Oberösterreich, 9. Jahrgang, Heft 3/4, 1959

LENZING - EINE BESTÄTIGUNG Eigentlich gilt in der Wirtschaft nur die Zahl: Produktionszahlen, Exportanteil, Be schäftigtenstand, Bilanzsumme, Dividende — alles Eaktoren, die aus der Wirtschaft nicht wegzudenken sind, alles Faktoren, die erst durch die Zahl Leben, Bedeutung, Sinn er halten. Auch mit solchen Zahlen kann Penzing, Österreichs einziges und Europas größtes Zellwollwerk, durchaus aufwarten — und es wird sich auch nicht vermeiden lassen, es zu tun. Dennoch soll vorerst auf eine andere Bedeutung eingegangen werden, eine Bedeu tung, die nicht minder wichtig ist als die Sprache der Zahlen. Als während der Kriegsjahre nahe dem Nordufer des Attersees Industriebauten er standen, beschäftigte sich der Volkswitz bald mit diesem Vorhaben und schnell war es im Land bekannt, daß man in Penzing — der Name dieses Ortes war früher bei weitem nicht so geläufig — synthetische Nahrungs mittel herstellen wolle. Das während langer und armer Kriegsjahre an jede Art von Ersatz gewöhnte, wenn gleich deswegen den Ersatz nicht liebende Volk hat ursprünglich auch von den ersten Produktionen der Zellwolle Penzing nicht viel und nicht besonders erfreut Kenntnis ge nommen. „Zellwolle", so dachten damals die meisten, „naja, Zellwolle, weil wir uns halt Schafwolle und Baumwolle noch nicht leisten können. Aber einmal wird diese Zeit vor übergehen und dann ..." Die synthetische Faser, die Kunststoffe aller Art waren noch nicht in die Kenntnisund Begriffswelt der breiten Masse einge drungen. Man hing noch zu sehr an der Er innerung an die gute, alte Vorkriegszeit mit den guten, festen, altvertrauten Materialien. Aber der Siegeszug der Kunststoffe war < nicht aufzuhalten. Daß das Verständnis für den Kunststoff, das Wissen um seinen Wert und seinen Nutzen und die Bereitschaft, ihn zu verwenden, heute auch im österreichischen Volk durchaus verankert und fast selbstver ständlich ist, dankt man nicht zuletzt Pen zing. Freilich, das Werk mußte schon um seiner selbst willen um Vertrauen, um die Kauf bereitschaft breiter und neuer Schichten wer ben. Ein neues Produkt wurde auf den Markt gebracht, ein neues Produkt mußte sich ge gen den traditionellen Konservativismus des Österreichers durchsetzen, schnell durchset zen. Denn ebenso wie er alles neue miß trauisch prüft und beäugt, ebenso selbstver ständlich heißt der Österreicher von vorn- ■rt '.ät ■VE,.;:! Aus der ,,Lenzesa"-Trachten-Modenschau: Modell „Trudl", ein Gartendirndl mit schwarz-wei ßen Karos und grünen Tupfen Links: Das duftige „Sieveringer Dirndl" nach einem alten Original. Ziegelroter Rock mit zartgrün-schwarzem Streif, schwarzem Oberteil und weißer Bluse. Beide Modelle rein Lenzesa Aufnahmen: Heinz Bernatzik herein alles gut, was aus dem Ausland kommt. Und das Ausland förderte seine Zellwollproduktion, baute sie rasch auf, und die Kapazitäten der neuen Werke forderten gebieterisch den Export, neue Märkte, neue Absatzmöglichkeiten. Heute, nahezu fünfzehn Jahre nach Kriegs ende, kann man wohl sagen, daß Penzing auf beiden Linien gesiegt hat. Seine Pro dukte genießen das Vertrauen der inlän dischen Käuferschaft, ihren Wert schätzt aber auch das Ausland, auch jenes Ausland, das selbst über eine beachtliche Zellwoll produktion verfügt. Mit dem Markentitel „Austrophan", wie Pen zing sein Zellglas nennt, wirbt es für Öster reich. Mit den „Penzesa-Stoffen" wirbt es für seine Zellwolle, zeigt, wie nett und schick man diese neue Stoffart verarbeiten kann, schickt Penzesa bekleidete Mannequins über die Laufstege und macht damit dieses Wort zu einem Begriff, der vielerorts mit „Zellwolle" gleichgesetzt wird. Und nun, da sie sich nicht vermeiden lassen und auch wirklich nicht vermieden werden brauchen, Zahlen, Penzinger Zahlen, impo nierende Zahlen! Zum erstenmal hat die Jahresprccduktion heuer mehr als 50.000 Tonnen betragen, 155 Tonnen Zellwolle werden zur Zeit täglich erzeugt, und die Kapazität wird noch so weit gesteigert wer den, daß die Jahresproduktion 1960 bei 56.000 Tonnen liegen wird. Damit ist aller dings für die gegenwärtige Page die opti male Kapazität erreicht. Sie wird vorerst nicht weiter ausgebaut werden. Vielmehr wird man zukünftige Investitionen zugun sten der Forschung und der Qualitätsverhesserung vornehmen. Penzing ist heute das größte Zellwollwerk Europas und exportierte in letzter Zeit so gar mehr Zellwolle in die Vereinigten Staa ten als die Deutsche Bundesrepublik, die übrigens selbst Zellwolle aus Penzing ein führt. Rund 31.000 Tonnen werden expor tiert, die USA, die Deutsche Bundesrepublik und Südafrika stehen an der Spitze der Piste der Abnehmerländer. Im nächsten Jahr wird Penzing und damit Österreich auf der Piste der Zellwollexporteure der ganzen Welt an sechster Stelle stehen. Seit 1952 „gießt" Penzing auch Zellglas, das sich unter dem Namen Austrophan derzeit den Markt erobert. Neue Maschinen produ zieren jetzt täglich fünf — im nächsten Jahr acht — Tonnen dieses durchsichtigen, idealen Verpackungsmaterials. Diese Kapazität ist für den österreichischen Bedarf durchaus groß genug und erlaubt es sogar, etwa vier zig Prozent der Produktion auszuführen. Staaten im Westen und im Osten sind die Abnehmer, auch nach Übersee werden klei nere Kontingente geliefert. Aus der jungen Fabrik nahe dem Nordufer des Attersees ist ein weltweit bekanntes Un ternehmen geworden. Unter seinem Schorn stein, dem höchsten Europas, arbeiten täg lich 3000 Arbeiter unter sozial und lohn rechtlich erfreulichen Bedingungen, bestäti gen 3000 Menschen, daß Österreich auch in dieser Zeit auf seine Art Schritt hält mit den Großen der Welt. Am 6. Juli dieses Jahres hatte Penzing wohl den größten Festtag seit seinem Be stand: Es galt die Produktion der 500.000sten Tonne Zellwolle zu feiern. Wahrhaftig ein würdiger Anlaß! Das sprach Generaldirektor Dr. Landertshammer aus, und er meinte weiter, daß dieser Tag auch für jenen von Bedeutung sei, der nicht wisse, welchen Wert die Erzeugung Penzings präsentiert. Einem Rückblick auf die Schwierigkeiten, die sich dem Aufstieg des Werkes seit 1945 in den Weg entgegengestellt hatten, ließ der Ge neraldirektor eine Erklärung für den Wie deraufstieg Penzings folgen: „Ich glaube, eine der Grundvoraussetzungen für den Wie deraufstieg Penzings war, daß es gelungen ist, österreichisch in diesem Werk zu arbei ten, daß es gelungen ist, aus diesem in der NS-Zeit entstandenen Werk ein österreichi sches Unternehmen zu machen, das nur für die Österreicher da ist und ausschließlich für Österreichs Ehre und Gewinn arbeitet."

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