Oberösterreich, 11. Jahrgang, Heft 1/2, 1961

Oberösterreich Landschaft • Kultur ■ Wirtschaft • Fremdenverkehr 11. Dahr ■ Heft 1/2 ■ Sommer 1961 ALTE UND NEUE KUNST IN OBERDSTERREICH INHALT Dr. Gerhard Schmidt Dr.Benno Ulm Dr. Norbert Wihiral Dr.Leopold Weismann Dr.Kurt Holter Dr. Erich Widder Prof. Fritz Fröhlich Dr. Ottokar Blaha Arch. Fritz Goffitzer Dr.Helmuth Huemer Schriftleitung Umschlaghild Frühgotische Kunst in Oberösterreich Die spätmittelalterliche Kunst in Oberösterreich Neuentdeckte Malereien der Reformationszeit in der Pfarrkirche von Frankenmarkt Verborgene Kunstwerke in Vöcklabruck Barockland Oberösterreich Kunst der Gegenwart in Oberösterreich Ansprache zur Eröffnung der Jahresausstellung 1960 des Oberösterreichischen Kunstvereines Das künstlerische Werk der Lydia Roppolt Die Formgebung in Industrie und Handwerk Oberösterreichs Volkskunst in Vergangenheit und Gegenwart — eine Studie Dr. Otto Wutzel Glasgemälde von Rudolf Kolbitsch für die Kirche der Karmelitinnen in Linz (Foto Dr. Widder, Umschlagentwurf Erika Janisch) Einzelverkaufspreis S 24.—, Jahresabonnement für 2 Hefte S 36.— exkl. Porto. — Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Ober= österreichischer Landesverlag; verantwortlich im Sinne des Presse= gesetzes: Dr. Otto Wutzel, sämtliche in Linz, Landstraße 41, Ruf 26 721. — Druck: Oberösterreichischer Landesverlag Ried i. 1. An unsere Leser! Im Sommerheft des Vorjahres konnte sich die Redaktion der Zeitschrift „Oberösterreich" für zehnjährige Treue bei Lesern, Abonnenten und Mitarbeitern bedanken. Das Jubiläum war auch Anlaß zu verschiedenen Überlegungen. Es gab die Anregung, Rückschau und Besinnung zu halten. Dabei konnte hiebei festgestellt werden, daß sich die Zeitschrift zehn Jahre hindurch redlich bemüht hat, in jedem Heft einen Querschnitt des Landes zu bieten, in Buntheit des Inhalts die Fülle des landschaftlichen und kulturellen Reichtums Ober= Österreichs darzustellen. Und es zeigte sich bei diesem Rückblick, daß man diese allgemeine Linie beibehalten sollte — allerdings mit einer gewissen Änderung in Gestaltung und Form der einzelnen Hefte. Es drängte sich förmlich von selbst der Wunsch auf, für die nächste Zeit jeweils ge= schlossene Themen herauszugreifen und Schritt für Schritt die ganze Fülle des Begriffes Ober= Österreich in seinen vielerlei Ausprägungen zu erfassen. Konkret soll dies heißen, daß die kom= menden Hefte der Zeitschrift nicht mehr Quer= schnitte, sondern Längsschnitte bieten sollen. Je= weils eine besondere Erscheinungsform des Lan= des, in der sich Eigenart und Wesen Oberöster= reichs manifestiert, wird künftig von berufenen Fachleuten vorgeführt und durchleuchtet werden. Den Anfang bildet mit diesem Heft die Kunst, die in Vergangenheit und Gegenwart das Antlitz des Landes so stark prägte. Das nächste Thema wird „Städtebilder aus Ober= Österreich" aufzeigen. In Zukunft wird jedes Heft die publizistische Form einer Zeitschrift beibehalten, in seinem inneren Wert aber einem Buche nahekommen, das von dem Lande spricht und über das Land aussagt, dessen schönen und stolzen Namen unsere Veröffentlichung tragen wird.

GERHARD SCHMIDT Frühgotische Kunst in Oberösterreich Daß wir mit diesen Zeilen die Aid'merksarnkeit des Lesers auf die frühe Gotik Oberösterreichs hinlenken, recht fertigt sich aus der Bedeutung dieser Landschaft und ihrer künstlerischen Leistungen gerade in dem fraglichen Zeitraum, der etwa das Ende des 13. und die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts umfaßt. IDenn während die gotische Kunst in ihrem nordfranzösischen Entstehungsgebiet schon um die Mitte des 12. Jahrhunderts eingesetzt und zu Beginn des 13. Höchstleistungen hervorgebracht hatte, die wir heute als „klassische" Formulierungen des neuen Stiles empfinden, blieb die Kunst des österreichischen Donaulandes noch durch mehr als hundert Jahre älteren Traditionen verpflichtet. Doch als, um 1260/70, auch hier die große Wende begann, scheint man sich in dem Lande ob der Enns früher und entschiedener nach den neuen westlichen Leitbildern orientiert zu haben als etwa in den Alpengebieten oder selbst in Niederösterreich, dessen kultureller Schwerpunkt im Raum von Wien und Klo sterneuburg nicht nur an der äußersten östlichen Periy S. pherie Mitteleuropas, sondern zugleich auch im Strahlungsbereich der oberitalienischen und, fallweise, der böhmischen Kunst lag. Eine führende Rolle dürfte zunächst das Chorherrenstift St. Elorian gespielt haben: Im Jahre 1291 wurde hier die neuerbaute Stiftskirche geweiht, von der wir annehmen können, daß sie mit bedeutenden Wand- und Glasmale reien ausgestattet war. Die seit der Wende zum 14. Jahr hundert in St. Florian tätige Buchmalerwerkstatt ver dankte ihre ersten Impulse ganz offenbar denselben Mei stern, die vorher diesen Sakralbau ausgeschmückt hatten und die auch noch in den folgenden Jahren als Wand maler im Donauland wirkten. So geht der eindrucksvolle Freskenzyklus der Göttweigerhof-Kapelle zu Stein an der Donau auf die gleichen Künstler zurück, die damals die ersten frühgotischen Miniaturen der St. Florianer Stifts bibliothek schufen: den Honorius-Kommentar zum Hohe lied (1301), die Armenbibel (um 1310) und einige Mis salien, von denen jenes, das der spätere Propst Heinrich von Marbach eigenhändig geschrieben hatte, das schönste ist. Diese Werke sind durchwegs von ungewöhnlich hoher Qualität und dürfen ohne Anmaßung mit den besten deutschen Miniaturen ihrer Zeit (etwa mit der bekannten Manesseschen Liederhandschrift) in eine Reihe gestellt werden. Was sie aber für den Historiker besonders reiz voll macht, ist die Unniittelbarkeit, mit der sie Anregun gen aus dem westeuropäischen Kunstkreis spiegeln. Der Honorius von 1301, das Marbach-Missale und die Steiner Fresken belegen ganz eindeutig, daß diese erste Gene ration der St. Florianer Maler engste Beziehungen zu der Pariser Hofkunst des späten 13. Jahrhunderts unterhielt. Weder im Wiener Bereich, noch im übrigen Österreich, ja nicht einmal im Rheinland, läßt sich derartiges zu einem so frühen Zeitpunkt belegen. Doch schon gegen Ende des ersten Jahrzehnts übernah men jüngere Künstler die Leitung der Werkstatt. Die französischen treten nach und nach hinter oberrheinische Anregungen zurück; vor allem die Spitzenkraft der SanktFlorianer Malerschule dieser Jahre, der Illuminator der um 1310 für Kremsmünster ausgeschmückten Bibel des Abtes Friedrich von Aich, hat zweifellos die besten Werke der seeschwäbischen Buchmalerei des späten 13. Jahrhunderts gekannt. Zugleich aber eignen den Miniaturen der Aich-Bibel Qualitäten, die schon als spezifisch donauösterreichisch gelten dürfen. Die bezwin gende Musikalität etwa, die sich in der Flächenverteilung und Linienführung der kleinen Prophetenbilder ausDer hl. Gregor verfaßt das Benedikt-Leben: der hl. Benedikt verläßt Mutier und Schwester und wird von seiner Amme zur Schule gebracht. Aus der .Vita Benedicti' der Pierponi Morgan Library(M 55) in New York; um 1320130. (Foto: Pierpont Morgan Library)

