Oberösterreich, 11. Jahrgang, Heft 1/2, 1961

unseren Akademismus der „Guten Form" gehörig in Vertvirrung bringen. Aut einem der letzten internationalen Kongresse für in dustrielle Formgebung wurden unter anderem i'olgende Probleme aufgezeigt: Wenn die Form einen wesentlichen Bestandteil des gan zen Entwurfes eines Produktes ausmacht, bedeutet das noch nicht, daß sie der wichtigste Teil davon ist. Man zürnt den modischen Erscheinungen in der Formgebung, vergißt aber, daß gerade in dem übertriebenen Interesse für die Form der Keim für diese Erscheinung liegt. Die industrielle Formgebung dürfte nicht nur Sache der Ästhetik sein, sondern müßte vor allem aus einer schöpfe rischen Intelligenz heraus entwickelt werden. Vor nicht allzu langer Zeit noch war das Flandwerk selbst schöpferisch. Schöpfer und Ausführender waren noch eins. Die Trennung zwischen Entwerfer und Flandwerker wurde zum Teil schon zur Zeit der „Wiener Werkstätte" vollzogen. Damals gab es aber noch jenen gemeinsamen Geist, der sie verband. Diese untrennbare Einheit war die Voraussetzung zur Schaffung einer Stil bewegung, die ganz Europa erfaßte. Sie ist auch eine der ■ ■ Grundvoraussetzungen, die erfüllt werden muß, wenn wir in Zukunft wieder echte Leistungen hervorbringen wollen. Industrie und Handwerk können gut nebeneinander be stehen, das heißt, sie können sich sogar sinnvoll ergän zen. Das Handwerk hat den großen, kaum zu überschätzen den Vorteil, daß es in der Lage ist, seine Erzeugung schnell umstellen zu können. Es wäre durch diese Tat sache geradezu verpflichtet, am Gebiet der Formgebung der Industrie voraus zu sein. Vor allem aber ist es Aufgabe des Handwerks, die indi viduelle Form zu betonen. Die Handwerksform läßt sich nicht in einen Begriff zwängen, sie drückt auch Uebersinnliches aus und entsteht selten im sogenannten „teamwork", niemals im Kollektiv. Ähnlich den Instituten für industrielle Formgebung im In- und Ausland wäre es angezeigt, auch für das Handwerk eine Formberatungsstelle einzurichten. Ein richtungen dieser Art sind in Deutschland den Hand werkskammern angeschlossen. Im Zeichen einer immer mehr um sich greifenden Indu strialisierung kommt es heute darauf an, das Handwerk als unentbehrlichen Kulturträger vor einer weiteren Ver drängung zu schützen. Es ist aber unbedingt erforder lich, daß das Handwerk bei aller Wahrung seiner Bin dung an die Tradition wieder jene echte Zeitnähe ge winnt, die es in früheren Jahrhunderten zu einem leben digen Mittler der Kultur gemacht hat. Durch die Verbindung von Handwerk und schöpferischen Entwerfern und Architekten müßte es möglich sein, neue Wege der Weiterentwicklung zu beschreiten. Werden richtige Formen gefunden, so gehört auch der Mut dazu, an ihnen festzuhalten. Es muß nicht immer unbedingt Neues entwickelt werden nur um des Neuen willen. Das Experiment ist notwendig, aber nur das intelligente Experiment hat Anspruch darauf, gezeigt zu werden. Die Bildung und Förderung des Nachwuchses müßte überprüft und gegebenenfalls sinnvoll ausgebaut werden. Gedankenlosigkeit, Mangel an Geschmack und Qualitäts gefühl sind verantwortlich für den Verfall der ästhe tischen und technischen Qualität unserer Gebrauchspüter. Auf die Dauer wirkt sich das nicht nur zum Scha- O den des Konsumenten aus, sondern es schadet auch der Industrie, dem Handwerk und dem Handel. Es gibt Hersteller und Händler, die behaupten, sie böten nur das an, was der Kunde verlangt. Der Käufer ent gegnet, er könne nur unter dem wählen, was ihm ange boten wird. Der Geschmack des Publikums ist zweifellos besser als sein Ruf und besser als die schlechte Ware, die mit der Entschuldigung, sie entspreche dem Geschmack des Publi kums, heute angeboten wird. Jedem Land, jedem Klima, jeder Zeit und jedem Lebens- „Leinensonderschau" 1960. 62

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