Oberösterreich, 11. Jahrgang, Heft 1/2, 1961

Innviertier Warmbierkrug und Becher von Bindermeister Jakob Finkenzeller sen. Zinngießer zuzurechnen. Die Sattlerei entfaltete ihre schönsten Blüten in den Lederzögern und Roßkumme ten des Innviertels und in der Herstellung reich gestick ter Lederranzen. Zum Hausgewerbe gehören ferner die Hinterglasmaler aus Sandl. Bei den mit bunten Email farben bemalten Glasflaschen und Bechern handelt es sich um Manufakturerzeugnisse der Freudenthaler Glas hütte (Attergau, Ende 18. Jahrhundert und 19. Jahrhun dert), die modische Einflüsse mit der Formensprache der Volkskunst in kindlich naiver Darstellung verarbeiteten. Eine weitere Aufzählung der zahlreichen kleineren Be sonderheiten wollen wir uns ersparen, sie würde ins Uferlose führen. Wesentlich ist, daß am Beispiel Ober österreichs gezeigt werden konnte, welcher Reichtum an Werken der unpersönlichen Kunst im Laufe von Jahr hunderten unserem Lande entsprossen ist, wie sich diese in den Grenzen der Überlieferungs- und Funktions gebundenheit dem Grunde nach und trotz aller mo dischen Einflüsse immer selbst treu geblieben ist und wie diese Kunst vom bäuerlichen und vom bürgerlichen Element getragen wurde. Freilich darf man nicht vergessen, daß die Mentalität des Volkes früher weitgehend einheitlich war. Bei der Betrachtung der Volkskunst unserer Gegenwart stehen wir vor anderen Voraussetzungen. Die Wirtschaftsfor men haben sich seit hundert Jahren grundlegend geän dert, die alte bäuerliche Dorfgemeinschaft wandelt sich um, das bürgerliche Handwerk paßt sich den neuen Lebensformen an, der Industriearbeiter, der Angestellte wurden als kulturell noch ungefestigter Stand wirksam, der nichts mehr mit dem früheren Arbeitnehmer im Familienverbande des Dienstgelrers gemein hat. Es ist ein leuchtend, daß solch ein weltweiter wirtschaftlicher und soziologischer Umschichtungsprozeß mit allen seinen Er schütterungen auch die Volkskunst in ihren alten Er scheinungsformen nicht mehr gedeihen läßt. Doch geht sie deshallr zugrunde? Sucht sie vielleicht nur eine an dere Sprache, ist sie vielleicht nur überschichtet und un bemerkt? In unserer Zeit ist noch alles im Flusse, es sind jedoch vielfache Ansätze zu einer unpersönlichen Kunst, die ihrem Wesen nach überlieferungsgebunden und funktionsbedingt ist, zu spüren. Die Verhältnisse liegen kompliziert und sind ohne soziologische Betrachtungs weise nicht zu lösen. Aus der Geschichte wissen wir, daß es einen vollkommenen Bruch nicht gibt, daß Altes ne ben Neuem, Rationalismus neben Irrationalismus lebt, daß die Extreme aufeinander einwirken und, wie in unseren Tagen, eine vollendete Technisierung den besten Boden für die Sehnsucht nach einem gemütvolleren Da sein bildet. Die unpersönliche Kunst kommt dieser Sehn sucht durch ihre naive Ursprünglichkeit entgegen, sie hat aber einen gewandelten Menschen als Träger, einen gewandelten Erzeuger und einen gewandelten Konsumen ten. Ein neuer geistiger Faktor tritt hinzu: die bewußte, vom Akademischen her getragene Pflege der überliefe rungsgebundenen Volkskultur. Diese Erscheinung, der 81

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