(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 9. Jahrgang, Heft 1/2, 1959

HUBERT FEICHTLBAUER Vom Ägidimarkt zur Österreichischen Landwirtschaftsmesse Heuer wieder Volksfestmesse in der Hauptstadt des lnnviertels vom 29. August bis 6. September „Wenn man an das denkt, was uns hätte gelingen können, dann ist die Sache freilich nur gering. An und für sich ist aber dieser Landstrich schön und für Oberösterreich ungemein passend." So schrieb Joseph II. an seine Mutter Maria Theresia nach dem mit dem Frieden von Teschen abgeschlossenen „Kartoffelkrieg" 1778/ 79 über jenen Landstrich, der nur einen Bruchteil seiner auf den Erwerb ganz Niederbayerns gerichteten Wünsche erfüllte: das Innviertel. Trotzdem war der Erwerb dieses Gebietes für Österreich, das damit endlich die Inngrenze erreicht hatte, nicht nur ein landschaftlicher Gewinn, sondern auch in wirtschaftlicher Beziehung in mancher Hinsicht, um der kaiserlichen Bewertung zu folgen, ,,ungemein passend" . Die wertvollste Mitgift, die es in das neue Vaterland mitbrachte, war neben dem Herrenstolz und Arbeitsfleiß seiner Bewohner sein gesegnetes Ackerland. In der Schlierlandschaft nördlich und nordöstlich des Hausrucks bis zu den niedrigeren Hängen der Ur- gesteinzone erreicht dieses Ackerland noch heute bis zu 60 Prozent der gesamten Bodenfläche. Ein Drittel des Innviertler Bodens ist noch gegenwärtig von Wald bedeckt. So ist der Charakter des Innviertels als ein Kernland der oberösterreichischen, ja der österreichischen Landwirtschaft auch nach der ersten industriellen Revolution gewahrt geblieben und wird, so darf man annehmen, ohne zu unbegründeter Spekula tion greifen zu müssen, auch durch die anbrechende zweite industrielle Revolution nicht wesentlich verändert werden. ,,Einer der drei Eckpunkte und wohl noch immer der wirtschaft- liche Scheitelpunkt des Innviertler Städtedreiecks", wie es ein Kenner der Verhältnisse treffend charakterisiert hat, ist Ried im Innkreis. Seine Funktion als Drehscheibe der Wirtschaft, a ls Aus- tauschplatz gewerblicher und heute auch industrieller Produkte auf der einen, landwirtschaftlicher Erzeugnisse und hochwertigen Viehs auf der anderen Seite ist in jahrhundertelanger Tradition begründet. Die Wurzeln dieser Tradition reichen unverkennbar in die hohe Blüte des Mittelalters zurück. Die erste urkundlich belegte Erwähnung Rieds a ls „Markt" finden wir in einer Urkunde des österreichischen Herzogs Rudolf IV. des Stifters, der nach der Einnahme und „Wüstung" von Markt und Veste Ried am 24. Sep- tember 1364 den rechtzeitig von Bayern abgefallenen Schärdin- gern das Stadtrecht verlieh. Daß Ried schon vor diesem Zeit- punkt ein bedeutendes Markt- und damit Handelszentrum war, wenngleich uns aus der Zeit vor der Zerstörung keine schriftlichen Dokumente darüber überliefert sind, darf man wohl auch aus dem Umstand schließen, daß schon zwanzig Jahre später das wieder bayrisch gewordene Ried ein Marktprivilegium zuerkannt erhielt. 1402 und 141 6 wurde dieses Privileg bestätigt und erwei- tert. Besondere Bedeutung kommt der am Mittwoch nach dem Fest Pauli Bekehrung (25. Jänner ) im Jahr 14 16 in Burghausen ausgestellten Urkunde Herzog Heinrichs XVI. von Bayern zu, in der er Ried zwei Jahrmärkte ausdrücklich bestätigte: den ersten zu Peter und Paul, den zweiten „all jar auf dem nehsten sunntag nach sand Giligentag" , also am Sonntag nach St. Ägidius, dessen Festtag rund eineinhalb Jahrhunderte vor diesem Datum einge- führt und für den 1. September festgesetzt worden war. ~ r f onn t m a dj un g. IDr, !lJlaglßrat brc r.r. lanbrffi,rjllld/rn 'J)la,11,s !Jlltb mall)t brfannt, bat auf bal 2lnfud/tn brS !Dlarftrl !l!lrb unb brr bir ~l<f,grn 3•~rma rl tr br(ulllrn< brn ~rn. crlrranltn blr ~•br fanbrl •!Rrgl:rung (olgrnb r 3abrmarl11, .0ri• uuno JU brwllllgrn brfunbrn ~nl : I. :D n !Ulittfa11rnn1arft brglnnt am lllnst,ge nadi f atarr, baum br ro :tage. trifft mit birf:m lllnllagr brr !Dlorla , !llcrfun bigungGtag iufommrn; fo fa ngt bcr :J• ~rni.rf! am !Dlon1091 nad) 2atm an , unb rol rb am 'JJl irr ro cd, unb :VonnrrG1 ag ;ur <lrs,niung bcr brro '.l:agr forrgrfra1. 