erweiterte sich der Kreis des Lebens, immer weiter zurück schob der Mensch den Wald und die Un wirtlichkeit. Langsam verfeinerte sich die urtümliche Art des Seins, der Mensch gewann Gewalt über die Natur, und so wurden die Bewohner des Ischler Landes mit der Zeit ein Geschlecht von Bergleuten, von Jägern und Fischern und Schiffern. Noch heute gibt es keinen Ischler — und keinen Salzkammergütler —, dem das Bewußtsein nicht zutiefst im Blute läge, daß dieses Land mit dem Wald und dem Stein und dem Wasser sein eigen sei. Und es gibt nichts, was dem Menschen des Salzkammergutes mehr zu Herzen ginge, als wenn einer sein Land lobt, wenn er zeigt, daß es ihm gefällt und daß er es liebt. Man gewinnt die Menschen des Gebirges nur über ihr Land. 11

Ich glaube, daß auch die Verbundenheit Bad Ischls mit Kaiser Franz Josef solcher Art war. Dieser Monarch war für die Menschen desTales einer der Ihren,und die Achtung, die ihm die Menschen entgegenbrachten, wurde nicht allein von der Kaiserkrone bestimmt. Es bestand vielmehr eine wirklich herzliche Verbindung von beiden Seiten. Hier, inmitten des Zaubers einer beruhigenden und geliebten Landschaft, konnte Franz Josefja sein, was vielleicht sein Wunschtraum gewesen sein mag das ganze bittere Kaiser leben hindurch; ein einfacher Mensch in Lodenjanker und Lederhose und auf dem Hute den Gemsbart, in nichts unterschieden von allen anderen rundum. Ein ganz ge wöhnlicher „Franz Moser" wollte er sein, und als ein solcher ist Franz Josef im Bewußtsein der Bevölkerung lebendig geblieben, so sehr, daß selbst politische Doktrinen vor der organischen Kaisertreue verblassen. Freilich, man findet auch selten einen Ort, der so wie Ischl schon aus seinen Anfängen her auf das große Ereignis anzuwachsen scheint, Vorzugslandschaft eines Kaisers zu werden. Alle geschichtlichen Lntwicklungsphasen der Ver gangenheit waren anscheinend schon in ihrer Gesamtheit eine allmähliche, aber bestimmte Vorbereitung für die Geschehnisse des neunzehnten Jahrhunderts. Illyrer, Kelten, Römer und Germanen, ja sogar Slawen bereiteten den Boden dieses Landes und hinterließen ein gemeinsames Erbe, das, mehr noch als in sichtbaren Zeugnissen, in den Menschen selbst sein Zeichen fand: ein waches, aufge schlossenes Gemüt, formenfreudig und erfinderisch, der Arbeit wie der Freude zugetan. Diese charakterlichen Vorzüge wurden zudem noch vertieft durch die natürliche Schönheit der Landschaft: ein weites, freundliches, ruhiges Tal inmitten von Gebirgsmassiven und grünen, bewaldeten Hügeln, belebt von zwei Flüssen, der Traun und der Ischl, und gesegnet mit dem Salz, dem kostbarsten Geschenk der Erde — wer hätte dieses Land nicht lieben mögen? Verhältnismäßig bald entdeckte die europäische Welt die Schönheiten des innerösterreichischen Raumes. Schon im Jahre 1797 bereiste Alexander von Humboldt das Gebiet des Salzkammergutes, und wenn er seinem Wiener Freunde schrieb: „... Ich gestehe, daß ich in der Schweiz keine solchen großen Naturszenen kenne als diese oberösterreichischen... Ich werde zu Fuß nach Ischl und Hallstatt und, wenn es die Witterung erlaubt, bis Aussee in Steiermark gehen...", so erscheinen seine Worte heute noch als ein schönes Kompliment gegenüber unserem Land. Auch Karoline Pichler — sie wurde „Wiens Madame de Stael" genannt ^ besuchte um diese Zeit bereits das Salzkammergut und konnte sich nicht genug des Lobes tun, speziell über die idyllische Landschaft um Ischl. So fügte sich langsam Stein