(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 9. Jahrgang, Heft 1/2, 1959
GILBERT TRATHNIGG Dot1 Stegrer Lebzelterbont1 Die Lebzelterei hat in unserer Heimat eine al te Geschichte. Mo- deln aus römischer Zeit sind erhalten und zeigen uns, daß man schon damals zu Festzeiten Lebzelten buk, deren kunstvoll ge- staltete Oberseite Bezug auf den Inhalt des Festes hatte. Das ist aber auch bei den Lebzelten, die bis zum Beginn unseres Jahr- hunderts gebacken wurden, vereinzelt noch heute gebacken wer- den, der Fall. Liegt da der Schluß nicht nahe, daß die Tradition seit römischer Zeit nicht abgerissen ist, wenn a uch die Motivwahl für die Modeln sich geändert hat ? Es war ja öfters so, daß man die Technik übernahm, sonst aber frei auf deren Grundlage Neues ges ta ltete. Den Beweis für di ese Vermutung zu erbringen, ist beim heutigen Sta nd unseres vVissens noch nicht möglich. Die römischen Model waren aus gebranntem Ton, die späteren aber aus Holz. Sie konnten daher nicht so gut di e Jahrhunderte überdauern. ·wollte man deshalb die hölzernen Model als e inen Rückschritt ansehen, so llte man bedenken, daß für den Handwerker dieser Material- wechsel eher ein Fortschritt war. Denn Haltbarkeit und Tempo bei der Arbeit sind bei hölzernen Modeln größer. Ein ehrwürdiges Zeugnis für das Alter des Lebzeltergewerbes in unserer H e imat ist das Lebzelterhaus Stohl in Steyr. Seit dem 16. Jahrhundert ist auf diesem Haus di e Lebzelterei nachweisbar und wurde dort bis vor wenigen Jahren ausgeübt. \,Vie in keiner anderen Lebzelterei sind hier die a lten Einrichtungen für die Aus- übungen d es Gewerbes noch im a lten Zustand vorhanden. Dies gilt für die Backstube ebenso wie für den Verkaufsraum, für den Keller wie für das Vorhaus. Blick in die Backstube mit originaler Handwerkseinrichtung Ehe wir einen kleinen Rundgang durch das Haus unternehmen, müssen wir uns aber kurz in Erinnerung rufen, mit welchen an- deren Beschäftigungen die Lebzelterei im engeren Sinn verbunden war. Jeder Lebzelter hat in früherer Zeit nämlich nicht nur seine Lebzelten gebacken, sondern auch süßen, unvergorenen und starken, vergorenen Met hergestellt. Er hat außerdem Kerzen gegossen und gezogen und verschiedene Wachsarbeiten herge- stellt. Dazu gehörte ebenso das Gießen der wächsernen Votivgaben für Wallfahrtskirchen. D er Grund für diese Aufspaltung des Gewerbes war ein sehr e infacher. Während wir heute entweder Wachs oder Honig kaufen, wurde früher die Ernte d es Imkers im Ganzen verkauft. Man bezog Waben, die in Fässer eingestampft waren. Die Trennung in Honig und Wachs nahm nun der Lebzelter vor, wobei a ls Endprodukte infolge der a lten Methoden \ ,Vachs, Honig und Honigwasser anfielen. Deren Verarbeitung ergab die verschie- denen Wachsarbeiten, die Lebzelten und den Met. Aber auch aus a nderen Gründen war die Koppelung vortei lhaft. Lebzelten wurden zu besonderen Zeiten in großer Menge verkauft. Zu be- stimmten Festzeiten im eigenen Verkaufsgeschäft, sonst aber bei Jahrmärkten und a n Kirchtagen im weiteren Umkreis um den Heimatort. Bei diesen Gelegenheiten bestand auch Nachfrage nach Met, der früher ein beliebtes Getränk war, in größerem Ausmaß. Bei Kirchtagen und l\ifärkten deckte man sich weiter gern mit Kerzen, Lichtstöcken und \tVachswaren ein, teils zum eigenen Gebrauch, tei ls a ls Spende für Kirchen. Diese Verkaufsart der Erzeugnisse der Lebzeltereien bedeutete, daß auf Zeiten ruhigen oder sogar schlechten Gesc hä ftsganges Tage mit einem 39
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