Oberösterreich, 10. Jahrgang, Heft 1/2, 1960

Hängen oder schaukeln nahe am Wasser. Die großblättrige Weide (Salix grandifolia) und die sehr selten vorkommende Pimpernuß mit ihrer schlangenhautähnlichen Rinde und den gelbgrünen Blähfrüchten wechseln mit dem zarten Blütenstrauch der Rosen (Rosa canina var. oxyphylla). Das für die Seeuferzone charakteristische Ronniger Lab kraut (Galium truniacum Ronniger), die ästige Zaunlilie (Anthericum ramosum) mit ihren zarten, weißen Blüten am sparrig verzweigten Stengel,die Horste dessilberhaarigen Rauhgrases (Lasiagrostis calamogrostis), die gelben Blüten sträuche der Kronwicke (Coronilla Emerns), sowie das stengeltreibende Fingerkraut (Potentilla caulescens), das mit seinen langen Wurzeln die Felsspalten des Steilufers besiedelt, ergänzen die Reihe der von Dr. F. Morton veröffentlichten und schützenswerten Pflanzen der Wärme zone am Ostufer. Hoffen wir, daß dieses Ufer mit seinem herrlichen Pflanzen kleid nicht weiter zerstört wird. Schon plant man eine Straße, will die Bergflanke aufreißen und neben dem nackten und bleichen Mahnmal des Karbachsteinbruches und der Wundfläche bei der Eisenau, ein Tunnel und Rampen aussprengen und dem Berg eine unästhetisch erscheinende Kerbe schlagen, die nie mehr verheilt. Genügt es nicht, daß der Mensch das Westufer verkehrs mäßig erschloß? Man sieht, wie störend der Felssporn des Sonnsteins einer Verkehrsverbindung zwischen Süd und Nord im Wege stand. Und doch war Gmunden aus dieser Situation heraus als Salzumschlagplatz groß geworden, als Straße und Tunnel im Sonnstein noch nicht bestanden. Die Straße schmiegt sich eng an den Felsen und wird mit ihren kurzen Tunnels und den Lawinenschutzdächern sowie mit ihren vielen Kehren zu einer Kunststraße. Dabei wirkt sie hemmend auf den modernen Autofahrer, der wohl nur selten Zeit findet, sich der primären Ursache der Geschwindigkeitseinschränkung bewußt zu werden. Wenn wir mit einem Gang durch den Alpengarten beim Hotel am Stein vom Kalkgebirge Abschied genommen haben und uns noch Zeit bleibt, wandern wir nach Prem hub. Das Seebecken ist plötzlich weit geworden. Frucht barer Boden der Rißmoräne, auf dessen linkem Uferwall wir stehen, ist Bauernland. Der Blick geht von der Moräne am Mühlbachberg nach Eben, verfängt sich am Kollmansberg und streicht über Gras- und Gmundnerberg nach Altmünster und Gmunden, dessen geschützte Lagen von hier so gut zu erkennen sind und schauen immer wieder zur Ostseite des Sees, diesem Gegenüber, das so anders ist, so unberührt und naturhaft, so trotzig und abweisend, daß der Schutz dieser alpinen Seeuferzone dem natur liebenden Menschen als vornehme Aufgabe erscheint. „Laßt Steine sprechen!" — die Münzsteine im Gsch liefgraben Sind Sie auch schon einmal einem Flyschrücken entlang gewandert? Wir machen das immer im Mai, wenn sich die Wiesen bunt verfärben und die Lärchen am Kamm ihr zartgrünes Kleid überstreifen. Wenn uns mitunter die Lärchenschöpfe den Blick zum Gebirge freigeben, sehen wir den Firn in der Sonne glänzen. Die Stirn der Kalkalpen liegt wie eine Sperrmauer vor uns. Befreit wenden wir den Blick nach dem Vorland hin. Die Landschaft gleicht einem riesigen Mosaik. Der Boden atmet schwer unter dem Druck und der Wärme der Föhnwellen, die über ihn streichen. Wie glitzernde Schlangen durchziehen die Flüsse mit ihren Mäandern die blauschwarzen Wälder und die bunte Felderung der Kulturen,aufdenen sich Menschen abmühen. einem winzigen Spielzeug gleich. Die geometrische Linien