auf Stein. In den zwanziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts wurde auch die Heilkraft der Sole erkannt, und Doktor Franz Wirer, der Begründer des „Kur"-Ortes, errichtete schon damals das erste Badehaus in Ischl. Die Kunde von der heilsamen Solekur drang bald nach Wien. Ein Bruder des damaligen Kaisers, Erzbischof Rudolf von Olmütz, versuchte auf An raten seines Arztes die neuen Ischler Bäder. Damit war die erste Verbindung mit dem Kaiserhaus geschehen, der Anfang war getan. Was dann kam,entwickelte sich ganz organisch: Das erzherzogliche Paar Franz Karl und Sophie kam ebenfalls zur Kur nach Ischl, und die Erzherzogin fand die ersehnte Kräftigung: ein paar Jahre später spielten schon ihre Buben auf den Wiesen der großen Schmalnau. Das hohe Paar kam nun alljährlich wieder, und leise bahnte sich dadurch dieses und jenes an. Metternich ging zur Kur nach Ischl, Graf Kolowrat verlebte den Sommer hier; Prinzen und Fürsten hatten ihren Treffpunkt in dem winzigen Markt im Gebirge, wo es gleich empfindlich kalt wurde, wenn es nur ein bißchen regnete — und es regnete verhältnismäßig oft. Trotzdem genossen die Gäste mit Behagen hier ihren Sommer fern der Großstadt; man sah einander und ließ sich sehen, man traf Freunde morgens bei der Molkenkur oder auf der Promenade und abends wieder im Theater — übrigens schon bald ein sehr passables, lebendiges Theater. Der Ort lebte auf. Der Name Ischl wurde zusammen mit den ersten Bädern Europas genannt, Mitglieder des höch sten internationalen Adels gaben sich ein Stelldichein in dem kleinen oberösterreichischen Gebirgsort. Und was erst noch lediglich Spiel der Großen zu sein schien: Hofinteresse und bis zu einem gewissen Grad auch Hofintrige, wurde 1848 plötzlich eigenartige Wirklichkeit: Ischl war so gut wie Wien Hof — Ischl war so gut wie Wien Stätte ge schichtlicher Bedeutung, denn Franz Josef, der erste „Salzprinz", wie er bei den Ischlern hieß, war nun der Kaiser von Österreich. Die Anwesenheit eines Hofes war für die Welt des neun zehnten Jahrhunderts mehr, als wir uns heute darunter vorstellen können. Alle Wünsche kreisten um diesen Hof, jede gesellschaftliche Bedeutung erhielt erst von diesem Hof her ihre Gültigkeit. Viele, sehr viele Namen sind daher in den alten Fremden büchern der Stadt Ischl genannt, aber wie überall hinter ließen nur Menschen mit einem reichen Gemüt wirklich bleibende Spuren. Daher gaben besonders die Künstler dem Ischl des neunzehnten Jahrhunderts ein eigenes Gepräge — Maler, Dichter, Musiker, Schauspieler. Man chen von ihnen ebneten sich erst von hier aus die Wege des Erfolges, manche andere fanden in der freundlichen Umgebung die Beglückung einer gelösten Arbeit. Große Namen dürfen wir in Ischl nennen: Bruckner, Hugo Wolf, Brahms; wir denken an Waldmüller und Rudolf von Alt, an Peter Fendi und an Kupelwieser — und wir denken im besonderen an Lenau und Adalbert Stifter. Man könnte sein wo immer auf der ganzen weiten Welt und wäre doch daheim im guten, freundlichen,alten Bad Ischl,nähme man nur den „Waldsteig" zur Hand. Wir dürfen aber auch die Schauspieler nicht vergessen, die vielfach sogar in Ischl ihre Karriere begründet haben — Girardi, die Schratt, Fanny Elßler und Leo Slezak, um nur einige Namen zu nennen — und am wenigsten dürfen wir Johann Strauß übersehen, der sogar dem Ischler Regen ein Loblied sang. Und noch einer kommt aus dem neun zehnten Jahrhundert und ragt weit in unsere Zeit herein, unvergeßlich den Ischlern und unvergeßlich den Lieb habern der Operette: Franz Lehär. Alle diese Namen sind in Ischl lebendig geblieben, während die Erinnerung an fremde Staatsmänner, die dem Ischl der kaiserlichen Zeit manchmal das Ansehen einer Welt stadt gaben, im Strom des Alltags unterging, weil sich das Zufällige allein eben nie erhält. So gibt es noch heute eine Nestroygasse und eine Leschetitzkyhöhe, ein Girardihaus und eine Villa Blumenthal in Bad Ischl, es gibt eine Unzahl 12