spricht, ist ein solcher besonderer Zug. Untl ebenso bodenständig mutet die stets von einer leisen Melancholie gedämpfte Lieblichkeit an, die den Ausdruck dieser Fi guren bestimmt. Die Bibel von Kremsmünster und die von dem gleichen Meister ausgestatteten Handschriften in St. Florian be zeichnen einen ersten Höhepunkt unserer Werkstatt. Der zweite wird etwa zehn Jahre später erreicht und hängt innig mit einem Ereignis zusammen, das für die kulttirgeschichtliche Situation dieser Zeit im südlichen Mittel europa aufschlußreich ist. Knajjp vor 1320 muß sich eine Gruppe von Miniatoren in St. Florian angesiedelt haben, die nun nicht mehr aus dem Westen, sondern aus dem Süden, aus Bologna, kamen. In dieser bedeutenden Uni versitätsstadt blühte die Buchmalerei schon seit langem in großen und wohlorganisierten Werkstätten; wissenschaft liche, vor allem juristische Texte, wurden dort serien mäßig geschrieiten und illuminiert. Als diese bolognesischen Buchmaler nach St. Florian kamen, brachten sie aus ihrer Fleimat nicht nur eine besonders reiche Ornamentik, sondern auch schon den neuen, auf der Kunst Giottos beruhenden Figurenstil des Trecento mit. Ihre Miniaturen werden nicht mehr aus Linien und Farbflächen aufgebaut, sondern aus Körpern, die sich in einem präzise definierten Umraum behaupten. Freilich waren die oberösterreichischen Meister dieser Zeit noch nicht imstande, das grundsätzlich neue Stil prinzip der Italiener in seinem Wesen zu erfassen, doch begannen sie immerhin, sich für die Probleme der drit ten Dimension und deren Verdeutlichung durch eine ent sprechend nuancierte Modellierung der Körper zu inter essieren. Zu welch reizvollen Resultaten diese Auseinandersetzung der bodenständigen Miniatoren mit der Kunst ihrer zu gewanderten Mitarbeiter führte, dokumentiert am ein drucksvollsten die große Kreuzigung aus dem Missale des Wilheringer Andreasaltares. Im Jahre 1320, anläßlich der Weihe dieses Altares, von einem Priester Michael gestiftet, wurde sein Schmuck der Werkstatt von Sankt Florian anvertraut. Einer der Bolognesen malte die gro ßen Rankeninitialen, das Kanonbild aber ist das Haupt werk eines einheimischen Künstlers, dessen Tätigkeit sich in St. Florianer Handschriften von etwa 1310 bis um 1325/30 verfolgen läßt. Hier steigert er, unter italieni schem Einflid3, die Modulation der Oberflächen bereits zu einer solchen Vollkommenheit, daß keine Falte und kein Muskel, ja nicht einmal mehr die Aststümpfe im Holz des Kreuzes, zeichnerisch eingetragen werden; alles scheint wie aus der Grundsubstanz modelliert und ge winnt im weichen Wechselspiel von Licht und Schatten eine überzeugende körperliche Existenz. Daneben aber bleibt er sich der künstlerischen Funktion der Linie noch voll bewußt. Sie beherrscht die Figuren von den Um rissen her und gliedert die ganze Bildfläche rhythmisch auf; im Gewand spielt sie die Säume gegen die Falten aus und schafft so einen polyphonen Formenreichtum von höchster Originalität. Kein anderes Werk des 14. Jahrhunderts hat einen charakteristischen Kunstgriff der Spätgotik, nämlich die Beteiligung des Faltenwurfes am Ausdruckswert einer Szene, mit solcher Kühnheit vorweggenommen (s. Abb. auf S. 1). Der hl. Florian; Holzskulptur in der Stißsgalerie St. Florian. Um 1330/40. (Foto: Gerhard Schmidt, Kunsthistorisches Institut Wien)

.r obftg. „•^nÄ 'Eoo- oiu^_. f tuika(^^pniÄaüaiJicMnin/idiqri^öSTifttP t rmlluilMUriMroSf^l^ifrrd^ ; iriVurMlcar^ulAttmo^stinäi^ft^ atti^Äurt|mi mT^6aadrm^ÖWir P flrdvA^tcpracoSrulC'fusau«- s^adiö tptn diÄ ^unmx) In der frühen Gotik gehen intensiverer Ausdruck und geschärfter Wirkliclikeitssinn oft Hand in Hand. So hat aucli der Aleister der Wilheringer Kreuzigung mehr getan als nur die Kör]rerwirkung seiner Figuren zu stei gern; die neue „Gewichtigkeit", die ihnen eigen ist, er laubt es zugleich, der Szene dramatische Akzente zu geben, die etwa der wohllautenden und schwerelosen Linienkunst der Aich-Bibel noch nicht erreichbar ge wesen wären. Daß Maria und Johannes nun durch mas sive Faltensockel auf dem Boden verankert sind, daß ihr Schmerz — von Gebärden und Faltenwurf unmißver ständlich suggeriert — die blockhafte Wucht ihres Standmotives nicht mindert, das alles steigert kontrapunktisch die starke Wirkung, die von dem zuckenden Umriß des Gekreuzigten ausgeht. Und auch dessen abgewinkelte Beine mit den wie im Krampf gespreitzten Zehen bilden ihrerseits einen dramafischen Kontrast zti dem weichen Saumgeriesel des Lendentuches und zu dem Oberkörper, der schlaff an überdehnten Armen hängt. Die gleichen Stihnittel, die hier ahnend auf den spät gotischen Expressionismus vorausweisen, erlauben einem anderen Landsmann und Zeitgenossen des Wilheringers die anschauliche Schilderung fast genrehafter Vorgänge. Wir kennen kein zweites Werk jenes liebenswürdigen Zeichners, der die „Vita Benedicti" der Pierpont Morgan Library illuminierte; wir wissen auch nicht, wo und für wen er dieses Büchlein schuf. Daß auch er ein Oberösterreidier war, läßt sich jedoch mit größter Wahr scheinlichkeit behaupten, denn sein Stil geht eindeutig von den St. Florianer Miniatoren aus. Etwa im dritten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts muß er tätig gewesen sein: die körperbewußte Modellierung seiner Figuren baut auf der Wilheringer Kreuzigung auf, während die mit naivem Charme vorgetragene Erzählung schon voll beobachteter Einzelheiten steckt. Der Blick der Figuren geht nicht mehr ins Leere, sondern gewinnt Ausdruck und Zielsicherheit; die Gesten dienen nicht mehr aus schließlich einer harmonisch in sich ruhenden Bild fügung, sondern sie werden „sprechend" und unter streichen den szenischen Zusammenhang. In tlen dreißiger Jahren hat sich dann dieser frühe, in den Szenen des Benedikt-Lebens eben erst keimende Realismus allenthalben durchgesetzt. Eine oberöster reichische Heilsspiegel-Handschrift der Wiener National bibliothek, die das Datum 1336 trägt, demonstriert Gewinn und Verlust dieser Entwicklung: Der graziöse Fluß tler Bewegungen und die Ausgewogenheit in sich geschlossener Kompositionen sind nicht mehr das vor nehmste künstlerische Ziel; wichtiger scheinen nun Aktionen von einprägsamer Deutlichkeit und eine erreate Mimik, die sich nicht nur der menschlichen Gesich- o ' ter, sondern auch der Tiere bemächtigt. Der Löwe, dem David die Kiefer auseinanderbrach, ist zwar gewiß noch keine naturalistische Studie eines Tierkadavers, an seinem Tot-Sein aber besteht ebensowenig ein Zweifel wie an der Furcht des Bären oder an der stillen Zu-

