Oberösterreich, 11. Jahrgang, Heft 1/2, 1961

Sandsteinkopf aus dem Ende des Ii.Jahrhunderts von der Burgruine Schaunherg, derzeit im Heimathaus Eferding. (Foto: Dr. Widder) Überhöhung der Natur und in der preziösen Eleganz der einzelnen Schmuckstücke, Haarlocken und Faltenbil dungen lebt die Kunst des fahrhundertanlangs noch fort. Es ist diese manieristisch abgekühlte Spielart früh gotischer Würde und Beseeltheit, die dem ritterlichen Heiligen seine wahrhalt aristokratische Prägung gibt. Inniger und dem menschlichen Gefühl näher sind die Madonnenbilder dieser Zeit. E)ie eindrucksvolle Reihe der oberösterreichischen Beispiele setzt schon früh mit der aus dem Raum von Freistadt stammenden, noch dem späten 13. Jahrhundert angehörenden Sitzfigur im Württembergischen Landesniuseum zu Stuttgart ein; ihr erster Höhepunkt wird in der Schlierbacher Madonna erreicht. Entstehungszeit und stilistische Herkunft dieser Figur sind nicht mit Sicherheit anzugeben. Vielleicht gehörte sie zu den Stiftungsgaben für das 1355 gegrün dete ehemalige Zisterzienser Frauenkloster, in dem sie heute noch steht; doch wurde sie wohl eher vor als nach der Jahrhundertmitte geschaffen. Ein altes Lichtbild zeigt sie noch ohne die heutige allzulaute Fassung, auch noch ohne den weißen Kopfschleier und mit fehlender recliter Hand. Man wollte auch diese liebliche und zugleich hoheitsvolle Figur von der schwäbischen Kunst des frühen 14. Jahrhunderts ableiten, doch lassen sich Statuen eines verwandten Typus ebenso in Österreich nachweisen: in der Marktkirche von St. Florian etwa oder am Westportal der Wiener Minoriten. Seit mehr als hundert Jahren wird die kunsthistorische Forschung nun schon betrieben und hat zumindest un sere K.enntnis des überlieferten Materials vielfach an letzte Grenzen geführt. Daß in einem so gut bestellten Gebiet dennoch immer wieder neue Funde gelingen, gehört zti den Freuden, die unsere Disziplin ihren Jüngern, zu den Überraschungen, die sie dem Laien bereitet. So wurde im Jahre 1958 von Arbeitskräften bei Grabungs arbeiten auf der Ruine Schatinberg ein Sandsteinkopf entdeckt, der unseren Überblick würdig beschließen mag. Nahe der alten Burgkapelle zutage getreten, wird das Fragment wohl zu der Statue einer weiblichen Heiligen, vielleicht einer Madonnenfigur oder einer Verkün digungsmaria, gehört haben. Das grobkörnige Material, der volkstümliche Habitus und die Ungewißheit über den ursprünglichen Aufstellungsort der Figur erschweren die zeitliche Einordnung erheblich. Daß der Kopf gegen über dem Körper leise geneigt war, läßt die Achsen verschiebung zwischen Hals und Antlitz eben noch ahnen; das warme, irdische Lächeln des kleinen Mundes, die zarte und spitze Nase zwischen den breitflächigen Wangen, die sehr hohe Stirn und die weitgewellten, nur um das Gesicht in kleine Schnörkel gelegten Haare schließen einen allzu frühen Ansatz aus. Eher wird man diesen Kopf dem Ende des 14. Jahrhunderts zuordnen dürfen, einer Zeit also, da von der Basis des um die Jahrhundertmitte erreichten Realismtis aus neuerlich eine gewisse Idealität angestrebt wurde. Ein verwandter Gesichtsschnitt begegnet in der wenig beachteten Gruppe einer Anna Selbdritt in Garsten, die sich — unbeschadet einiger späterer Veränderungen — der Zeit kurz vor 1400 zuweisen läßt; aber auch noch um 1430 treffen wir an dem Doppelgrab der Herleinsperger in der Spitalskirche zu Eferding auf eine verwandte Formensprache. Wie immer dem sei — auch ohne eine letzte Gewißheit über den Zeitpunkt seiner Entstehung bleibt der Schaunberger Kopf ein wertvolles Zeugnis bodenständiger Kunst. Schon diesseits jener Epoche entstanden, der diese Zeilen vor allem gewidmet waren, weist er auf die Fülle großartiger Leistungen voraus, die Oberösterreich in spätgotischer Zeit hervorbringen wird. Als eine der jüngsten Bereicherungen unserer Kenntnis heimatlicher Kunst mag er noch einige Jahre warten müssen, ehe ihm die Wissenschaft einen festen Platz zuweisen kann; doch dürfen wir uns heute schon an seinen kraftvollen Formen ebenso freuen wie an der liebenswürdigen Vertraulich keit, mit der uns sein Lächeln beschenkt. Es nimmt uns mit in das Geheimnis einer Zeit, die zwar in vielen Din gen ärmer war als die unsere, aber reich an jener gläu big in sich ruhenden Zuversicht, von der diese Lippen wortlos künden. Die Redaktion erlaubt sich darauf aufmerksam zu madten, daß vom Autor dieser Abhandlung ein Werk über die Florianer Sdtreihschule vorbereitet wird.

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