HERBERT ERICH BAUMERT Oberösterreichische Bildmotive auf Briefmarken I. TEIL Die Briefmarke ist längst über ihre zweckbedingte Funktion, als urkunden= mäßige Quittung der Post für eine ent= richtete Geldleistung zur Beförderung von Postsachen zu dienen, hinausge= wachsen: Sie gilt heute schlechthin als Repräsentant der Kultur des sie aus= gebenden Staates, sie wirbt als exzellen= tes Kleinkunstwerk im In= und Aus= land für die Heimat, kündet von den Schönheiten der Natur, den Großen des Landes, geschichtlichen Ereignissen und technischen Leistungen der Menschen; sie erfüllt nicht zuletzt durch ihr im wahrsten Sinne des Wortes internationa= les Wesen eine völkerverbindende Mis= sion über Politik und Grenzen hinweg. Die Bedeutung der Briefmarke als Sam= melobjekt im wirtschaftlichen wie päd= agogischen Sinne ist unbestreitbar; die Philatelie ist aber neben einer reinen Liebhaberbeschäftigung in Mußestunden auch zum Gegenstand ernster wissen= schaftlicher Forschung geworden'. Bald nach dem Aufkommen der Brief= marken- traten schon die Sammler auf den Plan. Man begnügte sich damals noch mit „allem", was von Onkel und Tante zu bekommen war, und klebte die gebrauchten Postwertzeichen mehr oder weniger sachgemäß und dauerhaft mit Mehlkleister und Dextrin wahllos in Hefte und Bücher. Erst die Briefmarken= kataloge und =alben brachten Ordnung und System in das Sammeln, der kom= merzielle Briefmarkenhandel kam in Schwung, Tauschvereine wurden ge= gründet, Fachzeitschriften herausgege= ben, internationale Philatelistentagungen organisiert und Ausstellungen veranstah tet. Der kleine Quittungszettel war schließlich zu einem Wertobjekt höch= sten Ranges aufgestiegen. Das stete Anwachsen der Emissionen zur heute fast unübersehbaren Fülle von Marken zwang die Sammler, sich auf 'Hundert Jahre österreichische Briefmarke, hrsg. vom Bundesministerium für Ver= kehr und verstaatlichte Betriebe,Generah direktion für die Post= und Telegraphen» Verwaltung (Wien 1950), S.13ff. - 1840 England, 1843 Zürich und Genf so wie Brasilien, 1845 Basel, 1849 Frank» reich, Belgien und Bayern, 1850 Spanien, am 1. Juni österreich=Ungarn, dem im gleichen Jahre noch Sachsen, Preußen, Schleswig=Holstein und Hannover folg» ten. Als letztes der klassischen europäi» sehen Briefmarkenländer entschloß sich 1877 San Marino zur Einführung eigener Postwertzeichen. bestimmte Länder oder die Pflege von Spezial» und Forschungssammlungen zu beschränken; nach dem zweiten Welt» krieg nahm das sogenannte konstruk» tive Briefmarkensammeln von Bildmoti» ven und Themen einen ungeahnten Auf» Schwung. Motive gibt es ja sonder Zahl: angefangen vom Gestirn und Gestein, der Pflanzen» und Tierwelt über alle Ge» biete des menschlichen Lebens bis zu den religiösen Darstellungen. In diesem ersten und einem später fol» genden zweiten Teil soll von jenen Briefmarken die Rede sein, die ein Oberösterreich betreffendes Bildmotiv zeigen. Die in Fettdruck gesetzten Zif» fern weisen auf die entsprechenden Ab» bildungen. 