m atint Ditt friedenheit des Lammes, das hier stellvertretend für die geretteten Herden steht. Mit dieser Verlagerung des künstlerischen Interesses von der Fonxi auf den Ausdruck, vom schönen Zusammen klang der Komposition auf die Einzelheiten der Er zählung, ist auch die Grenze dessen erreicht, was wir als frühgotische Kunst bezeichnen dürfen, fn der oberöster reichischen Malerei war deren Entfaltung mit beson derer Deutlichkeit zu verfolgen, nicht nur weil die SanktFlorianer Miniatorenschule eine Fülle zuverlässig datier barer Werke bereitstellte, sondern auch weil sie in ihrer Gesaiutheit das dominierende künstlerische Phänomen dieser Jahrzehnte gewesen sein muß. Von ihrer Strah lungskraft legen heute noch einige erhaltene Monument malereien Zeugnis ab: etwa die Ih-esken in den Schloß kapellen von Steyregg (um 1320) und von Burghausen au der Salzach (um 1330) oder die Glasfenster der Pfarr kirche von Pram, in denen ein Meister der Jahrhundert mitte einige Prophetenfiguren der St. Florianer Armen bibel mit größter Exaktheit kopierte. Wesentlich schwieriger ist es, die Entwicklung der gleichzeitigen Plastik in Oberösterreich nachzuzeichnen. Hier treffen wir vielfach atd Einzelwerke von hoher Qualität, die aber untereinander keinen Zusammenhang aufweisen, sondern eher die verschiedensten Einflüsse aus benachbarten Kunstlandschaften vermuten lassen. Beachtenswert sind die vier frühgotischen Flochgräber, die das Land beherbergt; die ältere der beiden SchaunInitiale O mit dem Prophelen Malachias. Aus der Bibel des Friedrich von Aich (Kremsmünster cod. 353). Um 1310. Bild Seite 4: David tötet Goliath und schätzt die Herden vor wilden Tieren. Aus einer oherösterreidüschen Heilsspiegel-Handschrifl von 1336 (Wien, Nationalhihliothek cod. S. N.2612). {Fotos: Johanna Fiegl, Kunsthistorisches Institut Wien) bergertumben in Wilhering vom Ende des 13., das Gunthergrab in Kremsmünster vom Anfang des 14. Jahr hunderts und die beiden Gräber in der Garstener Stifts kirche. Die zwei erstgenannten sind eigenwillige, ein wenig provinzielle Werke, denen freilich künstlerischer Reiz und ein erhebliches historisches Interesse keines wegs abgesprochen werden können. Die Gastener Grab platten aber zählen zu den auch kunstgeschichtlich fesselndsten Monumenten ihrer Zeit in Österreich. Die Tumba des Stifters, Ottokars VI. von Steyr, ist die jüngere von beiden. Sie wurde wohl 1347, anläßlich der zweiten Beisetzung des schon dreieinhalb Jahrhunderte früher verstorbenen Markgrafen, errichtet; künstlerisch steht sie in Abhängigkeit von den Statuen des Nord- und Mittelchores der Wiener Stephanskirche, deren Stil sie unverkennbar, wenn auch ein wenig gröber, übernimmt. Ihre Bedeutung beruht daher zum Teil auf ihrem Zeug niswert: Sie liefert ein gewichtiges Argument für die oft bezweifelte Spätdatierung der Wiener Plastiken in die Zeit um oder kurz nach der Chorweihe von 1340. Viel eindrucksvoller freilich ist die ältere Figur des hl. Bert hold, der 1111—42 Abt von Garsten war. Ihre Ent stehungszeit ist nicht belegt, doch muß sie in die ersten fahre des 14. Jahrhunderts gefallen sein. Der durch geistigte Kopf mit den schön geschnittenen Augen und dem regelmäßig gelockten Haar, die leingliederigen Hände, die flachen, an den Graten rund gewulsteten Faltenschüsseln der Kasel, die prallen Faltenstäbe des Untergewandes und nicht zuletzt der kultivierte Zierat an den Borten des Gewandes und am Pedum verraten einen Meister von Rang und hoher Bildung. Seine Her kunft läßt sich nur vennuten: Manche Züge seiner Kunst haben Entsprechungen am Oberrhein, und so dürfen wir in ihm wohl einen weiteren Zeugen für den Einfluß des deutschen Südwestens auf Oberösterreichs Frühgotik sehen — einen Plastiker also, der im monumentalen Bereich eine ähnliche Stellung beansprucht wie der Illuminator der Aich-Bibel im Bereich der Buchmalerei. Es ist verlockend, dem machtvoll-feierlichen Garstener Abt die berühmte Statue des Stiftspatrons von St. Florian gegenüberziustellen. Nicht nur die andere Aufgabe und das gefügigere Material unterscheiden dieses knapp über lebensgroße Holzbildwerk von der steinernen Liegefigur. Uiu 1330/40 entstanden, mit einigen der schönsten böhmisch-mährischen Madonnen des zweiten Jahr hundertviertels stilistisch verschwistert und sie dennoch an äußerer und innerer Größe überragend, kündet der „Ritter" von einer besonderen Möglichkeit gotischer Kunst an der Schwelle jenes Realismus, dem die oben er wähnte, etwa gleichaltrige Wiener Heilsspiegel-Handschrift schon vollends angehörte. Jede Einzelheit von Gewand und Bewaffnung wird liebevoll nachgebildet, Stanclmotiv und Volumen der Figur entsprechen den organischen Möglichkeiten — aber in der idealistischen

