Oberösterreich, 11. Jahrgang, Heft 1/2, 1961

VEIRBOMGEME! MK IM Wer einen Rundgang durch die Stadt Vöcklabruck unternimmt, wird vielen Edelsteinen aus alter Zeit begegnen. Schon der geschlossene Stadtplatz mit seinen beiden alten Türmen weist auf eine alte städtische Ktiltur hin. Die Wappenfresken am unteren Stadttor und in der Schöndorfer Kirche bezeugen, daß um die Wende des 15. zum 16. Jahrhun dert unter Kaiser Maximilian I. Vöckla bruck an der Größe des damaligen Rei ches seinen Anteil hatte. In der Ulrichs kapelle (jetzt Stadtpfarrkirche) und der Kirche zu Maria-Schöndorf sind uns Musterbeispiele süddeutscher Hallen gotik erhalten geblieben, während uns in der Kirche zum hl. Ägidius (Dörflkirche) ein reizendes Kleinod italieni schen Barocks geschenkt wurde. Manches Kunstwerk ist so verborgen, daß es der Allgemeinheit kaum bekannt ist. Wer die Fenster der Kathedrale von Chartres oder des Straßburger Münsters gesehen hat, wird leicht in die Ver suchung kommen, das hier abgebildete Glasfenster zu bagatellisieren. Mit dem Großen und dem Vielen kann man re präsentieren, das Kleine und Wenige kann man nur lieben. Rilke sagt es ein mal so schön: „Nichts ist mir zu klein und ich liebe es trotzdem und male es auf Goldgrund und groß." Auch wir „malen auf Goldgrund und groß", wenn wir drei kleine Scheiben farbigen Glases der Öffentlichkeit präsentieren. Drei kleine Scheiben, die den meisten Be suchern der Schöndorfer Kirche gar nicht bekannt sein können, weil sie vom Hochaltar (eine neugotische Laubsäge arbeit) mit seinem hochaufstrebenden Gepräge, der als künstlerisch wertloser Schrein für die herrliche Schöndorfer Madonna geschaffen wurde, verdeckt werden. Man muß sich hinter den Altar begeben, um dieses kleine Kunstwerk zu sehen. Klein ist es nur in seinem Aus maß, nicht in seinem künstlerischen Wert. Geistig und formal verwandt mit der Kreuzigungsgruppe des Isenheimer Altars manifestiert es in großartiger Weise die welterlösende Tragödie der Kreuzigung. Ohne Überspitzung wird uns das furchtbare Leiden vor Augen gestellt und ohne große Gesten die Weltweite des Ereignisses versinn bildlicht. Als Zeugen und Wächter der Wahrheit stehen zur Seite für den inneren und menschlichen Bereich Maria und Johannes, für den Kosmos die Sonne und der Mond. In den drei bunten Gläsern finden wir den Zugang zum christlichen Mittel alter, zur Gotik und zur Mystik. Mehr im Sinne des Wesentlichen kann auch eine ganze Kathedrale nicht vermitteln. Es wird Zeit, daß das Presbyterium der Schöndorfer Kirche eine Umgestaltung und der Hochaltar und die Fenster eine künstlerische Lösung erfahren, nicht nur, um der prachtvollen Madonna einen würdigeren Rahmen zu geben, sondern auch, um dieses Glasbild der Kreuzigung endlich allen sichtbar zu machen. Dr. Leopold Weismann 25

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