(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 9. Jahrgang, Heft 1/2, 1959

ausgesprochenen Stoßbedarf fo lg ten. Um diesen decken zu können, mußte ein Betrieb leistungsfähig sein. Dies war nur durch die Verbindung d er ve rschiedenen Erzeugungen möglich, da der Schwerpunkt ve rlager t we rd en konnte und d ie E rzeugung von Wachswaren eben in Zeiten er fo lgte, wo wenig Lebzelt- und Met- bed a rf war. Diese Grundlagen der Leistungsfähigkeit und d es rationellen Betriebes muß ma n kennen, um zu ve rstehen , d aß nicht nur ein Wandel in d er Geschmacksri chtung, sondern auch der For tfall einer R eihe von a nderen Voraussetzungen zum Nied ergang der Lebzelterei beitrugen. H eute fä ll t bei der Trennung von Wachs und H onig kein H onigwasser mehr an, heute ist der Beda rf an Wachskerzen klein geworden. Wer verwendet noch für seinen persönlichen Bed a rf Wac hss töcke? So können wir sei t dem Ende d er Biedermeierzeit einen ständigen Rückgang der Lebzelte reien beobachten. Mit dem ers ten Weltkrieg ist im Wesent lichen der Endpunkt erreicht, nur wenige Betriebe sind übriggeblieben, die neben einem H auptbetrieb noch zeitweilig die a lten Lebkuchen erzeugen. Es ist aber a uch noch a n eine große Umwa ndlung in der Leb- zelterei zu erinnern, die mit d em Begri ff des Nürnberger Lebzel ten verbunden ist . Der a ltheimische Lebzelt, der aus Modeln ausge- schlagen und dann gebacken wurde, ve rla ngte einen T eig, der wenig aufging, a lso ohne T re ibmi t tel erzeug t wurde. Nu r so ist es möglich , daß d er gebackene Lebzelt di e vielen Feinheiten der ornamenta len oder figu ralen Schnitzerei der Model ohne Ver- zerrung wiedergib t. Der Nürnberger Lebzelt, der bei uns se it dem 16. J ahrhundert erzeugt wird , ist hingegen nicht a us Formen herausgeschlagen, ve rzich tet auf eine reliefa r tige O berfl äche, wird d afür m it T reibmitteln und allerl ei Zu ta ten hergestellt. Seine Oberfl äche wird glas ier t oder mit Mandeln und anderen Köstlichkeiten belegt . Geschmackli ch ist er der a lten Art ebenso überlegen, wie di ese ihm an Schönheit der Form. Dies sich in das Gedächtnis zu rufen, is t notwendig, wenn man den ganzen R eichtum des a lten Steyrer Lebzelterhauses wirklich würdigen will. Schon im Vorhaus erinner t die alte, große Ba lken- waage daran, wie früh er E inkauf und Verka uf erfo lg ten. Die L ebzelten wurden j a nicht nach Gewicht verkauft, d afü r abe r di e K erzen, bei d enen die K irchen meist ihren J ahresbeda rf auf ei n- ma l bes tellten. D er Laden mit seiner a lten Einrichtung ist eine köstliche Besonder- heit. Au f Wandborden sind noch die alten K annen und Ma ße fü r den Metverkauf zu sehen, ebenso die Schüsserl , aus denen man fr üher d en süßen Met zu einer Semmel oder zu Lebzelten löffelte. K ein M arktbesuch einer Bäuerin wäre rich t ig verlaufen, hätte sie sich zwischendurch ni cht mi t einem Schüsserl Met gelabt . Alte Leute können sich noch daran erinnern , d ie jüngeren wissen davon ni chts me hr. Neben Erinnerungen an das alte Zunftwesen, d as im Stohl-H a us immer seine besondere H eimat hatte, ist eine Fülle al ter Modeln zu sehen. Eine besondere Seltenheit sind da bei Model für kunstvoll gear beitete Prozessionskerzen , deren Ver- zierungen noch ganz d en Geist der R ena issance