HANS SIEGL Höhlenkunde in Oberösterreich Wer in den Kalkalpen ÖsteiTeichs gewandert ist, hat sicher schon Höhlen eingänge gesehen. Dem aufmerksamen Beobachter sind da und dort ähnliche Erscheinungen aufgefallen, wenn er etwa mit der Bahn nach Spital am Pyhrn fuhr. Die ursprünglichen Krems ufer und in noch stärkerem Maße die Uferwände des Steyrdurchbruches zei gen deutliche Ausschwemmungskolke — Ansätze für sogenannte Brandungs höhlen. Auch auf der Fahrt von Attnang-Puchheim nach Wankham lassen sich in den Steilwänden, die das Aurachtal einschließen, solche Löcher erkennen. Deutlich sieht man, wie das Wasser hier gebrandet und ausge kolkt, wie der Fluß sich von Schicht zu Schicht tiefer eingegraben hat. Wir finden da etwa bei Kremsmünster eine interessante Brandungshöhle — die Lettenmairhöhle; eine weitere — es handelt sich um eine Breccienhöhle — bei Wankham. In Oberösterreich kennen wir derzeit rund 720 Höhlen. Daß diese Zahl noch lange nicht vollständig ist, wissen wir mit Bestimmtheit. Die Forschergruppen des Landesvereines für Höhlenkunde sind mit Eifer an der Arbeit, das Höhlenverzeichnis (das die Grundlage für einen österreichischen Höhlen kataster bildet) zu ergänzen und zu erweitern. Dies geschieht nicht allein durch systematische Suche, sondern oft kommen da Angaben von Ein heimischen zu Hilfe. AufGrund solcher Mitteilungen ziehen die Forscher ins Gelände,finden oft dabei neue Höhlen, erkunden, befahren, vermessen und erstellen Höhlenpläne. Oft hört man die Frage, wozu dies gut sei. Darauf gibt es eine Reihe von Antworten, denn die Höhlenforschung dient vielen Interessengruppen. Da sind vor allem die Landwirtschaft, der Fremdenverkehr, die Touristik und nicht zuletzt die Wehrgeographie zu nennen. Wir wollen aber nun zur Kernfrage vorstoßen: Was ist Höhlenkunde? Wie der Name schon sagt, ist sie die Wissen schaft von den Höhlen. Doch ist die Speläologie mehr ein Sammelbegriff, denn auch die Karstkunde zum Bei spiel ist engstens damit verbunden. Die meisten Höhlen unseres Heimat landes sind ja Karsthöhlen, das heißt Höhlen in verkarstungsfähigem Gestein. Daß auch andere Wissenschaften, wie Geologie, Mineralogie, Petrographie, Geomorphologie,Zoologie und Botanik, mitbeteiligt sind, braucht kaum erst gesagt zu werden. Eine der Grundfragen lautet; Was ist eine Höhle? Die Antwort kann ver hältnismäßig einfach formuliert wer den: Eine Höhle ist ein Hohlraum (von gewisser Größe)in einem Gestein. Sie kann auf verschiedene Weise ent stehen. Von einer Art war schon die Rede — von Brandungshöhlen. Un seren Höhlen ist — und zwar fast allen — eine tektonische Vorbereitung gemeinsam. Durch diese sind Fugen und Klüfte entstanden, die (in den meisten Fällen) durch die Tätigkeit des Wassers erweitert wurden. Im weiteren Verlaufe der Entwicklung wurden die Hohlräume häufig durch Versturz vergrößert. Es gibt daneben auch Primärhöhlen — im Urgestein, in Lava und Tuff —, die mit dem Gestein selbst entstanden. Man hört da cft von Blasenhöhlen sprechen. Die meisten Höhlen unseres Heimatlandes allerdings sind durch einen Substanz verlust geworden. Grundbedingung für eine Höhlenbildung ist noch, daß mindestens ein Querschnitt einer Höhle allseits von Gestein umschlossen ist. In der Praxis würde man sagen: