dem Gerippe des Totenkopfes, das unter dünner roter Haut= Schicht durchgrinst. Es ist die Zeit Hermann Bahrs und Arthur Schnitzlers. Es ist aber auch die Epoche der „Sezession" und der „Wiener Werkstätte", die radikal mit altdeutscher Bürger= lichkeit brechen und neuen Formen zum Sieg verhelfen. Es muß eine aufregende und schöne Zeit für junge Menschen gewesen sein, die das unruhige Blut in ihren Adern spürten. Es gab für sie viele Möglichkeiten: sozialkritischen Aufschrei, zynischen Spott, kultivierte Melancholie, romantische Ironie, gepflegtes l'art pour l'art. Franz Zülow lebte inmitten dieser vibrierenden Atmosphäre. Er gehörte ihr vollgültig an, ging aber seine ganz eigenen Wege. Schon mit seinen ersten Arbei= ten machte er sich auf die Suche nach Sinnbildern des Lebens. Diesem Ziele kann man verschiedentlich zustreben. Das Orna= ment war zu allen Zeiten ein Kind des Symbolismus. Es kommt vom magischen, dann wieder unbeschwert aus dem rein vita= len Bereich. Franz Zülow liebt seit seinen jüngsten Schaffens= jähren das Ornament. Symbolischer Gehalt kann aber auch in der Landschaftsmalerei liegen, wenn sie nicht nur bloßes Abbild eines bestimmten Modellfalles sein will, sondern einen Typus darstellt, der We= sentliches aussagt, der aus der Struktur der Oberfläche und dem farbigen Naturkleid herauszulesen und herauszuspüren ist. Symbolisch ist stets aber auch jede Fabel, die mit Worten oder dem Pinsel des Malers erzählt wird. Und Franz Zülow ist bis heute ein großer Erzähler geblieben. In seiner Fabulierlust erinnert er unwillkürlich an seinen bedeutenden Zeitgenossen Alfred Kubin. Unerschöpflich fließen ihm die Bilder und Ge= schichten zu. Sie sind heiter, skurill und bunt zu gleicher Zeit. Oft gleichen sie alten Moritaten, dann wieder volkstümlichen Andachtsbildern. In ihnen gibt es wunderbare Tiere und sa= genhafte Wälder, ulkige Menschen und lustige, schiefe Dörfer. In dieser unerschöpflichen Freude an der Auszier und am Erzählen fand Franz Zülow zu einer sehr hochstehenden und doch wieder bescheiden, einfach angewandten Kunst. Ihm ist jede Malfläche recht, eine Leinwand ebenso wie ein Kachel= ofen, eine Hauswand, wie ein Möbelstück. In einer sach= liehen Zeit, die sich immer nur über das Funktionelle ereifert, wandelt er tausendfältig das Spiel der Ornamente ab. Viel= leicht liegt darin das Geheimnis seiner Wirkung. Er erfreut die Sinne, während andere nur den Intellekt aufregen wollen. Diese Stellung und Wesensart des verdienten und anerkann= ten Künstlers ist bereits vielfach beschrieben worden. Mag es in den letzten Jahren um ihn auch ruhiger geworden sein, so läßt sich doch mit Gewißheit sagen, daß er in der österreichi= sehen Gegenwartskunst seinen festen Platz errungen hat. Ge= rade in seinem hohen Alter dürfte er es sich aber auch ver= dient haben, daß näher und stärker auf seine gütige Mensch= lichkeit hingewiesen wird. Unverkennbar ist Franz Zülow ein Kind der niederösterreichi= sehen Weinlandschaft. Seinem Heimatort Haugsdorf hat er bis heute die Treue bewahrt und hat ihn oft gemalt. Geliebtes Sommerziel und schließlich bleibender Aufenthalt wurde für ihn aber das stille Mühlviertel. Im Jahre 1923 kam er zum erstenmal als Sommergast nach Hirschbach, das im Tal der Kleinen Gusen, wenige Kilometer westlich von Freistadt, liegt. Das Tal ist tief eingeschnitten. Eng drängen sich die Häuser um eine wehrhaft wirkende Kirche mit stumpfem Keildach. Die Landschaft ist rauh, mit langen Wintern und grauen Granitblöcken in den Wäldern. Aber es ist Ruhe und Stille in ihr. Diese Heilkräfte suchte Franz Zülow früh. Viel= leicht zog ihn auch die Einfachheit und herbe Schlichtheit an, die dem Mühlviertel überall eigen ist. Im Jahre 1928 kaufte er sich ein ebenerdiges Häuschen,Auer= bach Nr. 24. Es ist ohne Prunk und Bequemlichkeit. Eine gute halbe Stunde muß man von Hirschbach im Talgraben aus= wärts wandern, will man es erreichen. 1930 ist es nach dem Ankauf bezugsfertig und wird nun ersehntes Ferienheim für den Künstler und seine Familie, auch für viele seiner Freunde. Sie kommen unerkannt und unbeschwert in das abgelegene Tal. Seit 1954 ist es endlich ständiger Wohnsitz für ihn. Die Gemeinde Hirschbach weiß die Ehre zu schätzen und erhob Franz Zülow 1957 zum Ehrenbürger. Motiv aus Freistadt Will man einen Künstler in seiner intimsten Sphäre kennen= lernen, so bittet man ihn um die Erlaubnis eines Atelierbesu= ches. In diesem Sinne wollen wir einmal auch bei Franz Zülow anklopfen. Wie der Weg war, wurde schon beschrieben. Der Bach ist ein liebenswürdiger Begleiter. Freundlich lehnt sich das Häuschen an die Berglehne. Es ist noch strohgedeckt. Die Fenster sind bunt umrahmt. Treten wir in den Hausflur und das Wohnzimmer ein, fühlen wir uns vollends verzaubert. Alles ist freundlich und heiter: die Kästen, der Tisch, die Fensterbänke. Alles ist bemalt. Über allem schwebt ein Hauch von spielerischer Art. Will man in das Atelier, so muß man außen eine Holztreppe hochsteigen und den niedrigen Dach= boden durchqueren, so daß man schließlich in eine schmale Dachstube gelangen kann. Hier erfährt und spürt der Besu= eher, wie wenig eigentlich nötig ist, um ein schöpferischer Mensch zu sein. Das Außen ist unbedeutend, entscheidend allein ist das menschliche und künstlerische Innen. Das Inge= nium des Künstlers bedarf, wenn es wirklich groß und echt ist, im Grunde keines „Milieus". Auch heute noch ist Franz Zülow unendlich fleißig. Immer neue Bilder entstehen. Entwürfe für angewandte Arbeiten gehen ihm nach wie vor leicht von der Hand. Über all diese Seiten seines Schaffens, über seine Ölmalerei, die Kleister= bilder, die Aquarelle und auch die frühen Holzschnitte, über seine ungezählten kunsthandwerklichen Arbeiten wurde mehr= mals und an vielen Stellen geschrieben. Viele Ausstellungen waren schon zu sehen. Eine Neuentdeckung sind jedoch die Naturstudien, die bisher nie gezeigt worden sind und wie ein gezeichnetes Tagebuch des Künstlers erscheinen. Vor allem gewähren sie einen tiefen Einblick in seine „Werkstatt". Vieh faches wird offenbar. Motiv aus Auerbach J' '■ ^ - J 34
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