Oberösterreich, 10. Jahrgang, Heft 3/4, 1960

Art auszubauen. Neben größeren Hoch= schulen sind unter anderem auch in den USA zahlreiche kleinere Hochschulen und Forschungsinstitute dieses Ordens besonders stark auf naturwissenschaft= liehe Fächer eingestellt. Hieraus wird es verständlich, daß „Fa= ther Roser", der bald als Professor und Experte der Strahlenforschung auch in den USA Anerkennung fand, schließlich überall „mit dabei war", wenn es galt, sein Fachgebiet berührende wichtige For= schungsarbeiten durchzuführen. Auf den sturmumwehten Gipfeln der boliviani= sehen Anden sowie in den tiefsten Berg= werken der Erde in Brasilien verfolgten seine subtilen Meßgeräte die kosmische Strahlung. Er sandte die erstmalig am Wiener Radiuminstitut verwendeten und in Amerika weiter verfeinerten Kern= spur=Emulsionsplatten mit Raketen, Ballons und Drachenkombinationen in die Strato= und Ionosphäre, um mit seinen „fliegenden Labors", welche die Meßergebnisse drahtlos zu den Bo= denstationen senden, den radioaktiven Gehalt der die Erde umkreisenden Staubwolken nach Atombomben=Explo= sionen zu analysieren. Er arbeitete in San Franzisko, in der kalifornischen Stanford=Universität am gewaltigen „Li= near=Beschleuniger", am Reaktor in Chi= kago,in Kanada,in den von der Außen= weit hermetisch abgeschlossenen Labora= torien der berühmten Kernbrennstoffe werke von Oak=Ridge, wo er das soge= nannte „Diplom" erwarb, und überall galt sein fdauptinteresse den so ent= scheidend wichtigen Fragen des Strah= lenschutzes, um die Menschen vor Ver= brennungen und sonstigen vielfach mit dem Tode endenden Schädigungen zu bewahren. Nach Viktor Hess ist der große brasi= lianische Strahlenforscher Professor Dr. Cesare Lattes, welcher zugleich mit Powell und Occhialini in der kosmischen Strahlung in großen Höhen die Pi=Me= sonen entdeckte, der zweite Nobelpreis^ träger gewesen, mit dem Father Roser jahrelang in San Franzisko experimen= tierte. Der dritte war der Nobelpreis= träger Professor Dr. Felix Bloch, ein Schweizer, welcher in der Stanford=Uni= versität den vorerwähnten gewaltigen Linear=Beschleuniger baute, um Atom= kerne, die von dieser 1,2 km langen Elektronen=Kanone beschossen werden, mit Hilfe von Elektronen=Beugungsbil= dem auszuloten. Wir müssen bedenken, daß im Innenraum eines Atomkerns in Bruchteilen eines Hunderttausendstels eines Zehnmillionstel Millimeters gemes= sen wird, wobei die eingeschossenen Elektronen mit einer Energie von 1 Mil= liarde Elektronenvolt versehen werden. Professor Rosers Augen leuchten auch freudig auf, wenn er von seinen Jahren bei dem 1954 verstorbenen Nobelpreis= träger Professor Dr. Enrico Fermi begei= Stert erzählt, der ihn in Chikago in die hohe Schule der Geheimnisse der Kern= kraft=Reaktortechnik einführte und dem er ein dankbares Andenken bewahrt. Übrigens — Professor Roser spricht am liebsten nicht von sich selbst, aber um so mehr von seinen verehrten Lehrern. Die Frage nach seinen zahlreichen Ma= nuskripten, Tabellenbänden, Aufsätzen in Fachzeitschriften und größeren Wer= ken der Fachliteratur sowie in vielen UNO=Berichten niedergelegten Arbeiten, welche bereits eine kleine Handbiblio= thek füllen, bringt ihn in Verlegenheit. Er legt nicht den mindesten Wert dar= auf, daß man seine Arbeiten als „Ge= sammelte Werke" herausgibt. Es wider= spricht seinem Temperament, sein schriftlich niedergelegtes Lebenswerk zu ordnen, zu sichten, zu überarbeiten. „Nein", — meint er lächelnd, — „dazu habe ich keine Zeit, ich muß doch immer herumfahren." — An dieses „Herumfahren" hat er sich schon gewöhnt — im Düsenflugzeug, im Zug, per Schiff, von Hochschule zu Hochschule, von Institut zu Institut, aus dem heißen Süden Brasiliens in die Kälte der Bergstationen, dann hinauf nach New York, wo er kürzlich Warn= anlagen eines Flugplatzes mit strahlen= den Gräsern im Handgepäck auslöste und die Polizei zur Verzweiflung brachte, bis der verschmitzt lächelnde Gelehrte auf höhere Weisung wieder freigelassen wurde. Dann geht es wieder nach Kali= fornien, nach Genf, nach England und zurück in seine brasilianische zweite Heimat. Er war überglücklich, als er