führung der Bahnen, Straßen und Kanäle verrät die zivilisatorische Durchdringung der Landschaft. Da steht hinter Pappeln versteckt ein Bauernhof mit seinem Grün anger und dem blühenden Obstgarten, dort ist es ein verträumtes Dörfel, dessen Rot der Dächer im Föhnlicht warm heraufleuchtet. Wie beneide ich in diesem Augen blick die vielen kleinen und großen Vögel, die diese Schau von oben ein Leben lang vermögen. Der Flysch vermittelt zwischen Gebirge und Ebene, zwischen Kalk und Schlier,zwischen Karst und Fruchtland. Ihm fällt die vornehme Rolle eines Vermittlers zu. Nach dem Westen hin sind es Gmundnerberg, Grasberg, Richt berg, Hongar, Gahberg, Reitergupf, Roßmoos, Kulmspitze und Mondseeberg, nach dem Osten hin Grünberg,Flohberg, die Riedel, Bäckerberg, Hambauer und bis zum Damberg bei Steyr lauter Höhen, die an die 1000 Meter aufragen. Sie bestehen aus einer Serie fossiller Sandsteine und Mergel, die im Bereich der Ostalpen, zwischen Bregenzer und Wienerwald (Wiener Sandstein), oft nur einen vier bis fünf Kilometer breiten Saum bilden. Ihre Hauptmasse liegt unter den Kalkalpen. In den Westalpen (Schweiz) war der Deckenschub der Alpen geringer, daher ist dort die Flyschzone 40 bis 60 Kilometer breit. Beim Nord wandern des ostalpinen Systems kam es zur Heraushebung und verstärkten Abtragung. Das meist kristalline Material des sich wölbenden Gebirges wurde in eine Vortiefe einsedimentiert. Damals waren die Nördlichen Kalkalpen noch eng an den Inselbogen der Zentralalpen angelehnt. Die Längstäler der Alpen bestanden noch nicht und die Entwässerung erfolgte vom Hauptkamm vorwiegend nach Nord beziehungsweise Süd. Der Gschliefgraben zwischen Traunstein und Gmun den ist geologisch sehr interessant. Eine auf engstem Raum zusammengepreßte Synklinale aus Kreideflysch und Nierentalschichten hat eozäne Kalke eingefaltet, die sich als Härtlinge, wie Klippen („Rote Kirche"), vom weichen Material der Umgebung abheben. Nach Regentagen wird vor dem Betreten dieser Zone gewarnt. Schlammströme und Muren, die in breiten Bahnen ganze Waldstücke talwärts verfrachten, versperren den Weg. Das weiche Material fließt ab, entwurzelt Bäume und schafft so ein Bild totaler Zerstörung. Wie gut verstehen wir jetzt das alemannische Wort Flysch, das fließen bedeutet, und denken gleichzeitig an die Fließhänge und Hangrutschungen am Grün- und Flohberg. Die Bemühungen, dem Hang nach Terassierung und Anpflanzung von Weiden, Erlen und Lärchen eine natürliche Festigung zu verleihen, sind nicht immer geglückt. Wie schwer es der Straßenbauingenieur im Flysch hat, beweist uns das Autobahnstück an den Abhängen der Kulmspitze am Mondsee oder zeigen die festen Verbauten der Westbahnstrecke durch den Wiener wald bei RekaWinkel. Einen Beweis, daß die Sandsteine und Mergel in einem Meer abgesetzt wurden, bilden die Nummuliten oder Münz steine der „Roten Kirche". Die Leute „Unterm Stein" sagen zu diesen Versteinerungen „Bergmanndlkreuzer". Es kommtja häufig vor, daß Naturformen an das mensch liche Leben erinnern (z. B. Fossilformen, Bergformen, Aperflguren). Im Handstück sehen wir Schalen eines einzelligen, tierischen Lebewesens, das zu den Lochträgern oder Foraminiferen gehört. Aus dem Meerwasser wurde Kalk ausgefällt und daraus eine vielkammerige Schale gebaut, die oberflächlich betrachtet, der Schale eines Ammoniten ähnlich ist. Sie weist viele kleine Löcher auf, durch welche das Tier Protoplasmafortsätze ausstreckt, um 54

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