Oberösterreich, 11. Jahrgang, Heft 1/2, 1961

FRITZ GOFFITZER Die Formgebung in Industrie und Handwerk „Vollkommenheit entsteht offensichtlich nicht dann, wenn man nichts mehr hinzufügen, sondern wenn man nichts mehr wegnehmen kann." Antoine de Saint Exupery Die Formgebung in Industrie und FFandwerk kann nur in Verbindung mit der Entwicklung des Bauens und der Architektur um die Jahrhundertwende betrachtet wer den. Es ist festzuhalten, daß Van de Velde, Peter Behrens, Bruno Paul, Le Corbusier und eine große Zahl der Neuerer um die Jahrhundertwende nicht von der aka demischen Fachausbildung des Architekten oder der Technik des Bauens kamen. Sie kamen von der Malerei. Um dem Irrtum zu begegnen, die neue Architektur sei nichts anderes als eine zwangsläufige Folge neuentwickel ter Konstruktionen und Bauweisen, ist es gut, sich das oben Gesagte vor Augen zu füliren. Betrachten wir kurz die Entwicklung in Deutschland und Österreich. Angeregt durch die von den Engländern lEuskin und Morris Ende des 19. Jahrhunderts aufgestellten Thesen, begann sich in Deutschland eine Gruppe von Unter nehmern und künstlerischen Mitarbeitern leidenschaft lich gegen die bis dahin allgemein verbreitete Unkultur der Stilnachahmung einzusetzen. 1898 wurden die „Dresdner Werkstätten für Handwerks kunst" gegründet, die Jahrzehnte hindurch unter dem Namen „Deutsche Werkstätten" der Wohnkultur Rich tung gaben. Van de Velde setzte den „Neuen Stil" jeglichem Versuch einer Renaissance entgegen und verweist zugleich darauf, daß sich eine Revolution nicht nurim Künstlerischen voll ziehen darf, sondern daß sie ein Bestandteil des gesamten gesellschaftlichen Lebens werden muß. Es gab für ihn nur einen Stil, einen schönen, richtigen, vernunftgemäßen, eben den „Stile pure", der im Laufe der Zeit durch die Forderungen des Klimas und die mannigfaltigen Erscheinungen der Zivilisation Abwand lungen erfahren hat. Als Beweis zog er die japanische Kultur heran, in der er eine ständige Befolgung der Gesetze sah, wie sie sich aus einem logischen Widerspiel von Konstruktion und Form ergeben. Van de Velde wurde 1902 als Direktor an die Hochschule für Bildende Künste in Weimar berufen. 1908 wurde der „Deutsche Werkbund" gegründet, der den umfassenden Qualitätsgedanken zur Grundlage sei nes kämpferischen Programms machte. 1918 wird Gropius Direktor der Kunstgewerbeschule und der Kunstakademie Weimar. Er vereinigte beide Insti tute unter dem Namen „Staatliches Bauhaus Weimar". Die Schule wird 1926 nach Dessau verlegt und führt nun den Namen „Bauhaus Dessau". Mies van der Rohe, der nach Gropius das Bauhaus bis zu dessen Auflösung leitete, sagte über das Bauhaus: „Das Bauhaus war kein Institut mit einem klaren Pro gramm, es war eine Idee." Die Ursache für den großen Einfluß, den das Bauhaus auf verschiedene Schulen in der Welt hatte, dürfte in eben dieser Tatsache zu suchen sein, daß es eine Idee war. Nicht mit Organisationen und nicht mit Propaganda kann man eine solche Reso nanz erreichen. Das schöjtferische Element im Bauhaus beruht nicht zuletzt im Versuch, künstlerische Form und industrielle Produktion zu einem tragbaren Ganzen ztisammenzufügen. Ausstellung.Der gedeckte Tisch" 1959. V., 59

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