Oberösterreich, 10. Jahrgang, Heft 1/2, 1960

FRANZ PFEFFER Zur Geschichte des Alpinismus in Oberösterreich Oberösterreichs Hochgebirgslandschaft ist den Menschen seit Urzeiten vertraut. Das Salz, das „weiße Gold", das seit Jahrtausenden im oberen Trauntal gewonnen wird, ließ tief im Alpeninneren nicht nur hohe Kultur erblühen, es trieb den Bergmann, den Salzfrächter auch weit hinauf in die Hochregion des Gebirges. Urzeitliche Funde aus dem Hallstätter Salzberg und von den Salzsteigen, die über das Dachsteinplateau nach Steiermark, über das Tote Gebirge nach Oberösterreich führten, künden von diesem frühesten „Bergverkehr". Viel später, als die Salzlandschaft an der oberen Traun längst zum landesfm-stlichen „Kammergut", die Salz erzeugung zu einer wichtigen Einnahmsquelle der Landes fürsten geworden war, rücken die Gebirge Oberösterreichs durch den großen Weidmann und Bergsteiger Maximilian L, der hier auf Gemsen, Steinböcke und Bären pirschte, ins Blickfeld der großen Welt. Es ist die Zeit, da Wolf Huber in skizzenhaften und doch so bezwingenden Zeichnungen den Traunstein und Schafberg festhält. Wie wenig man allerdings vom oberösterreichischen Hoch gebirge damals noch wußte, erweist die erste Landkarte Oberösterreichs von Augustin Hirschvogel (1542), in der der „Draunstein" als der höchste Berg bezeichnet ist; auch in der Karte von Wolfgang Lazius (1545) erscheinen als benannte Punkte der oberösterreichischen Gebirgslandschaft nur der Traunstein, der Pötschen- und der Pyhrnpaß. 1617 erteilen die oberösterreichischen Landstände dem Isaak Holzwurm den Auftrag,für eine neue Landkarte von Oberösterreich auch die „fürnembsten Gepürg abzusehen". Aber erst die Oberösterreich-Karte von Georg Matthäus Vischer (1669) bringt eine getreuere Darstellung der oberösterreichischen Alpen; doch auch Vischer hielt nicht den Dachstein, sondern den Großen Priel für den höchsten Berg Oberösterreichs. Ein genaueres kartographisches Bild der oberösterreichischen Alpen vermittelte erst die josephinische Militäraufnahme, die in Oberösterreich 1769 —1772 durchgeführt wurde. In der auf ihr beruhenden „Mappa von dem Land ob der Enns" von Carl Schütz (1787) erscheint erstmals der Dachsteinstock als die höchste Gebirgsgruppe Oberöster reichs, wobei allerdings der „Door Stein" (Torstein) als Hauptgipfel ausgewiesen ist; auf ihm und nicht auf dem Hohen Dachstein wurde daher auch die Dreiländergrenze zwischen Oberösterreich,Salzburg und Steiermark festgelegt. Aus der gleichen Zeit stammen die Waldkarte des Salz kammergutes (1794— 1804) und die ersten bildlichen Darstellungen der Dachsteingruppe. In dieser Zeit des ausgehenden 18.Jahrhunderts nimmt sich auch die naturkundliche Forschung des bisher vernach lässigten Ostalpenraumes und damit auch der oberöster reichischen Alpenlandschaft an. Mit dieser Anteilnahme der Forschung paart sich ein neues Naturgefühl, die Freude an den „phantastischen", „pittoresken", „wild-schönen" Naturbildern der Alpen, die ihre Wurzel in der tiefgreifenden Geistesbewegung der Romantik hatte. Setzen wir den Wirkungsbereich der romantischen Bewegung in die Jahr zehnte etwa von 1790 bis gegen 1840, so haben wir damit ziemlich genau auch jenen Zeitraum abgegrenzt, in dem neben den Einheimischen, den Jägern, Sennern, Holz knechten und Bergleuten, die seitjeher zweckbestimmt den Bergen verbunden sind, auch der „Fremde", der Städter, der „Bergsteiger aus Lust", Oberösterreichs Berge zu erobern beginnt. Geographen, Geologen, Botaniker sind die Pioniere dieser ersten Epoche des Alpinismus in Ober österreich; ihnen folgen Alpenreisende und „Touristen" aus den höheren Gesellschaftsschichten, denen zunächst der damals noch ziemlich kostspielige Luxus einer Fahrt ins Gebirge vorbehalten blieb. Der Mediziner und Botaniker Joseph August Schuhes (1773— 1831) bereist 1794— 1808 sechsmal das Salzkammergut; sein 1809 bei Cotta er schienenes Reisewerk „Reisen durch Oberösterreich" wird zum eigentlichen Herold der neuentdeckten „österreichi schen Schweiz". Von Hallstatt, wo damals, wie auch in Gösau, bereits Bergführer bereitstanden, unternahm Schuhes am 8. September 1804, mit „Steigeisen, Griespeil, Stricken, Barometer und Thermometer ausgerüstet", eine Dachstein besteigung, die ihn über die Ochsenwiesalm allerdings nur bis zum Gletscher führte. Die begeisterte Schilderung, die Schuhes im VH.Briefdes ersten Bandes seiner „Reisen" von seiner „Excursion auf den Glätscher am Dachstein" gab und die in den werbenden Rufausklang;„Ich umarme... alle, die nach mir den Dachstein besteigen, im Geiste!", steht an der Spitze der Dachstein-Literatur. 1797 schreibt der berühmte Naturforscher Alexander von Humboldt (1769—1859) über das oberösterreichische Salzkammergut: „Ich gestehe, daß ich in der Schweiz keine solchen Natur szenen kenne als diese oberösterreichischen." Leopold von Buch betreibt geologische Studien und nimmt Höhen messungen im Salzkammergut vor (1802). Der steirische Naturforscher und Topograph Karl Schmutz(1787— 1873), ein Mitarbeiter Erzherzog Johanns und später in der ober österreichischen Landwirtschaftsgesellschaft tätig, brachte 1811/12, als er als Hauptmann mit seiner Kompagnie zur Arbeitsaushilfe ins Salzkammergut kommandiert war, „durch rastloses Besteigen aller Gipfel" eine Sammlung der heimischen Flora zusammen und ließ „der Botanik wegen keinen Berg unbesucht". 1811 weilte er drei Tage aufden „Eisfeldern und Felsenspitzen", die den „Thorstein" umgeben, 1812 überquerte er „sitzend auf der Kante, die Steigeisen auf die Hände gebunden", einen „Eissattel auf dem hohen Kreuze". * Im Mittelpunkt dieser Frühperiode des Alpinismus in Oberösterreich stehen die Bemühungen, den königlichsten Gipfel des Salzkammergutes, den Hohen Dachstein, zu bezwingen. Nach dem mißglückten Besteigungsversuch von Schuhes (1804) besucht Erzherzog Johann das Dachstein gebiet und überquert am 27. August 1810 den Gebirgsstock von der Gjaidalm über das Modereck und die Feister scharte nach Schladming; nach einer Eintragung in seinem Tagebuch hatte bis dahin nur ein damals schon verstorbener Jäger den „Thorstein" bestiegen. Wenige Tage später, am 3. September 1810, steigt der Sekretär und Mitarbeiter Erzherzog Karls, Franz Joachim Kleyle (1775 —1854), mit einer großen Gesellschaft von Reisenden, Trägern und Führern über die Schafeck- und Gjaidalm zum Hallstätter

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