Eine Höhle ist ein natürlicher Hohlraum in einem Gestein, der eine gewisse Größe erreicht hat. Wir kennen Halb höhlen, Kleinhöhlen, Großhöhlen und Riesenhöhlen. Es wäre verfehlt, hier eine Typologie zu geben; das wollen wir naturwissenschaftlichen Zeit schriften und Abhandlungen vorbe halten. In Oberösterreich finden wir Höhlen überall dort, wo verkarstungsfähiges Gestein vorhanden ist. Für Ober österreich heißt das vor allem in der Flysch- und der Kalkzone. Zur Er leichterung einer systematischen Be standsaufnahme wurde unser Land in einzelne Gebiete aufgeteilt. Im Mühlviertel kennen wir vorläufig keine Höhle, obzwar es durchaus möglich ist, daß hier Primärhöhlen vorhanden wären. Findet man Hohl räume, so handelt es sich vor allem um Versturzdolmen und durch Erosion entstandene Kolkungen. Die Flyschzone (ungenau ausgedrückt das Alpenvorland) zeigt manche Höhlenbildungen. Von ihnen wollen wir aber absehen. Die weitaus größte Zahl liegt in der Kalkzone. In den Ennstaler Bergen,im Sengsengebirge, der Kremsmauer, dem Kasberg, den östlichen und westlichen Trauntaler Voralpen, dem Warscheneck, im Toten Gebirge und im Dach stein. Im Dachsteinstock selbst kennen wir derzeit 230 Höhlen, im Toten Gebirge deren 209. Daß da noch Forschungsarbeit zu leisten ist, steht außer Zweifel. Für die Allgemeinheit am bedeut samsten sind jedoch die Schauhöhlen; Höhlen also, die für den Fremdenver kehr erschlossen worden sind. Es ist selbstverständlich, daß sich nicht jede Höhle dafür eignet. Die meisten sind schwer zugänglich, andere stellen zu hohe Anforderungen an das touristische Können des Besuchers. Es gibt schließ lich nicht viele Menschen, die es auf sich nehmen würden, sich auf weite Strecken auf dem Bauche kriechend fortzubewegen oder auf frei schwe bender Strickleiter auf- oder abzuklettern; das sind aber für den Höhlen forscher durchaus gewohnte Tätig keiten. Jeder Oberösterreicher kennt unsere Schauhöhlen zumindest dem Namen nach. Drei liegen im Dachsteinstock, die Rieseneishöhle, die Mammuthöhle und die Koppenbrüllerhöhle, eine im Toten Gebirge, die Gaßlhöhle bei Ebensee. Letztere erfreut sich — leider — nur eines geringen Zustromes, weil sie abgelegener ist. Da muß der Tourist schon einen etwa zweistün digen Anmarsch auf sich nehmen, der sich jedoch lohnt. Beeindruckt die Rieseneishöhle vor allem durch das Eis, so die Mammut höhle durch Großräumigkeit. Die Kop penbrüllerhöhle wieder ist als aktive Wasserhöhle interessant; die Gaßl höhle durch ihren Tropfsteinschmuck. Die schönsten Tropfsteinhöhlen Ober österreichs sind allerdings nicht er schlossen. Gründe hiefür wurden be reits angegeben: Unzugängiichkeit und Schwierigkeitsgrad der Begehung. Von der Dachstein-Rieseneishöhle ist die systematische Höhlenforschung in un serem Lande ausgegangen. Es war zu Beginn unseresJahrhunderts, als Georg Lahner mit einer Gruppe beherzter Männer in die ewige Nacht dieser Höhle einstieg und sie durchfuhr. Wir haben schon angedeutet, was wir in den Höhlen finden: Eis, Tropfstein, riesige Räume, Wasser, interessante Gesteinsformen, Pflanzen und Tiere. Wir wollen kurz feststellen: In Eis höhlen beeindrucken uns Boden- und Deckenzapfen(Stalagmiten und Stalak32
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