Sandsteinkopf aus dem Ende des Ii.Jahrhunderts von der Burgruine Schaunherg, derzeit im Heimathaus Eferding. (Foto: Dr. Widder) Überhöhung der Natur und in der preziösen Eleganz der einzelnen Schmuckstücke, Haarlocken und Faltenbil dungen lebt die Kunst des fahrhundertanlangs noch fort. Es ist diese manieristisch abgekühlte Spielart früh gotischer Würde und Beseeltheit, die dem ritterlichen Heiligen seine wahrhalt aristokratische Prägung gibt. Inniger und dem menschlichen Gefühl näher sind die Madonnenbilder dieser Zeit. E)ie eindrucksvolle Reihe der oberösterreichischen Beispiele setzt schon früh mit der aus dem Raum von Freistadt stammenden, noch dem späten 13. Jahrhundert angehörenden Sitzfigur im Württembergischen Landesniuseum zu Stuttgart ein; ihr erster Höhepunkt wird in der Schlierbacher Madonna erreicht. Entstehungszeit und stilistische Herkunft dieser Figur sind nicht mit Sicherheit anzugeben. Vielleicht gehörte sie zu den Stiftungsgaben für das 1355 gegrün dete ehemalige Zisterzienser Frauenkloster, in dem sie heute noch steht; doch wurde sie wohl eher vor als nach der Jahrhundertmitte geschaffen. Ein altes Lichtbild zeigt sie noch ohne die heutige allzulaute Fassung, auch noch ohne den weißen Kopfschleier und mit fehlender recliter Hand. Man wollte auch diese liebliche und zugleich hoheitsvolle Figur von der schwäbischen Kunst des frühen 14. Jahrhunderts ableiten, doch lassen sich Statuen eines verwandten Typus ebenso in Österreich nachweisen: in der Marktkirche von St. Florian etwa oder am Westportal der Wiener Minoriten. Seit mehr als hundert Jahren wird die kunsthistorische Forschung nun schon betrieben und hat zumindest un sere K.enntnis des überlieferten Materials vielfach an letzte Grenzen geführt. Daß in einem so gut bestellten Gebiet dennoch immer wieder neue Funde gelingen, gehört zti den Freuden, die unsere Disziplin ihren Jüngern, zu den Überraschungen, die sie dem Laien bereitet. So wurde im Jahre 1958 von Arbeitskräften bei Grabungs arbeiten auf der Ruine Schatinberg ein Sandsteinkopf entdeckt, der unseren Überblick würdig beschließen mag. Nahe der alten Burgkapelle zutage getreten, wird das Fragment wohl zu der Statue einer weiblichen Heiligen, vielleicht einer Madonnenfigur oder einer Verkün digungsmaria, gehört haben. Das grobkörnige Material, der volkstümliche Habitus und die Ungewißheit über den ursprünglichen Aufstellungsort der Figur erschweren die zeitliche Einordnung erheblich. Daß der Kopf gegen über dem Körper leise geneigt war, läßt die Achsen verschiebung zwischen Hals und Antlitz eben noch ahnen; das warme, irdische Lächeln des kleinen Mundes, die zarte und spitze Nase zwischen den breitflächigen Wangen, die sehr hohe Stirn und die weitgewellten, nur um das Gesicht in kleine Schnörkel gelegten Haare schließen einen allzu frühen Ansatz aus. Eher wird man diesen Kopf dem Ende des 14. Jahrhunderts zuordnen dürfen, einer Zeit also, da von der Basis des um die Jahrhundertmitte erreichten Realismtis aus neuerlich eine gewisse Idealität angestrebt wurde. Ein verwandter Gesichtsschnitt begegnet in der wenig beachteten Gruppe einer Anna Selbdritt in Garsten, die sich — unbeschadet einiger späterer Veränderungen — der Zeit kurz vor 1400 zuweisen läßt; aber auch noch um 1430 treffen wir an dem Doppelgrab der Herleinsperger in der Spitalskirche zu Eferding auf eine verwandte Formensprache. Wie immer dem sei — auch ohne eine letzte Gewißheit über den Zeitpunkt seiner Entstehung bleibt der Schaunberger Kopf ein wertvolles Zeugnis bodenständiger Kunst. Schon diesseits jener Epoche entstanden, der diese Zeilen vor allem gewidmet waren, weist er auf die Fülle großartiger Leistungen voraus, die Oberösterreich in spätgotischer Zeit hervorbringen wird. Als eine der jüngsten Bereicherungen unserer Kenntnis heimatlicher Kunst mag er noch einige Jahre warten müssen, ehe ihm die Wissenschaft einen festen Platz zuweisen kann; doch dürfen wir uns heute schon an seinen kraftvollen Formen ebenso freuen wie an der liebenswürdigen Vertraulich keit, mit der uns sein Lächeln beschenkt. Es nimmt uns mit in das Geheimnis einer Zeit, die zwar in vielen Din gen ärmer war als die unsere, aber reich an jener gläu big in sich ruhenden Zuversicht, von der diese Lippen wortlos künden. Die Redaktion erlaubt sich darauf aufmerksam zu madten, daß vom Autor dieser Abhandlung ein Werk über die Florianer Sdtreihschule vorbereitet wird.

DR. BENNO ULM Die spätmittelalterliche Kunst in Oberösterreich Kunstgeographisch gesehen ist Oberösterreich wohl das vielgesichtigste Bundesland. Verschiedene Einflüsse von außen, teils direkt durch Ausstrahlungen anderer Kunst zentren, teils durch die Wirkung landfremder Meister, die sich hier seßhaft machen und Werkstätten gründen, prägen seine Kunst, fnnerhalb der Grenzen wirken die Bauhütten und Werkstätten der Städte und Klöster in einem engeren oder weiteren Umkreis. Dabei zeichnet sidi aber eine gewisse Vielschichtigkeit ab; es gibt zum Beispiel Gegenden, deren Baukunst von Burghausen her geprägt wird, deren Malerei von Salzburg aus bestimmt wird und deren Plastik wiederum Merkmale des Salz kammergutes zeigt. Trotz dieser Buntheit und Vielfalt ist die Kunst in Oberösterreich in ihren großen Zu sammenhängen noch kaum erforscht. Vlit der Material sammlung wurde noch nicht begonnen, und nur ge wisse Gebiete sind in ihrer Charakteristik erläßt worden; von diesen wird ausgegangen, um die großen Linien aufzuzeichnen. Die Kunstgeschichtsforschung selbst scheut sich fast im mer, minder cjualitätsvolles Material in den Bereich ihrer Betrachtungen zu ziehen. Es hat sich aber gezeigt, daß die Kenntnis der großen Meister, die Entwicklungslinien einer Werkstätte und deren Schicksal, und die Aufnahme neuer Stilnuancen an den Werken der schwächeren Meister oft viel klarer und eindeutiger erkannt werden können. Der Einfluß großer landfremder Kunstzentren ist im Verlaufe der Spätgotik nicht immer gleich stark und nicht immer in die gleichen Landschaften geflossen; die Befruchtung der oberösterreichischen Kunst wechselte im Verlaufe der Generationen in den einzelnen Kunst gattungen. Diese Vielschichtigkeit der Impulse kann heute erst erahnt werden; ein eindeutiger Beweis muß wegen der unbelriedigenden Forschungslage noch lange offen bleiben. Die Donau spielt in der Kunstgeographie eine ganz be deutende Rolle: Ulm als Ausgangspunkt der Donauschilfahrt sendet seine Kunst seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts; es ist aber noch nicht bewiesen, ob die „Schönen Madonnen" aus dieser Zeit von schwäbischen Bildschnitzern im Lande geschaffen wurden oder ob man sie auf dem Wasserwege einführte. Kurz vor 1500 wird der Name Gregor Erhalts in Zusammenhang mit der Frauensteiner Madonna und seinem Einfluß auf den Kefermarkter Altar genannt. Regensburg beschert dem Lande etwas später die Werke des großen Albrecht Altdorfer, welcher damit die Kunst der Endgotik des ganzen Donautales bestimmt. Daß der Stil der Passauer Kunst zu allen Zeiten besonders das flache Land stark formte, ist selbstverständlich. Der Sitz des Diözesanbischofs strahlt seine Kunst bis in die entfernteste Dorfkirche aus. Der Dombaumeister Jörg Windisch beginnt in den sechziger Jahren das Langhaus der Stadtpfarrkirche in Eferding, der unbekannte Meister des Kel'ermarkter Altares könnte aus Passau stammen. F)er Steinbildhauer Jörg Gärtner schuf zahlreiche prachtvolle figürliche Grabsteine. Bayerns Hauptstädte Landshut und Burghausen schick ten ihre ffauhütten nicht nur in das Innviertel; ihr Ein fluß reichte weit bis zum Hausruck und der Traun. Hans Stetheimer, Stephan Krumenauer und Hans Lang dörfer arbeiteten an den größten Kirchen des Landes Blick in die Pfarrkirche von Waldbur (Toto: Eiersebner) i Ii im

