Eine Almwanderung (Fortsetzung von Seite 28) sich ein stundenweites Bergwaldgebiet. Eine Votivinschrift erinnert daran, daß sich hier 1817 Joseph Peer, Brunnbeck in Geisern, mit einer Bienenkraxen rettungslos verirrte. Ein Auerhahn bricht vor uns aus dem Dickicht. Auf der Wies= Alpe wärmt uns die aufgehende Sonne. Vor wenigen Jahren waren noch Pferde aufgetrieben. Heute steht die Almhütte leer. Es ist ein seltsames Schweigen um uns. Wieder nimmt der Wald unsere Schritte auf. Er schluckt sie mit seinem samt weichen Boden. Der Steig wird dann gerölliger. Wir müssen ziemlich viel Höhe aufgeben und kommen zur Hohen Knall= Alm. Hier treffen wir auf den Weg aus der Chorinsky=Klause. Der verdiente, leider bereits verstorbene Chronist von Goi= sern, Franz Laimer, berichtet, daß diese Hütte bis 1934 der Ortsgruppe Attnang der Naturfreunde als Berghaus diente. Heute steht auch sie leer. Nun wird der Weg immer romantischer. Aus dem Weißen= bachtal steigen steile Felswände empor. Am Knallbrett ist die Gratlinie zum Wilden Jägerkogel und Gamsfeld erreicht. Wie= der müssen uns ein kurzes Steilstück Drahtseile helfen. Die Tiefblicke nach Norden sind großartig in ihrer Wucht und Verlassenheit. Die Natur erscheint hier in ihrer ungehemmten Gewalt. Der letzte Anstieg zum Gipfel des Gamsfeldes, auf dem 1955 ein kleines Kreuz aufgerichtet worden ist, stellt dann eine gemütliche Wanderung über Almboden dar. Auch hier wieder das Schauspiel einer schönen Nah= und Fernsicht, bereichert mit den Blicken auf die Seen des Salzkammergutes und die weichen Höhenlinien des Postalmgebietes. Die Abstiege führen direkt über die Traunwandalm oder lohnender zu den Almhütten im Angerkar und Rinnberg. Der Charakter der Landschaft hat sich nun völlig verändert. Der Karst ist sanft gewellten Almböden gewichen. Bald sind wir auch wieder unter Menschen. Die Almen sind aufgetrieben. Wir nehmen freundlich gewährte Rast vor dem letzten Weg talab zum Paß Gschütt oder in das salzburgische Dörfchen Ruß= bach. Die Einsamkeit unseres Weges wird unterstrichen durch die Tatsache, daß man in diesem Gebiet verhältnismäßig oft Kreuzottern begegnen kann. Dies soll kein abschreckender Hinweis sein. Die Tiere sind harmlos, wenn sie sich nicht angegriffen fühlen. Es sei lediglich betont, wie sehr die Natur hier noch in ihrer ungestörten Eigenart erlebt werden kann. Wer nicht so hoch steigen kann, dem wird schon ein Weg auf die Jochwand oder in das Weißenbachtal eine Ahnung dieses Erlebnisses vermitteln. Eine Forststraße führt tief in den Talgrund hinein. Der Waldreichtum beglückt uns. Der Holztrift verdankt dieses Gebiet auch die Sehenswürdigkeit der Chorinsky=Klause. Unwillkürlich fühlen wir uns bei ihrer Besichtigung in das k. u. k. Salzkammergut zurückversetzt. Die Zeit scheint stillgestanden zu sein. 1805 bis 1819 ließ Ignaz Graf Chorinsky die Klausenanlage errichten. Das alte Klaushaus steht noch. Im Waldschatten laden eine Steinbank und ein mächtiger Steintisch zum Niedersitzen und zum — Träumen. Ist es Herbst geworden, so begleitet unseren Weg vielleicht eine fröhliche Gruppe von Goiserern, die sich nach der zwei= ten Mahd auf einen „Almerer" gemacht haben. Sie wandern gerne hinüber zum Rinnberg auf einen Tanz, ins Angerkar. Auch die Holzknechte steigen gerne zu einem lustigen Abend in die Goiserer Hütte auf. Es ist dann gut, wenn man schaut und hört, ohne selbst viel zu sagen. Man begegnet da dem Herzen des Salzkammergutes, und man fühlt sich geborgen in dieser sauberen und lebensfrohen Menschlichkeit. Neben der im Text zitierten Literatur sei vor allem auf das Manuskript von Franz Laimer „Die alten Fluren von Goisern, dann örtlichkeiten, besonderen Baulichkeiten, Gewässer, Höhen= Züge, Fundstätten", ausgearbeitet 1957/58, verwiesen. Aufbewahrt im oö. Landesarchiv, Bibliothek M 86/1. 32
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