(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 9. Jahrgang, Heft 1/2, 1959

~ VOLKSFEST SE I T18 6 1 Das heurige Messeplakat, das nach einem Wettbewerb ausgewählt wurde / Atelier „Der Kreis" her, das bei jedem Ausstellungsfest eine Verstärkung erfuhr. Seit 1925 besorgt die Durchführung der Rieder Ausstellungen die Stadtgemeinde, di e auf dem Weg über den Gemeindeausschuß alle zwei Jahre einen Präsidenten und über dessen Vorschlag seine Stellvertreter sowie die Obmänner der einzelnen Abteilungen (Landwirtschaft, Gewerbe, Bauten, Finanzen, , ,Verbung usw.) beruft. H an delsministerium e mpfahl Messetitel Seit dieser Zeit fehlte es aber auch nicht an Stimmen, insbesondere von ausländischen Ausstellern und Besuchern, die zur Annahme des Messetitels rieten. l\!Ian mache sich, so argumentierte man, im Ausland nicht di e rechte Vorstellung vom Charakter der Rieder (und der , ,Velser) Veranstaltungen, wenn man diese a ls „Volks- feste " vorstelle . Andererseits war gerade diese Bezeichung bereits zu einer festumri ssenen Größe in der Vorstellung der gewiß nicht wenigen „Eingeweihten" gewo rd en, daß man mit einer Verwirk- lichung dieses Entschlusses zögerte. Die Zeit dafür war erst in den Fünfzigerj ahren gereift. In d er Tat war die R egenerat ion der Rieder Volksfeste nach Kriegsende auch rein äußerlich eindrucksvoll. Der zweite Welt- krieg hatte wie sein Vorgänge r den Volksfes tbetrieb , wenn auch nicht den Volksfestgedanken, ze itweilig unterbrochen . Das Aus- stellungsgelände war verwüstet, di e meisten festen Messeeinricht- tungen unbrauchbar geworden. In den folgenden J ahren - denn schon 1947 fand das erste Nachkriegsvolksfest statt, gefo lgt im nächs ten Jahr von , ,Vels - wurde die Ausstellungsfläche wieder- holt vergrößert (vgl. T abelle) und erreichte im Jubiläumsj ahr 1957 ein Ausmaß von 105.000 Quadratmetern . Nicht weniger imponierend stieg die Zahl der Aussteller auf der einen und der Besucher auf der anderen Seite an (vgl. T a belle) . Trotz der d:1rch die Art der Kriegs- und Nachkriegsereignisse bedingten Ver- 88 schärfung der Grenzsperre zwischen Deu tschland und Österreich fiel diese Grenze im Hinblick a uf di e Ri eder und Welser Volks- feste schon frühzeitig, was durch die Tei lna hme deutscher Firmen an allen Ri eder Volksfesten seit 195 1 zum Ausdruck kam. Die Wiedererlangung des a nges tammten Platzes in der Wirtschafts- tradition des Landes und nicht nur seiner unmittelbaren Um- gebung verdankt das Ri eder Volksfest der Tatsache, daß das Inn- viertel heute wie ehedem Herzland der österreichischen Land- wirtschaft und Ried se in natürliches Zentrum ist. Seit etwa hundert Jahren wird in dieser Gegend organisierte Tierzucht betrieben. Nach dem letz ten Weltkrieg schlug der Fleckvieh- zuchtverband für das Inn- und Hausruckviertel hier sein Domizil auf. Sein führender Ra ng innerhalb der österreichischen R inder- zucht ist unbestr itten. Die zwölf- bis vierzehnmal im Jahr durch- geführten Absatzveranstaltungen in Ri ed sind zu einem Anzie- hungspunkt für Interessenten a us nahezu allen Ländern Europas, der Verkauf von Tieren in a lle österreichischen Bundesländer, nach v\Testdeutschland, Italien, Jugos lawien, Ungarn und neuer- dings Rumänien zu einer Regelmäßigkeit geworden. Der Verband errichtete auf dem Ausstellungsgelände einen mehr als 500 Rinder umfassenden Ausstellungsstall