zeigen . Tatsäch- lich sind diese p rachtvollen Beispiele ·a uch im 16. J a hrhundert entstanden . Bei den Lebzeltmodeln is t neben der Schönheit einzelner Stücke die Fülle d es Altbes tand es einer Beachtung wert . Nicht di e Größe oder Schönheit eines einzelnen Stückes macht das Wesen des Modelbestandes einer Lebzelterei aus, sondern di e Anzahl der Formen zu den besonderen Anlässen. Fische zu Neuj ahr, Taferln für J ahrmä rkte, H erzen ni cht nur für Verli eb te, sondern auch als Gesc henk des Pa ten an d ie Pa tenkinder, \,Vickelkinder für Brau t- paare und vieles a ndere. Neben di esem R eich tum wi rd den K enner d as a lte Werkzeug besonders interessieren, mi t dem in frü heren J a hren der Lebzelte r selbst seine Modeln gestochen hat. Durch Zimmer, die in d en letzten J ahrzehnten a ls Pack- und Lagerräume dienten und keine cha rakteristische Einrichtung besitzen, geht unser Weg nach rückwärts in di e Backstube. Die Arbeitstische und di e großen Abstellbretter sind einfac he Werk- stücke, di e für ihren Zweck zu j eder Zeit gemacht we rd en konnten. Besonderen R eiz ha t a ber d er Backofen, der nur für das Backen der Lebzelten diente und einer d er letzten, vielleicht sogar der ä ltes te ist, d er hiefür gebaut und verwendet wurde . Besonders auffällig sind fü r d en La ien die niederen, fl ac hen Backro hre. Im K ell er , d er un ter d iesem Trakt liegt, ist die Einrich tung zur Metherstellung noch gut erha lten, daneben die K ammer, in der ma n d urch Wä rme Wachs und H onig schied. 40 Der erste Stock di eses a lten H auses, dessen Fassade zur Zeit res tauriert wird, war die Wohnung d es Me isters und seiner Familie . Di e Einrichtungsgegenstände sind nich t so a lt wie di e R enaissance- ma lerei der Fassad e, die nunmehr a ls Sehenswürdigkeit wieder herausgearbei te t wird. Aber j edes einzelne Stück ist doch sei t langen, la ngen J ahren in d iesen R äumen. Barockmöbel sind hier ebenso auf ihrem alten Platz wie solche der kl ass izistischen Periode und d es Biedermeiers. Die R äume sind nich t vö llig ein- heitlich, wenngleich j ed es Stück gu t zu dem a nderen pa ßt. Im Wechsel d er Generationen kam dieses oder j enes Stü ck bei H ei- raten und T odesfällen außer H aus, and ere kamen wieder aus gle ichen Anl ässen herein, ma nches wurde unbrauchbar oder er- gänzt . Aber di e einzelnen Stücke sind im La ufe der Zeit zusammen- gewachsen und bilden heute eine Einheit. Sie geben so recht ein Bild davo n, wie sich di e wohlhabenden Bürger und Meister d er vergangenen Zeiten eine ihrer Art zusagende \ 1 Vo hnkultur schufen und pflegten . W ie eng di e Verbindung zwischen Wohnraum und Gewerbe war, zeigt im gro ßen Speisezimmer gar deutlich der Spion im Fußbod en, durc h den man zu j eder Zeit d ie Vorgänge im Laden überwachen konnte. Er ist nich t so seh r der Ausdruck von Miß trauen gegenüber Anges tell ten, wie man glau ben könn te . Er ist mehr das Zeichen d er engen Verbundenheit zu dem Ge- schä ft , der es dem Inhaber ermöglichte, bei Bedarf helfend einzu- greifen oder bei besonderen Ku nden, auch ohne gerufen zu werden , schnell bei der H and zu sein, um selbs t ihre \,Vünsc he zu erfüll en. Z iehen wir aus dem Gesehenen die Sc hlu ßfolgerung, so können wir fes tstell en, d a ß Erdgeschoß und K ell er d es