Oberösterreich, 10. Jahrgang, Heft 3/4, 1960

Dachstein=Rieseneishöhle, Wasserfall Wassermassen, die ein Naturphänomen von erhabener Großartigkeit darstellen. Diese Wahl war entscheidend für die folgende Entdeckung der noch viel bedeutenderen Höhlen im König Dach stein — der „Dachstein-Rieseneis höhle" und „Mammuthöhle" auf der Schönbergalpe. Die erste Schwierigkeit begegnete mir bei der Suche nach Gefährten, die für die Erforschung von Höhlen ebenso wichtig sind wie bei schweren Hoch touren. Selbst Mitglied des Alpen vereines, suchte ich sie in diesem Kreise vergeblich. Man hielt dort meine Idee als das, was man heute ein „Hobby" nennt. Endlich fand ich sie unter meinen Kollegen in der Staatsbahnwerkstätte Linz, also unter Laien, die zum ersten Male den Begriff„Höhlen forschung" kennenlernten, sich aber bald als die wertvollsten Mitarbeiter bewährten, besonders Ing. Julis Po Hak als ausgezeichneter Kartograph, und Werkmeister Franz Kling ("j") als versierter Blitzlichtfotograf. Mit ihnen begann ich im Winter 1909 die Fortsetzung der Arbeit von Simony in der Koppenbrüllerhöhle, in der wir, über Simonys Ergebnisse hinaus, nach Beiziehung des Ehepaares Ing. Her mann Bock und Frau Hanna(f),deren Bekanntschaft ich im Karst gemacht hatte, weitere Räume voll interessanter Naturgebilde entdeckten und schließ lich dem ganzen Wasserhaushalt der Höhle mit seinen Rätseln auf die Spur kamen. Das Eindrucksvollste war dabei die Auffindung einer von Simony als „Kapelle" benannten Grottennische, an deren Wand wir mit einer gewissen Ehrfurcht seine aus Höhlenlehm ver fertigte Visitenkarte mit seinem nach 30 Jahren noch frisch leserlichen Na men und der Jahreszahl 1879 fest stellten. In der neu entdeckten Fort setzung, einem Kluftgang, den ich „Hannakluft" nannte,fanden wir einen Höhlenbach, der sich mit Donner gebraus in einen Schacht stürzte — der „Klingfall" —, eine herrliche Tropf steingalerie und einen einsamen Teich als Abschluß, von uns als „Bocksee" bezeichnet. Der von Ing. Pollak verfertigte Höhlen plan wies nun folgende Raumanord nung auf: Nach 14 Metern Abstieg vom Eingang aus folgt ein ebener Raum, nach dem sagenhaften Franz Engel bezeichnet, einem Deserteur, der sich 1776 in der Höhle verborgen hielt und hier von seiner Braut Hofer mit Lebensmitteln versorgt wurde, bis das Mädchen plötzlich schwer erkrankt in der Höhle ihrem Ende entgegensah. Da rief Engel in seiner Verzweiflung den Pfarrer Matthias Stibinger aus Hallstatt zu Hilfe, der dem Mädchen das Sakrament spendete. Der Held dieser romantischen Geschichte von „Romeo und Julia in den Bergen" wurde von Kaiserin Maria Theresia schließlich begnadigt. Dieser Sage muß den genauen Uberlieferungen zufolge ein Stück Wahrheit zugrunde liegen und die Namen der beiden tragischen Figuren müßten sich in den alten Matrikeln finden lassen, falls diese noch vorhanden sind. Aus der „Engel halle" tritt man in die „Krokodilhalle", nach einem drohenden Felsungetüm so geheißen, das Simony schon das Krokodil nannte. Es ist der tiefstgelegene Raum, nach einer Seite steigt ein steiler Gang (Simonygalerie) zur „Hannakluft" an, nach der anderen ein noch steilerer zu der von mir ent deckten „Lahnerhalle". Auch in ihr hört man einen Höhlenbach hinter dem Fels rauschen, der in der „Kroko dilhalle" austritt und sich darauf in einen siphonartigen Schacht verliert, aus dem er in die Traun mündet. Wird nach der Schneeschmelze oder nach WoLkenbrüchen der Wasseran drang so stark, daß der Abzug —•nach meinem Freunde „Pollaksiphon" ge nannt — die Wassermassen nicht be wältigen kann, so füllt sich blitzschnell die „Krokodilhalle" bis zur Decke und in weiterer Folge steigt das nasse Ele ment bis zum Höhleneingang empor, aus dem es mit eigenartigem Heulen zur Traun herabstürzt, wovon der Name „Brüller" herrührt. Hier erlebte Freund Kling einmal eine Einschlie ßung durch das Wasser. Es dauerte acht Stunden, bis er mit Not aus dem grausigen Wirbel herausgewatet war. Er bildete sich einmal auch ein, das Gespenst des in der Höhle verstorbenen, sagenhaften Mädchens gesehen zu haben; der Ort seiner Erscheinung heißt zur Erinnerung der „Geistersteg". Die Koppenbrüllerhöhle wurde nach unserer Befahrung vom „Verein Natur freunde Linz" für den Besuch zugäng lich gemacht und steht jetzt, wie alle Höhlen des Gebietes, in der Verwal tung der Österreichischen Bundesforste. Im Orte Obertraun, der damals noch 35

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2