und eine wiederholt auch für andere Zwecke zur Verfügung gestellte Vorführ- und Versteigerungs- halle für nahezu 2000 Personen. Dazu kommen die neuerbauten Ausstellungsställe des Schweinezuchtverbandes. Die Schau- stellung und Vorführung landwirtschaftlicher Maschinen und Geräte aus dem In- und Ausland machen die Landwirtschaft auch heute zum Hauptbestandtei l der Ri eder Ausstellungen. Deshalb wurde die notwendige Ergänzung durch die gewerbliche und industrielle Wirtschaft niemals in den Hintergrund gedrängt. Diese Sparten sind, von a ll en Arten landwirtschaftlicher Ma- schinen abgesehen, regelmäßig mit Ausstellungsgütern für Woh- nungs- und Betriebsbauten, Holzbe- und -verarbeitung, Straßen- und Güterwegebau, Haushaltmaschinen, Möbeln, einspurigen Kraftfahrzeugen, Nähmaschinen und Bekleidungsgegenständen aller Art vertreten. So wie auf dem landwirtschaftlichen Sektor die Ausstellung der Maschinen stets auch mit einer Vorführung verbunden ist, gesellt sich zur Ausstellung von K leidungsstücken se it Jahren deren Vorführung in Form mehrer Moden- und Trachtenschauen. Auch 1959 stehen solche Darbietungen von ausschließlich in Handwerksbetrieben herges tellten Modellen auf dem Programm. Dazu kommen, wie es auf allen österreichischen Messen zur offen- bar gut eingeführten Übung geworden ist, verschiedene Sonder- ausste llungen. Für di ese Zwecke stand bisher vo rnehmlich die vor einigen Jahren gebaute Landesberufsschul e für das lederbe- und -verarbeitende Gewerbe zur Verfügung, die zugleich als repräsen- tative Fassade des Ausstellungsgeländes dient. Heuer errichtete die Landwirtschaft eine künftig gleichfalls für Sonderveranstal- tungen bereitstehende feste Halle, di e sich den beiden gemauerten Stockwerkshallen der gewerblichen und industriellen Wirtschaft zur Se ite stellte. Die bereits feststeh ende Aufführung einer Internats-T extilfachschule im Anschluß an die Lederberufsschule wird die nördliche Frontalseite des Messeplatzess wirkungsvoll ergänzen. Neben den gemauerten und den hölzernen Hallen werden auch heuer zahlreiche Zeltha ll en das Ausstellungsgut aufnehmen. Die Rieder Ausstellungen ha ben, gefördert durch eine weitere Erschließung in verkehrsmäßiger Hinsicht (seit 1957 führt die neue Fernstra ße von der Landesmitte ins Herz des Inn- viertels), den Rahmen ihres früheren Umfanges gesprengt. Sie sind zu echten Messen geworden . Der Messetitel wurde erstmals 1953 angenommen. Zum Unter- schied der „gegründeten " lVfessen erbli ckten Kenner der Rechts- materie di e rechtliche Grundlage der Messeveranstaltung im Marktprivileg von 14 16 einerseits und im V. H auptstück der Gewerbeordnung andererseits; nach dessen Bestimmungen wäre Ried den „Hauptmärkten" zuzuzählen. Der Verweis auf das Markt- privileg ist keineswegs rein akademischer Natur. Dieses Privileg wurde in der Zeit zwischen 1416 und 174 1 wiederholt von den Landesherren bestätigt. Nach Angliederung des Innviertels an Österreich durch den Teschener Frieden wurde den Innviertlern durch kaiserliches Patent vom 31. Mai 1779 die Beibehaltung aller bisherigen Privilegien ausdrücklich zugestanden. An der Rechts- kontinuität ist nicht zu zweifeln. So war es denn die Abteilung 34 des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau selbst, die den Riedern die Annahme des Messetitels empfahl.

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