Braunau und Mondsee. Der Bildhauer Hans Leinberger bestimmte eine ganze Epoche mit seinem Stil. Der zweifellos bestehende Einfluß Salzburgs wird mit dem Namen Hans Valkenauer deutlich, der Grabsteine nach Oberösterreich lieferte. Die Tiroler Michael und Friedrich Fächer errichteten das Hauptwerk ihrer Zeit in St. Wollgang. Sie hatten wenig Einfluß auf die einheimische Kunst, ihre Werk statt lag zu weit entfernt von Oberösterreich. Einzig der Meister von Kefermarkt setzte sich mit Michael Fächers Schnitzkunst auseinander. Wie weit die Steiermark befruchtend auf die Werk stätte des sogenannten Lienhart Astl einwirkte, ist noch unklar. Vorher dürfte der Meister von Groß-Lobming die Kunst des weichen Stils berührt haben. Wien, Residenzstadt des Landesherrn und Sitz der Haupthütte, strahlte nur in der Baukunst in die Frovinz aus. Hans Fuchsbaum entwarf die Ffarrkirche von Steyr. Oberösterreichs Malerei und Flastik dagegen dürfte von Wien nur indirekte Anregungen erhalten haben. Es läßt sich das Gegenteil feststellen: die Kefermarkter Werk stätte wirkte nach Wien und Niederösterreich, dem Donaustrom folgend. Die böhmische Kunst zog seit der Mitte des 14. Jahr hunderts auch Oberösterreich in ihren Bann; besonders Farlers neue Architektur kam über Fassau und Bayern ins Land, nach den Hussitenkriegen auch direkt ins Mühlviertel. Die Endgotik schließlich empfing Vorlagen direkt aus Italien; Enns an der alten Eisenstraße dürfte das Zen trum einer renaissanceartigen Bildhauerei gewesen sein. Die Kenntnis aller Einflußströme ließe vermuten, daß Oberösterreich keine eigenständige Kunst hervorgebracht habe. Das speziell Oberösterreichische und die Land schaftskonstante lassen sich deutlicher aus den Werken der weniger berühmten Meister herauslesen. Diese saßen in den kleineren Städten, Märkten und in den Stiften und wurden von den großen Einflüssen berührt, ohne jedoch ihren Charakter deswegen aufzugeben. Für die Architekturgestalt ist die geologische Landschaft bestimmend. Der Granit der böhmischen Randgebirge wird im Mühlviertel und im nördlichen Inn- und Haus ruckviertel gebrochen. Das spröde Material ist für feine Arbeiten besonders gut verwendbar und es gibt in diesen Landstrichen hervorragende Meisterwerke, wie die Orgelemporen von Wartberg ob der Alst, Unterweißen bach und Fabneukirdien. Die Bauten sind fast durch wegs verputzt, nur die Ortsteine der tektonischen Kan ten, die Sockelprofile, Türgewände und Fensterleihungen zeigen den nackten Stein in fein behauenen Quadern und mit reichen Frofilierungen. Im Innenraum zeugen besonders die Gewölbe mit den Schlingrippen in Frei stadt, Zell bei Zellhol und Königswiesen vom hohen handwerklichen Können der Steinmetzen. Der Kalkstein der Alpengebiete prägt den Kirchenbau nicht so stark. Das Material ist weicher und ebenso wie der Sandstein weniger widerstandsfähig. Am Außenbau wurde er daher nur für verstäbte Fortale unter Elugdächern verwendet. Die Konglomerate und Tuffsteine eignen sich für kom plizierte Frofile und feine Bildhauerarbeiten wegen ihrer Grobkörnigkeit nicht. Aber dieses Material ist sehr widerstandsfähig und die zahlreichen Quaderbauten süd lich der Donau waren nie mit Mörtel verputzt. Sie wir ken in ihren dunklen Tönungen alt und ehrwürdig. Für die feineren Werkstücke wurde anderes Material verwen det und von fern herbeigeholt, wenn man nicht auf starke Frofilierungen verzichten wollte. Zum Beispiel bestehen im bayrischen Grenzgebiet und auch in der ehemaligen Stiftskirche in Mondsee die l^ippen, Maß werke und andere Architekturglieder aus Formziegeln, die in großen Ziegeleien auf Vorrat gearbeitet wurden. Daß diese Bauten trotzdem nicht uniform wirken, ist dem Können der Meister zu verdanken. Ziegelbauten gibt es in Oberösterreich nur wenige, so weit sich dies an verputzten Mauern feststellen läßt. Das Hauptwerk dieser Bautechnik ist die Stadtpfarrkirche in Braunau, und die Einflüsse von Landshut und Burg hausen werden auch durch die Verwendung des Back steins deutlich. Bisher sind wenige Namen einheimischer Meister be kanntgeworden, deren Bauwerke urkundlich genannt werden. In der Qualität der Arbeit, der Monumentali tät ihrer Raumauffassung und der entwicklungsgeschichtlichen Bedeutung stehen sie den landfremden Werkmeistern in keiner Weise nach. Stephan Wultinger aus Vöcklamarkt schuf eine ganze Reihe von Kirchen zu Ende des 15. und in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts. Sie sind durch einen besonderen Höhendrang ihrer Langhäuser charakterisiert. Wultinger strebte leichte, helle Räume an, bevorzugte die Zweischiffigkeit mit Rundpfeilern, die er um 1500 dem all gemeinen Stilempfinden nach mit Rautenmustern und Riefelungen zierte. Seine Gewölbe, mit Netzen und Sternen geschmückt, sind engmaschig und kompliziert gezeichnet. Einzig die Ffarrkirche von Zell am Fetten first war dreischiffig. Wie es in diesen Jahren und in dieser Landschaft sehr oft festgestellt werden kann, wur den die Ost-Ecken des Langhauses abgeschrägt; dadurch wird eine stärkere Vereinheitlichung des Grundrisses im Hinblick auf den Chor erreicht. Überdies fällt auf, daß in der gleichen Gegend oft die Langhauspfeiler in der Achse der Fenster liegen und die Gewölbe bei ein- und zweischiffigen Bauten gegeneinander verschoben wirken: die Rauten des Netzgewölbes sind im Zickzack gegen ständig angeordnet. Dadurch wurde aber kein dyna mischer Zug angestrebt, sondern die spielerische Leich tigkeit und der malerische Grundgehalt des Kirchen raumes sollen den Besucher verblüffen und gefangen nehmen. Aus dem Dunkel der Anonymität mittelalterlicher Kunst tauchen noch zwei Künstlernamen auf: Mathes Klayndl, Werkmeister der Stadt Freistadt, und sein Bruder Stephan, Werkmeister der Stadt Chur in Graubünden. Mathes schuf die Wahrzeichen Freistadts, das Linzer- und Böhmertor um 1485 und seit 1483 den Chor der Stadtpfarrkirclie. Dieses Werk hebt ihn über die große Zahl seiner zeitgleichen Elüttengenossen heraus. Benedikt Ried baute in den gleichen Jahren den Wladislaw-Saal der Frager Burg und die Reiterstiege. Die Kunst Benedikts Pfarrkirdie Hallsiatl, Schreinfigur der hl. Barbara im spätgotischen Plügelaltar (Foto: Eiersebner)

