Oberösterreich, 11. Jahrgang, Heft 1/2, 1961

KURT HOLTER BAROCKLAND OBERÖSTERREICH Das Zeitalter des Barock hat dein Lande ob der Enns, das wir heute Oberösterreich nennen, seinen Glanz und als Kulturlandschaft vielleicht seinen am meisten ins Auge fallenden Charakter gegeben. Es hat alle die vorausgehen den Epochen, wie ehedem das Zeitalter der Gotik, in der Mehrzahl ihrer Kunstschöpfungen umfaßt, umkleidet und umgestaltet. Erst das Zeitalter der Industrialisierung, das späte 19. und 20. Jahrhundert, und vor allem unsere Gegenwart, sie haben das Antlitz der Städte und Märkte des Landes neu umgewandelt. Durch dieses moderne Bild dringt aber immer wieder der Kern jener vergan genen Zeit ans Licht, zumal ihre volkstümlichen Aus läufer den Untergang der Hochkunst um Jahrzehnte überlebt haben. Wenn man heute von einem Barockland Oberösterreich spricht, so ist das in dem Eindruck seiner Stadtplätze, seiner Stifte, seiner Kirchtürme und vieler seiner Kirchen räume begründet. Aber man darf nicht vergessen, daß die Generation unserer Großväter mit dem Namen „Barock" keineswegs eine besonders günstige Vorstellung verbunden hat, daß wir aus jener Zeit genug abfällige Äußerungen darüber erhalten haben und daß in dem damaligen nachromantischen Sturm einer „Regotisierung" zahllose barocke Denkmäler zugrunde gegangen sind. Man darf weiter nicht vergessen, daß erst mit dem Ende dieser Epoche, in die wir das Rokoko ohneweiters einbeziehen können, das Land ob der Enns zu der Ein heit zusammengefügt worden ist, die es heute darstellt. Der Frieden von Teschen 1779 hat dem Lande jene Landschaft des Innviertels eingebracht, die gerade im Zusammenklang der barocken Kunst besondere Akkorde und Varianten bedeutet. Es ist überaus reizvoll den Ursprüngen dieser Kunst nachzugehen. Unter den vielen wirkenden Faktoren hat man auch die Nationalität der Künstler immer wieder mit dem Gegensatz von einheimischen und zugewan derten, meist italienischen Meistern, ins Treffen ge führt. Unseres Erachtens reicht diese moderne Vorstel lung zur Erklärung der Formen der landesüblichen Bau weise nicht aus. So wie auf der höchsten Ebene der künstlerischen Ideen der zündende Funke ganze Län der überspriirgen mag und nur in den kongenialen Köpfen zündet, so ist es auch, in abgewandelter Weise, in den mehr handwerklich bestimmten Bereichen. Diese aber sind es, die für die Barockkunst unseres Landes oft maßgeblich geblieben sind. Wenn wir von landes üblichen Formen und von Hauptformen sprechen kön nen, so sind diese nicht so sehr aus der Schulung und Herkunft des einzelnen Künstlers, sondern in viel höherem Maße aus dem Willen und Auftrag der Bau herren zu erklären. Für Oberösterreich, das in der Zeit des 17. und 18. Jahrhunderts keinen höfischen Mittel punkt besessen hat, ist es das benachbarte geistliche Zentrum Passau, das in gewisser Weise einen Ersatz ge liefert hat. Dabei ist zu bedenken, daß dieses Hochstift nicht nur Vorort für alle religiösen Belange des Landes war, sondern auch daß die Zusammensetzung seiner führenden Schicht sich zu allen Zeiten in hervorragen dem Maße aus dessen Bereich bildete und ergänzte. Die Kunst, die in diesem Kreis aufgenommen und gepflegt wurde, kehrte, wenn man so sagen darf, in die Heimat, in und auf das Land zurück, woher ihre Förderer aus gegangen waren. So ist der Vorgang, daß sich die örtlich maßgebenden Persönlichkeiten in den oberösterrei chischen Klöstern und auf den Pfarreien bemühten, die in Passau bewährten Kräfte ebenfalls zu gewinnen, als ein ganz selbstverständlicher zu betrachten. Es ist eine andere Frage, wie weit, durch Herkunft und Ausbildung bestimmt, die anderen nahen Kunstmittel punkte, die geistliche Metropole Salzburg und Wien, der Sitz des kaiserlichen Hofes, wirksam geworden sind. Im Gegensatz zum Zeitalter der Gotik ist der Salzburger Einfluß im 17. und 18. Jahrhundert stark zurück getreten. Wenn im Laufe des 18. Jahrhunderts einige Salzburger Bildhauer (S. Frieß, J. A. Pfaffinger) im ILandgebiet um Mondsee und teilweise auch weiter öst lich herangezogen werden, so tragen sie nur eine Dankes schuld ab, zu der sie dem führenden Alondseer Meister Meinrad Guggenbichler (1679—1723) verpflichtet waren. Denn dieser hatte nicht nur seinen Lehrmeister, den Rieder Bildhauer Thomas Schwanthaler, in seinen Bann zu ziehen vermocht, sondern auch im Salzburger Be reich als maßgebende formende Kraft gewirkt. Sein Werk verteilt sich demgemäß auch über den unmittel baren Mondseer Kreis und seine Umgebung, Mondsee, St. Wolfgang, Irrsdorf, Abtsdorf, Oberwang, Oberhofen, Lochen usw. und ebenso auf mehrere der nahegelegenen Salzburger Kirchen. Weder vor ihm, noch nach ihm hat die Plastik in jenem Gebiet eine gleichartige Höhe er reicht, und noch heute ist es so, daß allein dieser voll blütige, Leben sprühende Strom bewegter Körperlich keit, der in den genannten Kirchen pulst und flutet, auch für den verwöhnten Kenner eine Kunstfahrt recht fertigt. Meist oder doch sehr oft im Rahmen gotischer Räume, bietet jener Aufschwung den künstlerischen Höhepunkt dieses Gebietes. Zu einer selbständigen oder sonstwie bedeutenden Bautätigkeit ist es im Grenzgebiet gegen Salzburg nicht gekommen; als um die Mitte des 18. Jahrhunderts die Salzburger Malerei in gewissem Sinne das Erbe der Periode der Plastik antrat (wir den ken etwa an die Stiftskirche von Mondsee), war auch ihr Höhepunkt vorüber. Im nördlichen Nachbargebiet, im damals bayerischen Innviertel, wirkte fast gleichzeitig der fünfzehn Jahre ältere Thomas Schwanthaler, in dem wir das Haupt und den ersten Mittelpunkt der vielleicht berühmtesten 26

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