1.Landschaftsdarstellungen, Städtebilder Während für die österreichisch=ungari= sehe Militärpost in Bosnien=Herzegowina bereits 1906 eine in der damaligen Zeit der Monarchen», Wappen» oder einfachen Ziffernmarken vielbeachtete Briefmar» kenserie mit 15 Landschaftsbildern er» schien, kam Österreich selbst — abge» sehen von zwei Werten der Jubiläums» ausgäbe 1908 (Schönbrunn und Hof» bürg) und den Parlamentsmarken von 1921 — erst im Jahre 1923 zu einem ge» schlossenen, neun Werte zählenden Satz mit Ansichten aus den Landeshauptstäd» ten, wobei sonderbarerweise für Nieder» Österreich Melk figurierte. Linz ist mit der in dezentem Rotbraun gehaltenen 240»Kronen=Marke (1) vertreten: In ornamentaler Umrahmung zeigt sich das Kernstück der Stadt im damaligen, nach dreieinhalb Jahrzehnten schon historisch gewordenen Gesicht. Auf dem im Nor» den vom (1873—1875 errichteten) Spar» kassengebäude und dem ehemaligen Graf=Spindlerschen Freihaus (die beide 1939 der neuerlichen Umgestaltung des Brückenkopfes zum Opfer fielen) abge» schlossenen Hauptplatz mit der barok» ken Dreifaltigkeitssäule herrscht emsig» reges Markttreiben um die aufgeschlage» nen „Standein". Zwei Straßenbahnzüge mit luftigen Sommerwagen beleben das Bild. Die zweitürmige Pöstlingberger Wallfahrtskirche grüßt von den Mühl» viertler Hügeln jenseits der Donau. Der Entwurf der Marke stammt von Dr. Ru» dolf Junk, den Stich besorgte Prof. Fer» dinand Schirnböck. Die Briefmarkenausgabe 1929 mit elf Landschaftsdarstellungen aus den Bun» desländern (Kärnten und Wien sind durch je zwei Werte vertreten) bringt nach einer Zeichnung von Franz Retzl auf dem 18=Groschen»Wert(2)für Ober» Österreich eine Ansicht vom Traun» See mit Blick nach Süden auf den Erla» kogel, im Volksmund bekannt als „Schlafende Griechin". — Um Papier ein» zusparen, wurde diese Ausgabe 1932 auf kleinerem Format herausgebracht, die Traunseemarke zuerst wie 1929 als 18» Groschen», später als 12»Groschen=Wert. Letztere Marke wurde auch 1933 in an» derer Farbgebung und schwarzem Auf» druck in der vier Werte umfassenden Winterhilfe»Ausgabe verwendet (hell» blau, 3 Groschen Zuschlag). Die nächsten Landschaftsbilder präsen» tiert die Flugpostausgabe des Jahres 1935 mit 15 Marken von Georg Jung. Das durch seine vorgeschichtliche Kultur weltbekannte H a 11 s t a 11 am gleich» namigen See, dessen Häuser und Kir» chen sich eng an den Berg schmiegen, bietet aus der Vogelschau ein prächtiges Bild für die 20=Groschen=Marke (3), während der höchste Wert der Serie, die 10»Schilling=Marke (4), den Attersee mit dem Höllengebirge und zwei im Wind liegende Segelboote sowie ein Segel» flugzeug zeigt. Diese Marke zählt zu den künstlerisch besten aus der Zeit der ersten Republik. — Ein „Grenz"»FalI er» gibt sich bei der 30=Groschen»Marke dieses Satzes,die den Dachstein mit dem auf steirischem Gebiet liegenden Schlad» minger Gletscher zeigt, womit wir diese Darstellung auch jenem Bundesland zu» gehörig überlassen. Die folgende Oberösterreich betreffende Landschaftsmarke gehört der reichsdeut» sehen, von Axster=Heudtlaß entworfe» nen, neun Werte umfassenden Winter» hilfswerk»Serie 1938 an, deren Höchst» wert zu 40 + 35 Pfennig (5) der alten Innstadt Braunau gewidmet war. Wir sehen die „Salzburger Vorstadt" mit dem 1575 erbauten Stadttorturm, dessen hier sichtbares, aus dem Jahre 1882 stammendes Zeltdach 1939 entfernt wurde. — Eine weitere Marke mit dem Stadtpfarrkirchenturm und Häusern des Hauptplatzes sei der Vollständigkeit halber hier noch erwähnt. Die erste in allen vier Besatzungszonen des wiedererstandenen Osterreich gül» tige Briefmarkenausgabe, die umfang» reiche Landschaftsserie Alfred Chmie» lowskis, brachte für Oberösterreich drei Ansichten aus dem Salzkammergut: im
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