Zehn Jahre Paracelsus-Institut Bad Hall Vom Lande Oberösterreich ins Leben gerufen, stellte sich das Paracelsus=Institut Bad Hall, knapp zwei Jahre alt, im Sommer= heft 1952 den Lesern dieser Zeitschrift vor. Professor Lieb, Vorstand des Medizinisch=Chemischen Instituts und Pregl=Labora= toriums der Universität Graz, der es übernommen hatte, sein Fachgebiet auch im Paracelsus=Institut zu betreuen, führte damals in dessen Aufgabe und Entwicklung ein. Bald nach Gründung der Chemischen Abteilung hatten unter Professor Brücke, Vorstand des Pharmakologischen Instituts der Universität Wien, und Pro= fessor L a u d a, Vorstand der I. Medizinischen Universitätsklinik Wien, die Abteilungen für Physiologie und Innere Medizin den wissenschaftlichen und klinischen Betrieb aufgenommen. Im Be= streben, die Wirkungen der Bad=HalIer Sole auf das Auge noch besonders zu studieren, kam es Anfang 1953 zur Errichtung einer Augenabteilung, die Professor P i 11 a t, Vorstand der 1. Univer= sitäts=Augenklinik Wien, übernahm. Seither arbeiten diese vier Abteilungen in Bindung an ihre Hochschulinstitute und Kliniken gemeinsam an der Erforschung des Heilwertes der Bad=Haller Sole. Eine moderne apparative Ausstattung für die wissenschaftliche Tätigkeit, die klinische Diagnostik und eine umfassende Therapie, zweckmäßige Laboratorien und neuerbaute Räume für die Unter= bringung und Behandlung der Patienten schafften die äußeren Voraussetzungen dazu. Daß Bad Hall eine solche aus reinem Idealismus von LehrkanzeU inhabern der Universitäten betreute Forschungsstelle bekam, ver= dankt es aber nicht allein den ausgezeichneten Ärbeitsmöglich= keiten, die das Land Oberösterreich der Wissenschaft hier geboten hat, sondern vor allem dem medizinischen Interesse an dem be= deutsamen Wirkstoff seiner Sole, dem Jod. Dieses 1811 entdeckte und bereits 1823 in der Bad=Haller Sole nachgewiesene Element hat schon seit Jahrtausenden, in der Asche von Seetang und Meeresschwämmen verborgen, den Menschen der verschiedenen Erdteile als Heilmittel gedient. So gehörte auch die 777 geschicht= lieh erwähnte Tassiloquelle, längst bevor sich auf Grund ihrer Bedeutung der Kurort Bad Hall entwickelte, zu jenen eigentüm= liehen Stätten, die von Leidenden gewissermaßen aus Instinkt aufgesucht werden. Brote, mit Salz und Wasser dieser Quelle bereitet, gelangten wegen ihrer kropfverhütenden und kropf= heilenden Wirkung als sogenannte Kropfwecken bis weit in die Gegenden der Steiermark. Dem Wandel in der medizinischen Bedeutung der Krankheiten entsprechend, wurden in Bad Hall zur Zeit der Gründung des Instituts kurmäßig zwar kaum mehr Schilddrüsenvergrößerungen und nur fallweise die wenige Jahr= zehnte zuvor noch so maßgeblichen spezifischen Entzündungen behandelt, statt dessen aber vor allem die sich immer stärker verbreitenden Zivilisationsschäden des Kreislaufes und bestimmte Augenerkrankungen. Praktische Zielsetzungen veranlaßten das Paracelsus=Institut vom Beginn seiner Tätigkeit an, Zweck= und Grundlagenforschung eng zu verbinden. Für die experimentelle und klinische Untersuchung des Jodstoffwechsels bedeutet es einen wesentlichen Fortschritt, als mit Erarbeitung eines mikrochemischen Verfahrens die kleinen Mengen an Hormonjod, die in einem Tausendstelliter Blut enthaU ten sind, zahlenmäßig genau bestimmbar wurden. So bedienen sich auch viele Kliniken bereits dieser neuen Methode. Für das Studium der Aufnahme des Jods in den menschlichen Körper durch Haut, Schleimhäute und die Hornhaut des Auges bei den verschiedenen Anwendungen der Jodsole in Form der Bäder, Packungen, lontophoresen und Versprühungen wurde die hierfür besonders geeignete Technik der Radiojodmarkierung mit Impuls= Zählung und Autoradiographie eingesetzt, wobei die auffällig hohe Durchlässigkeit der Hornhaut des Auges hervorzuheben ist. Isotopentechnik und mikrochemische Analytik dienten gemeinsam der Aufklärung, wie und an welchen Stellen im Organismus das Jod eingebaut wird und in welcher Weise es auf normale und krankhaft veränderte Gewebe und Funktionssysteme wirkt. Auge, Blutgefäße, Kreislauf und Blutdruck standen bei der Schaffung gesicherter Grundlagen für die erfolgreiche Anwendung Bad= Augenbehandlung mit Hilfe des im Paracelsus-Institut Bad Hall neu entwickel ten fontophorese-Cerätes Photo: Kurdirektion Bad Hall Haller Kuren hier im Vordergrund. Umfassende klinische Erfah= rungsberichte des Instituts über Jodsolebehandlungen brachte die Wiener klinische Wochenschrift im November 1957 und die Zeit= Schrift „Therapie der Gegenwart", Juli 1959. Von neu entwickeU ten Anwendungsformen der Jodsole hat sich eine Bronchitis» Behandlung der tiefen Atemwege durch Elektro=Aerosol=Inhala» tionen und eine Augenbehandlung mittels lontophorese als sehr wirksam erwiesen. Beide Möglichkeiten stehen den Kurgästen schon allgemein zur Verfügung. Der Kreis der in Bad Hall Hei= lung suchenden Patienten wurde aber nicht nur durch die Er= Schließung neuer Indikationen erweitert, die Einrichtung der internen und ophthalmologischen Bettenstation eröffnet auch solchen Patienten, die einer ständigen klinischen Überwachung bedürfen, die Vorteile der Kurbehandlung. Seinen Eintritt in das elfte Jahr Bäderforschung nahm kürzlich das Paracelsus=Institut zum Anlaß, um, gestützt auf 126 Ver» öffentlichungen in Fachzeitschriften unter 45 Titeln, eine Zusam» menfassung der praktischen Ergebnisse aus Grundlagenforschung und klinischer Tätigkeit vorzulegen. Diese in zwei Mappen zu sammengefaßten Schriften überreichte das Institut dem Herrn Landeshauptmann Dr. G 1 e i ß n e r als sichtbares Zeichen des Dankes für die stete persönliche Förderung der wissenschaftlichen Arbeit und die große Unterstützung durch Regierung und Beamtenschaft des Landes. Horst Hellauer, Dr. med., tit. a. o. Prof. für Physiologie der Universität Graz 51
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