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von Gedenkstätten und Gedenktafeln, und alle diese Be zeichnungen beschwören eine schöne und reiche Vergan genheit wieder herauf. Und wenn man das Monument betrachtet, das die Stadt ihrem großen Wohltäter Doktor Wirer im Kurpark gesetzt hat, und wenn man sich den Gedanken an diesen edlen Menschen überläßt, dann wird die lange, wechselvolle und dennoch kontinuierliche Ge schichte des kleinen Ortes in allen Ausläufen wieder leben dig, die Geschichte, die sich durch die Zeit zieht wie ein Band, dem immer neue Fäden eingewoben werden — und die Geschehnisse des neunzehnten Jahrhunderts leuchten darin in den intensivsten Farben. Denn Franz Josef verlebte sehr entscheidende Momente seines Lebens inmitten der Landschaft von Ischl: die Tage der Kindheit in unbekümmerter Umgebung, die Jünglings zeit, die erste Jagd. Er liebte dieses Land, darum bevor zugte er es auch als Kaiser; und er feierte sein großes Fest der Verlobung mit Elisabeth nicht in Wien, sondern in Ischl; er blieb dem kleinen Ort verbunden. Sein Bild ist deshalb aus Ischl — auch aus dem Bad Ischl von heute — nicht wegzudenken. Noch sind die alten Postkarten in den Auslagefenstern einer kleinen Trafik: der Kaiser als „Franz Moser", der Kaiser beim Schreib tisch, Elisabeth in großer Toilette, Elisabeth als Jägerin. Der „Kaiser" ist immer noch ein Begriff. Und was wäre auch die kleine Stadt ohne sein Andenken? Was wäre sie ohne die Kaiservilla, ohne den Kaiserpark? Überall auf der Welt haben die beiden letzten Kriege Werte verdreht und Maßstäbe zerbrochen, die Bezeichnungen von Straßen und Plätzen waren häufig nicht mehr als Blätter im Wind: eine Handbewegung und sie galten nicht mehr. Diese Ereignisse gingen am Ischl des Kaisers spurlos vorüber. Heute noch schmücken kleine Kronen die Lampen im Kaiserpark, das Kaiser-Standbild in der Au draußen steht fest, der Rudolfsturm aufdem Siriuskogel heißt immer noch Rudolfsturm, und der „Sophien-Doppelblick" hat seinen Namen nicht ändern müssen. Vielleicht ist das deshalb, weil so viel Menschliches — Freude und Leid — in das Verhältnis des Kaisers zu der kleinen Stadt eingeflossen ist, weil sich die verschiedensten Beziehungen wie ein enges Flechtwerk über Ischl gelegt und ihr Zeichen tief in die Substanz eingedrückt haben. Darum tut sich das „Erbe Franz Josefs" nicht nur in Namen und Erinnerungen, sondern auch in sehr realen wertvollen Dingen kund. Das größte Geschenk, das dem Salzkammer gut und besonders eben Bad Ischl aus der Kaiserzeit ge blieben ist, sind die verschiedenen Verbindungswege. Welche Anstrengung und welchen Zeitaufwand bedeutete es doch noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts, um von Wien nach Ischl zu kommen. Heute machen wir eine gemütliche Reise von ein paar Stunden, wir lesen dabei die Zeitung und denken kaum mehr daran, daß es nicht immer so einfach war. Noch intensiver, wenn auch heim licher und verschwiegener berichten die zahlreichen