H auses ein Denk- mal d es a lten Gewerbefl eißes sind , der unsere Städ te groß ge- mach t ha t , und da ß sie ein Denkmal eines Gewerbes sind , das einst geblüht ha t , große wirtschaftli che Bedeu tung besaß, heute aber prakt isch abgestorben ist. Der erste Stock ist ein \,Vohnmuseum, das sich a ls städ tisches würdi g neben vVohnmuseen in adeligen Landhäusern und Schlössern stellt. Es gereich t der Stadt Stey r zur Ehre, da ß durch ihr ta tkräftiges Eingreifen di eses reiche Erbe ni cht zersplittert wurde, sondern in seiner Gesam theit erha lten geblieben ist. Dadurch, da ß man d as H aus und di e gesam te Ein- richtung erworben ha t , ist es möglich, hier eine museale Aufstel- lung zu scha ffen, die eine Sehenswürdigkeit d a rstellen wird. Gerade durch ein Erleben der letzten Zeit ist mir dies so recht deutlich geworden. Es war di es ein Besuch des Wohnmuseums d er Stad t Solothurn, das im H aus Blumens tei n, einem ehema ligen adeligen Landsitz, das h eute am Stadtrand li egt, un tergebracht ist. Dieses H aus wurde um di e Mitte des 18. J ahrhunderts erbaut und im Erdgeschoß noch mit den Möbeln der Zeit, di e ta tsächlich in di esen R äumen standen, eingerich tet . D as Einmal ige ist d as Zusammenspiel zwischen R aum und Einrichtung, di e eine Ein- heit bilden, wie sie in einer wi llkürlic hen Zusammens tellung auch von guten a lten Stücken ni ch t erreicht werden kann . Stil und Geis t der Zeit werden hier in einem Ausmaß lebendig, wie es sonst in einem Museum ni cht möglich ist. Man mag einwenden, d a ß dies ein höchst subj ekt ives U rteil sei. J edoch sprechen die Besucherzahlen, di e mir gena nnt wurden, eine obj ekt ive Bestä- tigu ng meiner Auffassung aus. Es ist also zu erwarten, da ß auch d as a lte Lebzelterhaus in Steyr eine ähnliche W irkung ha ben wird, wenn es geling t, den ursprüng lichen Zustand so zu belassen, d a ß das U nmittelba re und Lebendige nicht gestört wird . Dies heißt zwar, da ß in den R äumen mi t a lte r E inrichtung auf a lle Vitrinen verz ichtet werden muß, j edoch geben di e vorhandenen Schränke genügend Möglichkeiten. Auch di e Schwier igkeit, den Verkaufs- raum wieder so mit Erzeugni ssen d er Lebzelte rei und der Wachs- ziehere i a ufz ufüllen, wie er frü her war , läß t sich unschwer über- winden . Das Ziel, di e R äume so zu gesta lten, als wären sie eben erst verlassen worden und a ls würden d ie Bewohner gleich wieder ein treten, ist erreichbar. Verschiedentlich ist di e Frage besp rochen worden , wie we it man noch durch and ere Hilfsmittel das H aus lebendig erha lten könnte. Sicher wäre es zu begrüßen, wenn der Besucher sehen könn te, wie in d er Backstube noch Lebzel ten herges tellt werd en . Si cher würd e der eine oder a nde re gern einen solchen Lebzelten a ls Erinnerung m itheimnehmen oder wü rde ge rn einen Schluck Me t verkosten . Auch der Verkauf von ha ndgefertigten Vlachswaren nach a lten Vorlagen oder Modeln wä re erwägenswer t. Ob man di es tu t oder a bl ehnt , ist Geschmackssache . Abzul ehnen ist aber sicher alles, was nach seiner E igena rt einem Lebzelterh a us fremd ist und ni chts in einem Verka ufsraum eines solchen H auses zu suchen hat te, solange darauf das a lteh rwürdige Gewerbe blühte .

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