Oberösterreich, 10. Jahrgang, Heft 1/2, 1960

von oben herunter der Donau entgegen, und wo sie sich treffen; die Notdurft des Leibes und das Träumen der Seele, dort hat sich die Mitte des Landes still ausgehöhlt — Linz, keine schreiende, doch eine lebendige, wachsende Stadt, aus der vieles gedeiht. Es drängt sich ja das ganze runde Land nach diesem Linz; das Innviertel über Aschach und Wilhering her, das Traunviertel über St. Florian, das Mühlviertel rinnt durch den Haselgraben direkt in seine Landeshauptstadt hinein und das Salzkammergut kommt im schmalen Bett seiner Traun. Aus all dem ist Linz gebaut. Der Atem seines ganzen Landes ist im Landhaus und im Alten Dom lebendig, er liegt auf dem Hauptplatz und über der Brücke, in allen Gassen und in allen Straßen, und er ist in den Bauten Gestalt geworden. Aus diesem Linz haben sich zu allen Zeiten die Fäden in die Welt hinaus gesponnen. Erst waren es die Römer, die vor zweitausend Jahren hier lebten und litten und starben wie wir heute auch — ihr Wort ist verweht, und nur mehr Steine sind von ihnen geblieben. Doch dann — schon näher zu uns; Johannes Kepler, der berühmte Naturforscher und Astronom; er ist eingegangen in die Weltgeschichte mit Galilei und mit Kopernikus; und auch das Wort der Marianne von Willemer ist nicht vergangen mit ihrem Tode; die Suleika des westöstlichen Diwans wird lebendig sein, solange es Menschen gibt, die sie suchen. Stifter — wer könnte ihn nennen ohne Rührung und Ehr furcht; er hat sein Leben in unserem Linz gelebt und hier auch beschlossen. Und Anton Bruckner — für ihn sogar, für diesen Großen unter den Großen, war Linz der Beginn, war der Brunnen des Erlebens, von dem aus der Strahl hinausging in das Land und in die Welt. Sehnsucht und Kraft eines ganzen Landes haben die Stadt Linz gebaut — und Sehnsucht und Kraft bauen immer noch weiter. Sie bauen heute mit den Mitteln der Gegen wart, genauso wie die Vergangenheit mit den Mitteln ihrer Gegenwart gebaut hat. Und es fügt sich das eine dem andern so willig, daß wir die große Veränderung, die sich im Laufe der Zeit ergeben hat, erst gewahr werden, wenn eine längere Zeitspanne zwischen unsere Betrachtungen gelegt ist. Denn allmählich wurde wirklich alles anders, das Stadtbild, das sich nun dehnt und streckt, und auch das Antlitz der Landschaft. Aber es wird uns auch alles Besitz mit der Zeit, und erst, wenn wir alte Bilder betrachten, wird uns der Unterschied zwischen einst und jetzt bewußt als ein stiller Weg vom Gestern ins Heute. Und dann wissen wir plötzlich; Dieser Weg ist auch jetzt nicht zu Ende. Niemals, solange Menschen leben, wird er zu Ende sein. EIN GANG DURCH UNSERE HEIMAT Eigentlich ist auch er nie zu Ende getan, denn er ist mehr als nur ein Wandern auf Straßen, mehr als ein Benennen von Ding und Ort. Ein Gang durch die Heimat, das ist; sein Herz überall hineinlegen,in jede Wiesenmulde und an jeden Waldrand, an den Altarstein jedes Kirchleins, das uns aufnimmt, und in die Erde des Wegs, den wir gehn. Denn; Das ist uns Heimat; ein Haus, eine lindene Straße, ein Garten voll Traum oder vielleicht eine Stadt. Vielleicht ein Geheimnis, um das nun keiner mehr weiß; ein milchiger Stein an dem Weg oder ein gesungenes Lied. Oder ein Baum. Als du ein Kind warst, nanntest du ihn deinen Freund. Doch daim gingst du fort. Aber die Bilder in Kindergesichtern wachsen ein Leben lang mit. Irgendwann springt die Schale. Dann finden wir wieder nach Haus. Alt-Aussee/ Monotypie von Hannes Peherstorfer (Der Künstlerfeiert am 3. September seinen 65. Geburtstag) 22

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