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und Mathes' muß aus einer gemeinsamen Wurzel stam men; der Lehrer der beiden Meister ist bis jetzt un bekannt geblieben. Im Freistädter Chor durchstäben sich geschwungene Rippenzüge, die nicht in reinen Kreisformen, sondern in Kreissegmenten geführt werden. Gleich Stahlschienen, propellerartig in sich verdreht, in verschiedenen Ebenen geführt und verstrickt, werden die dynamischen Rippen bahnen gebogen. Das Gewölbe wurde eigens für diese Rippenverschlingungen konstruiert. Bisher hat es nur die Würdigung des Kunsthistorikers, aber nicht die Be rechnung eines Statikers erfahren. Mathes hat eine zahl reiche Nachfolgerschaft ausgebildet. Die Westempore in Zell verwendet diese Schlingrippen und gemäß der Stil entfaltung in den zeitgleichen figürlichen Künsten wird das Langhaus von Ikönigswiesen von einem kleinteiligen Schlinggewölbe übersponnen. Hier ist die handwerkliche Sauberkeit dem verwirrenden Reichtum zum Opfer ge fallen. Mathes' Bruder Stephan wurde nach dem Brande von Chur Werkmeister dieser Stadt und im Gegensatz zu Mathes hat er viele Kirchen mit seinem Meister zeichen versehen und mit seinem Namen bezeichnet. Die Kunsttopographie der Schweiz würdigt seine Arbeit: er sei der Schrittmacher einer ganzen großen Baubewegung, mit seinem Auftreten erst beginne in Graubünden eine präzise gotische Wölbetechnik mit geometrisch genauen Systemen und sauber zugerichteten Werkstücken. Seine architektonische Sprache aber wäre so geartet gewesen, daß sie im Empfinden des Volkes eine gleichgestimmte Saite traf. Oberösterreichs Architektur erhielt also nicht nur Im pulse von außen, sondern seine Meister wurden auch in weitentfernte Gegenden berufen und gaben so Zeugnis von der hohen Kunstblüte ihrer Heimat. In den Kirchen des Landes befinden sich heute noch ungefähr 150 Madonnenstatuen; der größte Teil von ihnen wurde am Anfang des 15. Jahrhunderts geschaffen. Die nächste Epoche bis zur Mitte des Jahrhunderts ist realistisch und bevorzugt Darstellungen Ghristi in seinem Leiden. Die große Zeit in der Schnitzkunst erlebt Oberösterreich aber erst im letzten Jahrhundert-Viertel. Die Altäre von St. Wolfgang und Kefermarkt gehören zu den größten des deutschen Volkes. Eigenartig ist die Verflechtung die ser Werke: der Kefermarkter Meister arbeitete in Krakau bei Veit Stoß am Marienaltar und studierte nach seiner Rückkehr Bachers Wolfgangaltar. Aus der Syntiiese die ser fränkischen und Tiroler Komponente auf der Grund lage des Donauländischen entstand das Meisterwerk von Kefermarkt. Während der Arbeit am Altare kamen neue Meister, welche eine neue Stilkomponente einführten. Der Schwabe Gregor Erhart verkörperte in der Zeit um 1500 das Ruhige und Märchenhafte dieses Stiles. Die Werkstatt blieb bis zum Ende der Gotik um 1530 be stehen. Jeder Meister verwendete aber in seinem Schaffen nur eine bestimmte Art des großen Kefermarkters. Diese Tendenzen sind über den allgemeinen Stilwandel hinaus festzustellen. Schon 1503 arbeitet der Meister der Schlägler Flügel reliefs mit der Komponente der Kefermarkter Werkstatt, I J|M I I ■ " J : -x.- tV. i^ ir ■ •fC- :s -Zä • .Ja, ^ •tf." U - ™ -X ßC. „ „ Q ,■ 11^ ' -0, ■ 10

k: die am Altar besonders an den evangelienseitigen Reliefs deutlich wird. Die Konturen der Gestalten werden weicher, der Ausdruck unbestimmt und verschwommen und der Schnitt läßt die Härte vermissen. Bei den Schlägier Reliefs wird diese Richtung 7,um alleinigen Gestaltungsmittel erhoben. Teigig weich verfließende Tafeln gehen aus dieser Werkstatt bis zum Ende des Mittelalters in großer Zahl hervor. Die Flügel der Altäre in Waldburg und St. Michael ob Rauhenödt zeugen für diese Richtung, die wohl aus dem Einfluß der schwä bischen Werkstatt Gregor Erhalts abzuleiten ist. Eine Gruppe von Flachreliefs, die das erzählende Moment der Heiligenlegenden bevorzugt, bemächtigt sich der gleichen Tendenzen. Sie sind mit der zeitgieichen Erzählkunst der Donauschul-Malerei zu vergleichen. Der ehemalige Hochaltar von St. Leonhard von 1509 ver wendet sehr bald die weichen Schüsselfalten der Richttung Leinbergers. Am Waldburger Hochaltar tritt diese Gestaltungsweise zum letzten Male auf; hier sind aber alle Gewandsäume manieristisch zerbogen und die Falten wülste geknittert. Eine expressive Steigerung, ähnlich der Ekstase des Hoch altares in Zwettl, führt zu Arbeiten, wie dem Preclellenrelief der Marienkrönung von St. Michael. Grundlage bildet auch hier die Werkstatt des Kefermarkter Haupt meisters in seinen Übersteigerungen der menschlichen Bewegung und der Überbetonung spätgotischer Gestal tungsweisen, zum Beispiel der ausdrucksvollen Hände. Schließlich ist noch auf das Fortleben des spätgotischen Gewandstiles aufmerksam zu machen. Diese starken Knitterungen, die wie ein feines Geriesel das Gewand be leben, verwendet noch sehr spät der Meister der Rauhenödter Steinfiguren. Aber auch hier sind alle Gewand säume wie in Waldburg manieristisch bewegt. Wie tief die Werkstatt sinken konnte, beweist der linke Seitenaltar in Waldburg. Sein Meister verstand das Vor bild des Werkstattgründers nicht mehr; die Faltenknitterungen sind als sinnloses Ornament auf den körperlich festen Kern der Gestalten aufgelegt. Mit dieser Überschau wäre das Werk des großen Keferinarkters noch nicht skizziert, wollte man seine Aus strahlungen nach Südböhmen (Muttergottes von Gojau), nach Wien (Ölbergrelief an der Michaeierkirche) und nach Niederösterreich (Maria-Laach am Jauerling und Herzogenburger Marientod, vielleicht die Wiener Neu städter Apostel) nicht andeuten. Wie weit Mauer bei Melk und Zwettl von ihm befruchtet wurden, ist noch lange nicht geklärt. In diesem längeren Überblick über die Werkstatt wird ein ganz neues Bild der y\uswirkung und Reichweite eines großen Meisters der Spätgotik vermittelt. Eine zweite Werkstatt mit sehr ausgeprägten Formen hatte sich wahrscheinlich im Salzkammergut nieder gelassen. Sie wird immer mit dem Namen Lienhart Astl in Zusammenhang gebracht. Es scheint, daß die Gesellen sich dem Hauptmeister fast bedingungslos unterordneten, was das Psychologische und Ikonographische betrifft. In der Darstellung des Gewandes itlieb ihnen jedoch eine gewisse Freiheit. So kommt es, daß in diesem Kreise Werke von verschiedenster Qualität mit dem Notnamen Lienhart Astl bezeichnet werden. Von der Steinplastik der Grabmäler ist vergleichsweise viel mehr erhalten. Hier ließe sich, wie bei der Bearbei tung der Marienstandbilder, ein großer Überblick über das Kunstschaffen in Oberösterreich gewinnen. Die Land schaftskonstante zu erarbeiten, wäre eine der vor nehmsten Aid'gaben der Kunstforschung. Neben den aus wärtigen Meistern Jörg Gärtner und Hans Valkenauer tritt besonders das Werk des Ennser Meisters Andreas Kärling hervor. Er arbeitete um 1520. Seine Formen sprache ist verhältnismäßig derb, die Darstellungen auf den Grabsteinen — wobei er besonders die Passion bevor zugt — aber sind realistisch und von einer tiefen inneren Anteilnahme. Als sein Hauptwerk muß ein Bogenfeld11

