Oberösterreich, 9. Jahrgang, Heft 3/4, 1959

Österreich. Die Vorrangstellung, die diesen Gebieten zukam und die für manche Industriezweige einer Monopolstellung gleichkam, schien für die übrigen Bundesländer kaum jemals erreichbar. Daß gerade Oberösterreich, allen gegenteiligen Meinungen zum Trotz, vor allem auf Grund seiner verkehrsgeographischen und bevölkerungsmäßigen Voraussetzungen tatsächlich eine gesunde Grundlage für eine entwicklungsfähige Industrie abgeben könne, bewies der unmittelbar nach dem Zusammenbruch 1945 be gonnene Wiederaufbau der zerstörten oberösterreichischen Wirt schaft. Was damals von den in Politik und Wirtschaft führenden Persönlichkeiten des Landes, aber auch von der gesamten Arbeiter schaft im Vertrauen auf die Schaffenskraft unserer Bevölkerung an persönlicher Initiative, an Mut und Einsatzfreude im Interesse der Neusicherung unserer Lebensgrundlagen geleistet wurde, verdient ein besonderes Ruhmesblatt in der Wirtschaftsgeschichte unseres Landes. Nicht nur, daß die Schäden, die oftmals den Grad totaler Vernichtung erreichten, in erstaunlich kurzer Zeit be seitigt werden konnten, gelang es darüber hinaus, in den für die Wirtschaft des gesamten Staates so bedeutungsvollen Werken, wie den Vereinigten Österreichischen Eisen- und Stahlwerken, dem Stickstoffwerk, der Zellwolle Lenzing und dem Aluminium werk Ranshofen, Vergrößerungen und Modernisierungen vorzu nehmen, die die Kapazität dieser Betriebe weit über das seiner zeit geplante Ausmaß erhöhten. Neue, in Oberösterreich bisher nicht seßhaft gewesene Industriezweige, wie zum Beispiel die Gablonzer Schmuckwarenerzeuger mit ihren Hauptsitzen in Enns und Kremsmünster, die Kleinmotorenerzeugung der deutschen Firma Fichtl & Sachs, heute Rotax-Werk in Gunskirchen bei Wels, die Firma Eumig, Radioerzeugung, und die Firma TEXMA, Textilmaschinen- und -Zubehörerzeugung in Micheldorf, bereicherten das Industriepotential unserer heimi schen Wirtschaft. Allerorts wurden Rationalisierungsmaßnahmen durchgeführt, die die Produktionsmengen in zahlreichen Wirt schaftszweigen sprunghaft ansteigen ließen. Bezogen auf das Jahr Erzeugung von 1950 stieg zum Beispiel im Jahre 1958 die Braunkohle um 75 % Kugellager um 212 Salz um 32 % Sicheln um 47 Kalk um 151 % Glühbirnen um 200 Mauerziegel um 41 % Schnittholz um 59 Zement um HO % Papier um 58 StickstofFdüngemi ttel um 97 % Pappe um 18 Roheisen um 145 % Zellwolle um 49 Rohstahl um 417 % Mahlprodukte um 28 Grob- und Bier um 206 Mittelbleche um 213 % Zigaretten um 20 Feinbleche um 1966 % Lederschuhe Aluminium um 486 % und Sandalen um 402 Grauguß um 108 % Baumwoll- und Temperguß um 231 % Zellwollgarne um 88 Traktoren um 147 % Wollgewebe um 69 Lastkraftwagen um 123 % Seidengewebe um 556 Nach Abschluß dieser Hauptindustrialisierungsepoche drückt sich der in der Zwischenzeit vor sich gegangene Umschichtungsprozeß in der oberösterreichischen Wirtschaft nunmehr auch klar er kennbar in der Statistik aus. Obwohl die Bevölkerung Ober österreichs bis zum Jahre 1951 inzwischen auf 1,110.000 Personen angewachsen war, betrug der der Land- und Forstwirtschaft zuzu ordnende Bevölkerungsanteil nur mehr 286.000 oder 25,8 Prozent, während der der Industrie und dem Gewerbe zuzuordnende Anteil sprunghaft auf rund 430.000 Personen oder 38,7 Prozent angewachsen war. Die vergleichbaren Zahlen für Gesamtöster reich lauten für diesen Zeitpunkt: 1,516.000 