Anfang Ok= tober d, J. einen einzigen Tag lang sein geliebtes St. Martin wiedersehen durfte. Vor 9 Jahren ist er nur ganz kurz in Linz und 1938 das letzte Mal im Mühl= viertel gewesen. Professor Dr. Hans Hohn, der wissen= schaftliche Direktor der Linzer Stickstoffe werke und Wiener Hochschullehrer, hat in seinen tiefschürfenden einleitenden Worten zu Professor Rosers Vortrag am 7. Oktober d. J. mit Recht darauf hinge= wiesen, wie wichtig es sei, daß in unse= rer Zeit gerade in der Person Pater Ro= sers nicht nur ein hervorragender Ge= lehrter, sondern auch ein Priester im Rahmen der Atomenergie=Kommission der UNO in einer einflußreichen Steh lung tätig ist. In unserer von den Dämonien der Atombombe so verwirrten Zeit der gro= ßen Spannungen zwischen politischen Machtblöcken kommt es mehr denn je darauf an, immer wieder auf die große Verantwortung hinzuweisen, welche mit der Nutzung der gewaltigen Energien im Innern der Atomkerne verbunden ist. Daß diese Kräfte zum Segen der Menschheit werden können, wird derzeit unter Mitwirkung von Professor Pater Roser in großzügiger Weise durch den Bau von acht Atomkraftwerken im ln= neren Brasiliens, von denen das erste in zirka zwei Jahren in Betrieb geht, un= ter Beweis gestellt. Um diese Atom= kraftwerke werden neue Städte entste= hen mit Millionen neuen Arbeitsplätzen für die rasch wachsende Bevölkerung dieses Staates, der für das Jahr 2000 mit 200 Millionen Einwohnern rechnen muß. Ohne Atomkraft zur Stromerzeugung wären diese Aufgaben nicht zu bewäl= tigen, da Brasilien über keine Kohle und nur über etwa 40 Prozent des Bedarfes deckende Wasserkräfte verfügt. Die Forschungsarbeiten auf dem Gebiete des Strahlenschutzes sind in aller Welt, besonders aber in Brasilien bereits weit vorangetrieben worden und ergaben wichtige Grundlagen für praktische Schutzmaßnahmen. Immer wieder sieht sich die Forschung jedoch vor neue Rät= sei gestellt. Beispielsweise wurden durch Messungen des Arbeitsteams von Pro= fessor Roser im Westen des Hochlandes von Minas Gerais, dessen Zentrum die neue Bundeshauptstadt „Brasilia" ist, mit Geigerzählern in der Umgebung von gewaltigen Uran= und Thoriumlagerstät= ten in als Weideland dienenden erlo= schenen Kratern aus dem Mesozoikum sehr hohe, „natürlich radioaktive" Strah= lungswerte festgestellt, die jedoch an= scheinend auf die Bergbewohner der Nachbargebiete keinerlei schädigende Wirkungen ausüben. Diese Berghirten werden angeblich sogar älter als andere Menschen und sind anscheinend völlig gesund, so daß eine Reihe von Fragen bezüglich der vielleicht ererbten Im= munität gegen radioaktive Strahlenein= flüsse und denkbare positiv=selektorische Auswirkungen solcher natürlicher Strah= lungen auf die Mutationen im Erbgang derzeit zur Diskussion stehen und wohl erst nach Jahrzehnten geklärt werden können. Über diese Fragen hat sich Prof. Roser vor kurzem mit der österreichi= sehen Forschergruppe in Badgastein aus= gesprochen. Die Atomkraft ist nach den Worten von Prof. P. Roser, ebenso wie die Elektrizi= tät und die Schwerkraft, ein „Geschenk des Schöpfers des Universums" an uns Menschen. An uns allen liege es, sie zum Segen und nicht zum Verderben der Menschen nutzbar zu gestalten. „Wir müssen uns dieser Gottesgabe würdig erweisen ..." In diesem Sinne sieht Prof. P. Roser als Priester und Forscher seine Lebensauf= gäbe vor allem darin, die Segen, aber auch Vernichtung bringen könnenden radioaktiven Strahlungen, denen er sich selbst so oft, ohne Rücksicht auf seine Gesundheit, als Pionier der Naturwissen= Schäften aussetzt, auf das genaueste zu studieren, ihre Geheimnisse zu ergrün= den und damit die Menschheit immer mehr von einer schweren Last — der „Angst vor dem Atomzeitalter" — zu befreien. Als Priester ist es ihm bewußt, daß er nur dann auf Erfolge seiner Mü= hen hoffen darf, wenn er selbst immer hinter seinem Werk zurücktritt und der grundgütige, bescheidene, stets helfende und ratende „Vater Roser" bleibt, als den ihn so viele Menschen in drei Erd= teilen in den letzten Jahrzehnten kennen= und schätzengelernt haben. E. M. 61

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