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relief aus dem Kloster Baumgartenberg angesehen wer den, das das Oberösterreichische Landesmuseum ver wahrt. Andere bedeutende Grabsteine der Spätgotik haben sich in Braunau, Reichersberg, Hellmonsödt und St. Anna in Steinbruch erhalten. An ihnen lassen sich die ver schiedenartigsten Studien über den Wandel der Tracht, der Rüstung, der Schrift anstellen und der Heraldiker findet in ihnen ein unerschöpfliches Forschungsgebiet. An anderen Steinbildwerken sei besonders der Allerheiligentaltar in Altmünster hervorgehoben, der in den großen Kreis der Altäre von Kefermarkt, Zwettl und Mauer hineingehört. Ein beliebtes Material war zu allen Zeiten der vom Bild hauer selbst hergestellte Kunststein. Verschiedentlich wurden aus ihm die „Schönen Madonnen" und die Vesperbilder hergestellt. Diese Art von Plastik dürfte aber aus Salzburg oder Böhmen importiert worden sein. Über die Malerei des Landes kann noch keine wissen schaftliche Aussage gemacht werden, Teilergebnisse müssen an die Stelle eines Gesamtüberblickes treten. Im Herbst 1959 wurden in der ehemaligen Wenzelskirche in Wartberg ob der Aist Grabungen durchgeführt. Ihr Ergebnis brachte wenig Neues für die frühe Bau geschichte, jedoch stellte es die Kunst im Mühlviertel für die Zeit der ersten Jahrhunderthälfte auf eine ge sicherte Basis. In den Hussitenkriegen war die roma nische Kirche zerstört worden und man erbaute vor der Mitte des Jahrhunderts eine gotische Kirche. Von dieser ist noch der Chor erhalten, in welchem sich Reste eines Freskos befinden. War Ghor und Fresko bisher in das Ende des 14. Jahrhunderts datiert worden, so nötigen jetzt die klaren Grabungsergebnisse zu einer allgemeinen Korrektur in der Zeitstellung der Malerei, Plastik und Baukunst. Es steht jetzt fest, daß diese Künste altertüm lich bis zur Jahrhundermitte weiterlebten. In Zukunft ist bei jedem Einzelfall zu untersuchen (zum Beispiel bei den Resten der Glasmalerei in Saxen und St. Mar tin i. M.), ob eine bisherige Datierung „um 1420" jetzt nicht „um 1440" heißen muß. Wie in der Plastik beginnt der breite Strom der Werke erst nach 1470 zu fließen, um nach 1500 eine noch un vorstellbare Dichte zu erreichen. Die Stiftsammlungen gotischer Tafeln in St. Florian und Kremsmünster, welche wohl hauptsächlich Werke aus ihren Stiftspfarren aufbewahren, sind in Form und Farbe, in Stil und Auf fassung verschieden, ohne daß vorläufig noch eine klarere Unterscheidung gegeben werden kann. Michael und Friedrich Pachers Tafeln in St. Wolfgang und Albrecht Altdorfers Altar in St. Florian bedeuten einsame Höhepunkte der oberösterreichischen Malerei. Während aber die Pacher keine große Auswirkung auf die Werkstätten des Landes gehabt haben dürften — so weit sich das heute feststellen läßt —, wurde Altdorfers Donauschule zwar zuerst nur zögernd, dann aber gegen Ende der Gotik überall aufgenommen. Dabei lassen sich ähnliche Auswahlen von künstlerischen Einzelzügen in den verschiedenen Werkstätten und bei verschiedenen Meistern aufzeigen wie in der Kefermarkter Werkstatt. In das Mühlviertel und das Alpenvorland drang die Donauschule nur sehr zögernd vor. Schon sehr reich mit Anwendung dieser Renaissanceelementen und dem schweren Schmuck des Manierismus zersetzt, tritt sie uns an den Tafeln der Altäre der späten Kefermarkter Werkstatt entgegen. Aber auch hier sind die Hauptmeister reservierter in der Auf nahme dieses neuen Stiles, während die minderen Künst ler ihr Nichtkönnen hinter der neuen Ausdrucksmittel zu verbergen suchen. Dieser knappe Überblick deckt erschreckend deutlich auf, wie wenig von der Kunst Oberösterreichs und ihren Zu sammenhängen bekannt ist. Österreichs Kunsthistoriker erforschten die italienische Kunst, beschäftigten sich mit den niederländischen Malern des 17. Jahrhunderts und vergaßen, daß sie durch die Nichtbeachtung der hei mischen Meister die Kenntnis der Seele und der Fröm migkeit des eigenen Volkes unterschlagen. Besser als die Kunst des Barock ist die Gotik geeignet, die Landschafts konstante Oberösterreichs und seiner Viertel zu zeichnen. Der Reichtum an Denkmälern, die Qualität vieler Werke, die Vielfalt der fremden Einflüsse und der eigenen Unterströme lassen es vordringlich erscheinen, daß diese Arbeit aufgenommen wird. 13

* Abb. auf Seite 10: Historische Ansicht der Schaunberg bei Eferding als inter essante Dokumentation mittelalterlichen Burgenbaus Abb. auf Seite 11: Gegenüberstellung der großartigen gotischen Gewölbe im Lang haus der Pfarrkirche Königswiesen (links) und im Chor der Stadtpfarrkirche von Freistadt (rechts) Abb. auf Seite 12: Detail aus den Tafelbildern von Wartberg an der Krems, datiert um 1470 Abb. auf Seite 13: Südliclus Doppelportal der Stadtpfarrkirche Eferding aus 1468 bis 1471 mit den Bildwerken St. Hippolyt, Muttergottes mit Stiflerfigur, St. Egidius Abb. auf Seite 14: Detail von den Fresken aus 1512 in der Gruß der Prager von Pragthal in der Filialkirche Altenburg, BH. Perg Die Aufnahmen wurden so ausgewählt, daß von jedem Thema ein typisches, weniger bekanntes Beispiel gezeigt wird (Sämtliche Fotos: Eiersebner) NORBERT WIBIRAL Neuentdeckte Malereien der Reformationszeit in der Pfarrkirche von Frankenmarkt FOTOS: ERICH WIDDER Im Jahre 1959 wurden anläßlich der Gesamtinstandsetzung der Pfarrkirche von Ph-ankenmarkt durch den Pfarrherrn fosef Hintersteininger Fresken des 16. Jahrhunderts entdeckt. Ihre Freilegung und Restaurierung durch J. Ghezzi zeigte, daß es sich hier um einen sowohl kunstgeschichtlich als auch ikonographisch wichtigen Bestand han delt, der sich über vier Jochfelder der Nordwand des Presbyteriums erstreckt. Das erste VVandfeld rechts vom Triumph bogen ist den Zebn Geboten gewidmet. Oben im Bogenzwickel Gott in Flalbfigur über Wolken, wie er dem Moses die Ge setzestafel übergibt. Der Religionsstifter nimmt sie stehend in Empfang, sein ro ter Mantel ist vom Sturmwind der Er scheinung des Herrn heftig bewegt. Der Kopf ist „gehörnt" zufolge der Aus legung der Vulgala, welclte die Exoditsstelle (34, 29—30) über sein durch die Unterredung mit Gott auf dem Berge Sinai strahlendes .