Personen oder rund 22 Prozent Zuordnung Land- und Forstwirtschaft und 2,585.000 Personen oder rund 37,3 Prozent Zuordnung Industrie und Gewerbe. Damit stieg im Jahre 1951 in Oberösterreich erstmalig der der Industrie und dem Gewerbe zuzuordnende Bevölkerungsanteil über den gesamtösterreichischen Durchschnitt, eine Tatsache, die wohl eine bedeutsame Zäsur, jedoch aller Voraussicht nach noch immer keinen endgültigen Abschluß des Wandlungsprozesses unseres Wirtschaftsgefüges bedeutet, der nunmehr fast ein halbes Jahrhundert vor unseren Augen abrollt. Denn bereits zu Ende des Jahres 1957 hatte der der Land- und Forstwirtschaft zuzu ordnende Bevölkerungsanteil Oberösterreichs um weitere 66.000 Personen abgenommen und beträgt gegenwärtig mit etwa 220.000 Personen nur mehr 20 Prozent der Gesamtbevölkerung, während der der Industrie und der gewerblichen Wirtschaft zuzuordnende Bevölkerungsanteil seit 1951 um weitere rund 45.000 Personen zugenommen hat und mit rund 565.000 Personen oder 51,1 Prozent der Gesamtbevölkerung unser Bundesland nach den Merkmalen Kopfzahl der Beschäftigten, Einkommensver hältnisse und Existenzgrundlagen eindeutig zum Industrieland stempelt. Dieser Strukturwandel mußte logischerweise Konsequenzen nach sich ziehen, die einerseits sozialpolitische und bevölkerungs mäßige Belange berühren und anderseits die Industrie selbst sowie die übrigen Wirtschaftszweige Handel, Verkehr, Geldund Kreditwesen, Fremdenverkehr und vor allem die Landwirt schaft vor Probleme stellen, deren einwandfreie Lösung Voraus setzung war für die Behauptung unserer inzwischen neu orien tierten Wirtschaft auf einem nunmehr weltweit gewordenen Markt. Groß und schwierig war der Schritt, den die für die weitere Prosperität der oberösterreichischen Wirtschaft verantwortlichen Persönlichkeiten und Körperschaften in ihrer Gesamtheit zu wagen hatten, ein Schritt, der aus einer Zeit der mehr behäbigen Ära einer überwiegend agrarisch betonten, mehr auf dem Prinzip der wirtschaftlichen Autonomie, der Selbstmarktung und des Binnenhandels beruhenden Sphäre in die rauhere, aber im all gemeinen auch gesündere Luft des freien Marktes, der unerbitt lichen Konkurrenz und der Weltwirtschaft führte. Daß auch dieser Schritt gleichermaßen mutig und überlegt getan wurde und damit der Wirtschaft Oberösterreichs eine Position in den Reihen der österreichischen Bundesländer sicherte, die alle schaffenden Bewohner dieses Landes mit Genugtuung erfüllen darf, mögen nachstehende Erfolgsziffern unter Beweis stellen: Auf Grund der hervorragenden Stellung der oberösterreichischen Wirtschaft im Rahmen der österreichischen Gesamtwirtschaft kommt ihr im österreichischen Außenhandel gleichfalls eine be sondere Rangordnung zu. Im Durchschnitt der letzten Jahre bewegte sich der Anteil Oberösterreichs an den gesamtösterreichi schen Ausfuhren um 25 Prozent. In welchem Ausmaße die be deutendsten oberösterreichischen Betriebe exportorientiert sind, möge aus nachstehenden Zahlen, gültig für das Jahr 1958, ent nommen werden: So betrug die Ausfuhr: 0/ 0/ Jagdwaffen /o 91 Aluminium /o 44 Ammonsulfat 83 Aluminium-Halbfabrikate 35 Optisches Glas 77 Kaolin 34 Stahlbleche 69 Pappe 30 Zellwolle 66 Baumwoll- und Zellwollgarne 29 Stahlbauerzeugnisse 64 Hohlglas 25 Kugellager 60 Traktoren 17 Papier 58 Lastkraftwagen 14 Zellulose 47 Schnittholz 65 36

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