Jagdund Wanderwege in der näheren und weiteren Umgebung Bad Ischls von der Atmosphäre in der Zeit Franz Josefs. Der romantische Jubiläumsweg zum Hoisenrad hinauf wurde dem Kaiser zu Ehren erschlossen, die Nussenseestraße wurde zu seiner Zeit eröffnet, überallhin wurden die Wege für den Jagdwagen des Kaisers fahrbar gemacht. Etwas vom Schönsten aber ist heute noch der Weg in die Chorinsky-Klause. Besonderes findet sich freilich dort nicht. nur ein einfaches kaiseiliches Jagdhaus steht sehr einsam am Wasser, aber ein paar Minuten weiter in einer freund lichen Waldlichtung überrascht uns der „Kaisertisch" mit seinen steinernen Sitzen. Wenn man dort rastet, ist von der ganzen Welt, von ihrer Unrast und ihrer Mißgunst, von ihren Streitigkeiten und von ihrem Lärm nichts mehr vorhant en — hier gelten nur das Rauschen des Waldes und die donnernde Gewalt des Wassers, das unaufhörlich über Steine rinnt, denen eine unermeßlich lange Zeit ihr Siegel aufgedrückt hat. Ein großes Sinnbild: daß Millionen von Menschenaitern notwendig sind, bis das Wasser in seiner Geduld eine kleine Mulde im Stein ausgewaschen hat. Daneben stehen wir, die wir in lächerlichen Tagen und Stunden zählen, und dünken uns groß. Wir belegen unsere kleinen Taten mit tönenden Attributen, und doch genügt schon ein falscher Tritt, ein kleiner rollender Stein, ein unbedachtes Wort, uns aus dem Geleise zu werfen. Die Macht der Natur zu erkennen,gibt die Demut wieder — und diese Demut macht stark. Sie befähigt die Menschen, „die eines guten Willens sind", in der Zeit zu stehen und sich dennoch nicht an sie zu verlieren. Natur ist ein unversieglicher Kraftquell und ein festes Fundament — ein Urgrund, der uns alle, die Illyrer, den Kaiser und die Men schen des zwanzigsten Jahrhunderts, hält mit dem schönen Wort: Heimat. II. Das andere Gmunden Die meisten Städte wachsen um ein Greifbares. Sie beginnen irgendwo, ein Zentrum festigt sich, eine Situation, ein Brocken Historie oder Glaubenskraft schafft sich ein sicht bares Zeichen der Mitte. Manche Städte aber — wenige nur — sind anders. Ein größerer Radius als das geschicht liche Geschehen hat ihnen den Bogen geschlagen, und in diesem Bogen leben sie nun, ausgerichtet auf einen uner reichbaren Mittelpunkt, der sie wie ein Traum beherrscht. Eine solche Stadt ist Gmunden. Äußerlich schon zeigt sich dieses Bild, denn wie in eine absolute Gegebenheit schmiegt sich die Stadt in die weite Rundung des Ufers. Doch hat sich die Atmosphäre der natürlichen Umgebung niemals mit dem historischen Bereich vermischt. Mit einem immer verwandelten Antlitz geht vielmehr der Mensch durch diese Stadt, er wechselt die Namen,wie er die Generationen wechselt, er geht durch Jahrhunderte und durch Jahr tausende. Einer gibt dem andern die Hand, einer nimmt des anderen Stelle ein; einer nach dem anderen kommen und gehen sie, leben ihr Schicksal, denken ihre Gedanken und tun, was ihnen zukommt:jeweils das Ihre. Aber alles, was von Menschen geschieht, bleibt in dieser Stadt am Rande; ihr Wesen ist: Ufer, Peripherie zu sein. Die Mitte jedoch, um die alles wird, ist draußen — ist im See und im Gebirge. Und so kennt auch jeder die klassische Ansicht von Gmun den als das Bild, das sich von der Esplanade oder vom Stadt platz aus bietet: der See als eine weite Fläche, dahinter groß und mächtig der Traunstein, zu seinen Füßen der geduldige Waldrücken des Grünbergs. Die Schlafende 14

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