-\ntlitz mit facics cornuia übersetzt'. Darunter werden die Gebote in zehn Szenen, deren Rechteckfelder voneinan der durch schwärzliche Streifen getrennt sind, illustriert. In letzteren ist die deutsche Beschriftung der jeweils dar über befindlichen Gegenstände teilweise noch erhalten, was im Verein mit den Darstellungen eine weitgehend sicherj Deutung gestattet. Sie sind in zwei Reihen von oben nach unten zu lesen. Linke Reihe: Du sollst keine anderen Götter mir zum Trotz haben (Exod. 20, 3; Detu. 5, 7): Zwei Frauen knien verehrend vor dem Goldenen Kalb (Exod. 32, 1—6); und versinnbildlichen damit die dem Gebot zuwiderlaufende GötzenVerehrung. Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes nicht mißbrauchen (Exod. 20, 7: Deut. 5, 11): Ein Mann eilt von rechts mit geschwungener Keule auf eine wahr scheinlich um einen Tisch versammelte Zcchcrgruppe zu (sehr schlecht erhalten). Offenbar sind damit, wie z. B. auf dem Glasgemälde im Chore des Münsters zu Thann i. E. (um 1420)^, Flueher uiuh Raufer an einem Schenktisch gemeint. Gedenke des Sabbailages, daß du ihn heiligest (Exod. 20, 8; Deut. 5, 12): Während der Priester in der Kirche des Sonntags die Mes,se liest, arbeitet der vom Teufel Beses.sene auf dem Felde. Ehre deinen Vater und. deine Mutter (Exod. 20, 12; Deut. 5, 16): Sohn und Tochter schlagen ihre am Boden liegen den Eltern. Du sollst nicht löten (Exod. 20, 13; Deut. 5, 17): Zwei Wegelagerer, von deren Köpfen die böse Spinne Besitz er greift, ermorden mit Speer und Schwert einen bereits am Boden liegenden Mann. (Abb. 2). Rechte Reihe: Du sollst nicht ehebrechen (Exod. 20, 14; Deut. 5, 18): Männer mit Dirne (Abb. 1, links oben). Du sollst nicht stehlen (Exod. 20, 15; Deut. 5, 19): Die stark beschädigte Szene zeigt rechts ein Haus, links davon die Beine einer offenbar liegenden Gestalt, wahrscheinlich des sich herannahenden Diebes (Abb. 1, links, 2. Bild von oben). Du sollst gegen deinen Nächsten kein falsches Zeugnis abgeben (Exod. 20, 16; Deut. 5, 20): Um den mit Barett und Stab gekennzeichneten thronenden Rich14

ter gruppieren sich links der betroffene Angeklagte, rechts der einen Meineid schwörende K.läger, dem der schwarzgewandete Satan den bösen Gedanken — in Form eines Teufelchens, von ffaupt zu ffaupt springend — zuflüstert. (Abb. I. links, 3. Bild von oben; Abb. 3). Du sollst nicht begehren das Weib deines Nächsten (Excel. 20, 17; Deut. 5, 21): Mann und Weib in dem vom Dämon inspirierten Liebe.szwiegespräch vor einem Tor, hinter dem man den bärtigen rechtmäßigen Gatten kauern sieht (Ab bildung 1, links, 4. Bild von oben). Du sollst nicht begehren, was Deinem Nächsten gehört (Exod. 20, 17; Deut. 5, 21): Der Reiche sitzt vor seinem ffause am Tisch und zählt das Geld, während zwei hinzukommende Räuber sich an- .schicken, ihn zu überfallen (Abb. 1, links, 5. Bild von oben; Abb. 4). Die Darstellungen zeigen im Sinne des Bibeltextes, der bei der überwiegenden Mehrzahl der Gebote Verbote ausspricht, gerade die sündhaften Taten in offenbar abschreckender und moralisierender Ab sicht. Der Rolle des Dämons begegnen wir dabei schon im Dekalog des ffeidelherger Blockhuches um 1450, wo durch die Gegenüberstellung zu den Ermah nungen des Engels eine in Frankenmarkt fehlende Dramatisierung des Darstellungsgehaltes erreicht wird». Illustra tionen dieser Art gibt es seit dem 15. Jahrhundert im Zusammenhang mit den schriftlichen Abhandlungen über den Gegenstand zum Zwecke der Beichtci. In Österreich sind uns lediglich die bäuerlich-derben, 1516 entstandenen Fresken an der äußeren Südwand der I'ilialkirche St. Thomas zu Werschling in Kärnten bekannt». Unterhalb dieses Feldes sind zwei teil weise von Schriftbändern gerahmte, nimbierte und stark zerstörte Apostelhalbfiguren auszunehmen: die linke mit einem nicht genau ausnehmbaren Attribut (Kelch?); die rechte mit Stab. Die Inschriften anf den Bändern lauten: linker Apostel (Johannes?): Und in ihm cristu in sein aingeporen s(on)? unsren heren; bei dem rechten Apostel, der durch das Pilgerstabfragment als Jakobäus d. Ä.« erkannt werden kann: (der etnpf)angen ist von dem heiligen geist gepore aus maria der iunchfrau. Es handelt sich somit um den Rest einer Darstellung der Apostel als Schöpfer des Gredo, wie sie bereits im pseudoaugustinischen Sermo des 6. Jahrhunderts textlich vorgebildet isU. Danach sollen die Zwölfboten vor ihrer Trennung je einen Glaubenssatz ausgesprochen haben, deren Aneinanderreihung das Credo er- .h \ . • f i' " • 1 if s0 Ahh. 1 gab. Die Zuordnung der Glaubenssätze zu den einzelnen Aposteln war in der Kunst nicht starr und .so sehen wir auch in unserem Fall, daß sie bei Jakobus d. Ä. dem gebräuchlichen Schema ent spricht, bei Johannes hingegen ab weiche — falls das Attribut dieser Figur nicht doch ein schrägbalkiges Kreuz ist und .somit Andreas gemeint sein sollte. Man wird annehmen können, daß diese Apostelclarstellungen an der Stelle der sonst üblichen Konsekrationskreuze im Presbyterium angebracht worden sind und möglicherweise mit der Chorweihe der spätgotischen Kirche zusammengehen. Jedenfalls müssen sie zeitlich vor dem Dekalogzyklus liegen, da die Nimben von seinem unteren Rand beschnitten wer den. Wir haben hier wohl eine Parallele zu den 1955 aufgefundenen Apostel medaillons im Chor der Pfarrkirche von St. Wolfgang vor uns und können die Fortsetzung einer in Österreich auch im 14. Jahrhundert gepflogenen ikonographischen Tradition feststellen^. Zwischen den Apostelbildern befindet sich, teilweise kaum leserlich, eine später eingefügte datierte Namensinschrift: '7 5 S3 Hans (von) Steyr Hans (von) Reichenbach (Wolff? von) Franckenrnarckth 15

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