11. :Der 'lJ et er u n b ,Pa II f m (1 r f t roirb am 1. 3u19 rr bffn,r. a ößt blcfrr '.l:as am l::i onnta~ r; r~ wirb brr :Jabrmarft am !l)lonrogr grbollcn , unb roöbrtl In b19brn ilö ll rn brr9 t agt. ur. ~er ~cgib imatft nimmt frlutn 2ln(a ng nm .Dln! rag_ l11l d) br 111 r 6 rp 1r111brr, uni bnurrt ,&111 , faß$ brri '.tagt ::Jm Jall r, bap brt 1. 15cptcmbrr .'.!llnGtag ••nrr; fo ro itb btr :Jogrmarfl an blrfrn tngr !iglonrn. IV. :Der IJlifolaimarft f,i ngl nm 5. llt;crnbrr an, an· tutlditm 'l:og r au,U brr 6 ctnorln , unb fonUigr !lllr9111arf1 gr9o l1rn ro irb, ro,i9rt1 brr; t.1gt, e,n brr ;. X>11r111brr 6 onn , 1,g f11in ; (o ro irb brr 6 <1J ro einmnr1r 01n 4 gtoal1111 , au <IJ brr '.J•Qrmorll an blr(1 111 tagt btgonnrn, bann b111 fo rgcnbrn !lllontog unb Xlinl1ag (ortgcfre1. Yfucf/ 10lrb btfonnt r,cgrbrn , top img1grnm,i r1 igrn '.Jaorr brr ld)on 1011~• nld/1 mr\r In 2l11!i1bu ng grbrocf/ lr '!>icrb , unb t)orn,lromotfl am <JJlatOilutltao1 b111 2 1. \September cbgroa lrrn rolrb, mrl rtrr µ<fi abrr nuf btn .~ ,uf unb !ll rrf,,uf nuortdiir .!)au,, rolm brfcf/ronlrr, balJtr fr lnc!rorg, alG rln grirror rr '.]09r111arl1 (ur ~ oarrn , onnMrr nogrlrb rn rortbcn t,nn ; r, rolrb abtc 6 orgr !Wagrn ro tr btn, baji fiir baS 1um !llrrfoufr 9rrr1ogrbrodilr :lllr9 &rq11 r111 r 2.l rrfaufG, '!)ioije unb 6taUungrn oulgr 111 i11tll ru rtbra. ~ irb brn 17. \11 11gun •8>j. ~o [t p~ .\i'alten1g91r , -,uq 11 ..11,1h1 . '.J'oQnnn 9lrp V<v9, e onfi i (u l. Eine Rieder Marktordnung aus dem Jahr 1825, die gleichfalls auf dem Agidimarkt „am Dinstag nach dem I. September" Bezug nimmt. Dieser Ägidimarkt behielt bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts seine Bedeutung bei, und die nahezu bruchlos-geradlinige Fort- führung seiner Tradition in Form der landwirtschaftlichen und gewerblichen Ausstellungsfeste berechtig t zur Herstellung einer direkten Beziehung zwischen den heutigen Landwirtschaftsmessen und den a lten Ägidimärkten. „Bayrisc h-R ied" - Konkurrenz für Linz Das herzogliche Privileg von 141 6 war mit der Gewährung einer achttägigen Freiung vor und nach dem Markttag verbunden. Diese garantierte den An- und Wegreisenden erhöhte Sicherheit und allen beim Markt getätigten Geschäften rechtliche Verbind- lichkeit. Den mittelalterlichen M ärkten kam ja nicht zuletzt wegen dieses Umstandes so große Bedeutung zu, mußte doch wegen der damals unverhältnismäßig hohen Transportkosten der Warenverkehr auf dem Grundsatz der Rückfracht, also des Warenaustausches oder „Stichhandels", aufgebaut werden. Die Wegesicherheit spielte daher eine besondere Rolle, weshalb sie im Falle der wichtigeren Märkte und a ller traditionellen Handels- straßen stets durch den König oder den La ndesfürsten selbs t gewährt wurde. Beim Rieder Ägid imarkt kam auch die für auswä rtige Händler sehr attraktive Zollbefreiung dazu . So verwundert es nicht, daß diese Märkte einen erstrangigen Anziehungspunkt darstellten. Die Bauern der umliegenden Gegend boten ihre Produkte feil und erwarben - ein bis heute unverändert erhalten gebliebenes H auptmerkmal der Rieder Ausstellungen - für das beim Markt eingenommene Geld die Erzeugnisse der heimischen Handwerker sowie die \/\Taren ortsansässiger und fremder Handelsleute. Zu diesen heimischen Handwerksprodukten zählten vor allem die Erzeugnisse der Weber, Lederer, Tuchscherer usw. Im 16. Jahr- hundert dürfte es in Ried an die 900 im Leinenweberhandwerk beschäftigte Personen gegeben haben. Die in Ried erzeugte Lein- 85

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