Oberösterreich, 10. Jahrgang, Heft 1/2, 1960

i r a u n s e e In meiner Seele Yacht stoß idi vom Kai, trink deine Perlenpracht, smaragdener See. Bis hin ins Fernesein, wo du dich halb verbirgst, nahe am Urgestein du deine Wunder wirkst: wo du die Müden entzückst und alle Liebenden auch und sie der Erde entrückst mit deinem schläfernden Hauch D Vögel nahmen Die Vögel nahmen mit sich fort den Sang. Was jetzt noch ruft, ist hungrig oder in Gefahr. Das rote Blatt, das weich wie eine Wange war, zersplittert unter eines Käfers Gang. Die Spinnennetze sind verwaist und windzerweht und alles, was noch atmet, weiß, wie spät, wie spät die Sonne kommt, wie früh die Schatten fallen. Bald werden alle Pulse nur mehr leise schlagen und Tiere sich erschrecken vor dem eignen Laut, und Hände, die auf warmen Steinen lagen, sich scheidend forttun, kühl vom Herbst betaut. Rote Beeren Ich hab euch nicht gesucht, ihr runden, roten Beeren, wie man im Sommer ausgeht, einen Strauß zu finden; ihr standet plötzlich da wie Mohn in reifen Ähren und schwebtet hoch im Goldgewirr der nackten Rinden: wie unbegehrte Früchte saht ihr aus. Doch ich flocht euch aus dem Geflecht der Zweige und trug mir euer Rot ins kalte Haus. D l t e H Ich habe dieses alte Haus so gern, das bettelarm sich in die schöne Straße reiht; es ist die Nachbarschaft der weißen Villen, die ihm die schwermutsvolle Patina verleiht. Oft scheints mir wie ein Tempelchen — geweihtdarin man seine Schmerzen könnte stillen. Ich habe dieses alte Haus so gern. Schließ ich die Augen halb, hat es ein Angesicht, ein gutes, eins, das lächelt hinter tiefen Falten, so wie die Greise lächeln im Verzicht, wenn sie im dämmerdunklen Abendlicht die Hände aufgelöst im Schöße halten. Wann ist es Abend? Wann ist es Abend? Herz, du fragst mich viel. Ich kenn die Wolken gut in ihrem Spiel, ich weiß, wie eine Frühlingsamsel singt, wie Sturm im Waldesinnern klingt, doch wann der Abend kommt — das weiß ich nicht. Vielleicht, wenn irgendwo ein erstes Licht aus einem Fenster scheint oder in seiner Wiege ein Kindlein nicht mehr weint, wenn die Sonne langsam in die blauen Wälder steigt, wenn das Heimchen nicht mehr geigt und der große, bleiche Mond sich im letzten Taglicht sonnt? Den Abend kündet nichts, kein Schlag, er kann sich niemals in die Uhren fügen, und wenn die einen sich noch mit dem Tag belügen, ein andrer schon dem Arm der Nacht erlag. Wann ist es Abend? Herz, sei still: wenn etwas Dunkles, Großes kommen will, vor dem die Blumen sich verschließen; Abend ists, wenn über Wiesen aus einem Waldhorn bang Abschied und Heimweh rinnt und für die Liebenden der Tag beginnt . . . Anne Peherstorfer = D ürnberger M d i d y l l Die zarten Spitzen des Geästes der alten Tanne schaukeln vor dem Mond, und in der Silhouette eines Nestes einsam ein kleiner Vogel wohnt. Und lautlos tropft das Licht an seiner Wiege vorbei, hinunter auf der steilen Stiege der schwarzen Zweige in den Garten, wo Blumen den Vergoldungstraum erwarten. zum 50. Geburtstag am 28. Juni 196o 24

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