Oberösterreich, 11. Jahrgang, Heft 1/2, 1961

p Abb. 2 Das zweite Wandfeld nimmt eine große Darstellung der Glorie Mariens ein (Abb. 1). Unten sehen wir die Mutter gottes in einem sich beiderseits nach außen öffnenden Innenraum, von den Aposteln umgeben, auf dem Sterbebett liegen. Über eine ab.schrankende Wolken zone geht der Raum dann in die durch Spruchbänder voneinander getrennten neun Zonen der Engelchöre über. In ihrer Mitte schwebt Maria, von Engels köpfen umgeben, empor. Die Zonen werden links von den Chören der Engel und rechts — soweit ausnehmbar — von himmlischen und irdischen Ständen eingenommen. Alle sind sie zur Mutter gottes hingewandt und huldigen ihr in lateinischen Worten, die auf den ge nannten Bändern sowie auf den seit lich senkrecht übereinander stehenden Schriftfeldern angebracht sind. Leider sind die in Schwarz — offenbar al secco — gemalten Sprüche mit Ausnahme ganz weniger Fragmente weitgehend verblaßt, während die in Rot gut abgebundenen Kopftitel der linken Reihe in über raschender Frische herausgekommen sind. Sie ergeben, von oben nach unten, die übliche Einteilung der neun Engel chöre nach dem Pseudo-Dionysios AreoAbb. 3 pagites (De caelesti hierarchia): Sera phim, Cherubim, Troni-Dominationes, Potestaies, Virtutes — Frincipatus, Archangeli, Angeliio. Vor allem die in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts ent standene Legenda aurea des Jacobus de Voragine hat die Vorstellung der Engelssphärcn des Areopagiten, wie wir sie hier bildlich gestaltet vorfinden, in der Volksfrömmigkeit des späten Mittel alters tief verwurzelt^. Nach der lauretani.schen Litanei ist nun Maria die Königin der neun Engel chöre und als .solche erscheint sie auch am Albrechtsaltar im Stift Kloster neuburg (um 1-139) im Verein mit Patriarchen, Propheten, Aposteln, Märtyrern, Kirchenlehrern und Bekennern, Jungfrauen, Witwen und Frauen auf den 16 Tafeln der Sonntagsseite, während ihr Tod und ihre Krönung unter den 8 Tafeln der Feiertagsseite enthalten sindiä. Es ist die berühmteste mittelalterliche Darstellung dieses The mas in Österreich, allerdings durch ihre Anordnung auf Tafeln kompositionell grundsätzlich unterschieden von dem ITankcnmarkter Fresko. Die Darstellung huldigender Chöre als Halbfiguren in horizontalen Streifen ist ein schon in der karolingischen Kunst bekanntes und im Mittelalter geläufiges Kompositionsprinzipia. In unserem Falle wird es mit der Vorstellung der durch die Sphären emporschwebenden Muttergottes verbun den. Sie ist in der Legenda aurea auch ausgesprochen, wo es heißt: Alsbald fuhr Mariens Seele in den Leib und stund herr lich auf aus dem Grab und fuhr auf gen Himmel, geleitet von der Menge der Engeln. Auch das geistliche Schauspiel des Mittelalters kennt sie — so etwa das Innsbrucker Himmelfahrtsspiel aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts — wo Maria bei ihrer Himmelfahrt zahl reiche Engelchöre passierti». Diese Vorstellung existiert auch in der Bildwelt des 16. Jahrhunderts, wie z. B. der aus zwei Blättern bestehende Holz schnitt Lucas Cranachs d. Ä. aus dem 2. Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts beweisttc. Es handelt sich um eine Fran kenmarkt sehr nahe Austeilung: unten der Marientod und die ihn begleitenden legendären Ereignisse, oben die Krönung im Himmel durch die Dreifaltigkeit und dazwischen Maria, von Engeln um geben, emporschwebend zwischen den neun Chören. Sie ist zwar nicht in jeder Sphäre gegeben wie in Frankenmarkt, doch zeigt ihre zweimalige Darstellung in der Zone zwischen Flimmel und Erde deutlich, daß hier das Emporschweben gemeint ist. Links sind die Engelchöre und rechts von oben nach unten die Propheten, Patriarchen, Zzvölfboten (Apostel), Märtyrer, Jungfrauen, Beich16

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