Oberösterreich, 10. Jahrgang, Heft 1/2, 1960

SEPP STAHRL Kletterfahrten in Oberösterreichs Bergwelt Zwischen den Ennstaler Alpen(Gesäuse) und den Salzburger Kalkalpen (Tennengebirge usw.) liegt der oberösterreichi sche Anteil an den Nördlichen Kalkalpen. Zwei mächtige Kalkalpenstöcke — Dachstein und Totes Gebirge —,zwei kleinere — Höllen- und Sengsengebirge — sowie die unter dem Namen Salzkammergutalpen bekannten Berge unseres Seengebietes, in der Hauptsache Plateau gebirge mit steilen, oft mehr als tausend Meter hohen Randabstürzen, riesigen Kalkwänden und steilen Graten — ausgenommen der Traunstein als Einzelerhebung und der Gosaukamm als langes, vielgestaltiges Zackengebirge — bieten eine solche Fülle von Kletterfahrten aller Schwie rigkeitsgrade, daß bei aller Bescheidenheit von einem „Kletterparadies" gesprochen werden kann. Da ragt vor allem der Traunstein (1691 m), als Wächter unseres Landes weithin sichtbar, unmittelbar aus den Fluten des Traunsees an der Eintrittspforte ins Salzkammer gut empor. Schon an seinem Nordfuße, in der Kaltenbach wildnis, durch die ein landschaftlich herrlicher Wanderweg führt, gibt es eine Reihe Zacken und Türme,wie Adlerhorst, Nadel, Finger, Dreibrüderkogel, Diabolo, Hefenstelle, die sich als „Gmundner Kletterschule" besonders bei der Berg steigerjugend großer Beliebtheit erfreuen. Am Traunstein selbst ist, abgesehen von dem vielbegangenen Hernler- und Naturfreundesteig, deren Schwierigkeit bei früh- oder spätwinterlichen Verhältnissen nicht unterschätzt werden soll, eine Fülle von Kletterfahrten gegeben, wie Zirler, Hochkamp, Ostgrat, Südostgrat, Südwestgrat bis zu den schwierigsten, wie Pauli-Wessely-Kamin, Mulzet-StroblKamin, Pyramidenkogel, Nordwand, Südostwand, Fahnen kogel, Nordanstiege, Traunkirchenerkogcl, Nordpfeiler, Nordkamin und die fast 800 Meter hohe, zum See abstür zende Westwand, die schon ein größeres Maß an techni schem Können und Ausdauer verlangen.Die dolomitartigen, gegen den Traunsee vorgeschobenen Ausläufer der Schla fenden Griechin (Erlakogel), die Gasseitürme bei Eben see (Ost-, Mittel- und Seeturm mit der Herkules- oder Teufelskeule) sind ebenfalls ein lohnendes Ziel für den geübten Felsgeher. Der Einstieg hiezu ist von Rindbach über die Spitzelsteinalm leicht erreichbar. Auch die im Bereich des Wildenkogels (Schönberg) in der Nähe der Naturfreundehütte am Hochkogel aufragenden Rauhen Köpfe und der Hängende Kogel bilden beliebte Kletter ziele. Die nächst Bad Ischl — Bad Goisern über Hütteneck leicht erreichbare Lambacher Hütte im Sandlinggebiet ist Ausgangspunkt für den Hohen Sandling (1716 m), dessen Westwand und Südwestkante kurze, lohnende, an Schwierigkeiten nicht zu unterschätzende Kletterfahrten darstellen. Kremsmauer und Falkenmauer bei Kirch dorf — Micheldorf sowie das gegenüberliegende, sich von Klaus bis Windischgarsten erstreckende Sengsengebirge bieten ebenfalls mehrere Durchstiege in anregender, schwieriger Kletterei. Wissenswert ist, daß die berühmten Motiv am Hinterstoder Foto H. Sattler % WM,, Führerlosen aus der klassischen Zeit des Alpinismus, die Brüder Emil und Otto Zsigmondy, am 31. August 1874 ihre erste eigentliche Bergfahrt unternahmen und dabei von Micheldorf aus über die Gradenalm und das Törl die Falkenmauer erstiegen. Für die fast ausnahmslos nordund nordostseitig gelegenen Kletteranstiege im Sengsen gebirge,Hohe Nock (1961 m) usw., bietet die Feichtauhütte (AV) einen willkommenen Stützpunkt. Der Große Pyhrgas (2244 m), der als höchste Erhebung der Hallermauern der besuchteste Berg von Spital am Pyhrn ist und schon zu den Ennstaler Alpen gezählt wird, besitzt ebenso wie der benachbarte Scheiblingstein und Bosruck einige anregende und schwierige Kletteranstiege. Gowilund Hofalmhütte sind Ausgangspunkte für dieses schöne Gebiet. Das Tote Gebirge mit der dazugehörigen Warscheneckgruppe (größtes Kalkalpenplateau), das schon vom ober österreichischen Flachlande aus durch seinen alles über ragenden höchsten Gipfel, den Großen Priel, für den Berg steiger durch seine steilen, bleichen Felswände eine große Anziehungskraft ausübt, ist nicht nur ein Wandergebiet von einmaligen landschaftlichen Reizen, ein Skigebiet für Frühjahrsskifahrten von ungeahnter Ausdehnung, sondern auch ein Paradies für den Kletterer. Das landschaftlich schöne Stodertal mit der Polsterlucke 37

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