(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 9. Jahrgang, Heft 1/2, 1959
Das grandiose Deckengemälde im Langhaus von Bartolomeo Altomonte mit Darstellung von Maria als Königin der Engel und Heiligen ihr frohes Spiel, das keine Gesetze der Schwerkraft und keine Sprödigkeit des Stoffes kannte. Die Meister der prunkvollen Ausstattung standen auf den Höhepunkten ihres Schaffens, nach- dem sie schon vorher zahlreiche andere Kirchen oder Residenzen mit ihrer Kunst bereichert hatten. 'v\Tohltuend und herzerfreuend wirkt auf das menschliche Auge die großartige Farbenharmonie, welche die Gesamtdekoration der Kirche aufweist. Das gedämpfte Gold von Kartuschen und Kapitellen, zarter Braunton von Gesimsen, das liebliche Rosa und Grün fliegender Gewänder, die freundlichen Blautöne des bewölkten Himmels geben einen wundersamen Zusammenklang, nichts fallt aus seinem Rahmen heraus, die Kirche ist ganz von einem malerischen Denken erfüllt . Die V\Tessobrunner Meister zierten den Chorraum und das Querschiff mit dem um die Mitte des Jahrhunderts modern werdenden Muschelwerk-Stuckornament, während Holzinger im Langhaus das ältere Bandwerksornament verwendete. Dennoch hat die Dekoration in der Kirche viel Gemeinsames. Ähnliche Anordnung und Färbelung der ornamentgezierten Flächen! Beibehaltung der auch im Langhaus nur gemalten Bandwerk- bordüre und des tei lweise gemalten, flächenfüllenden Gitter- werkes! Malerei und Stuck greifen wundersam ineinander über, so sehr, daß es oft schwer zu sagen ist, was der eine und was der andere Meister gemacht hat . Nirgendwo ist ein rivalisierendes Nebeneinander, überall nur eine glänzende Harmonie der Künste zu bemerken. * Beim Neubau der Stiftskirche erlebte die religiöse Plastik ihre reichste Blüte. Es ist im gesamten österreichisch-deutschen Raum keine zweite Kirche aus dem Zeitalter des Barocks und Rokokos zu finden, die einen derart reichen figuralen Schmuck aufweisen könnte wie Wilhering. Neben Scharen von Heiligen beleben achthundert Engel den festlich-frohen Raum. Hier haben vor allem die Wessobrunner, voran Johann Georg Übelherr, Spitzen- leistungen in ihrem Schaffen vollb racht. Die Arbeit der beiden genannten genialen Stuckmeister war, wie stilistische Vergleiche annehmen lassen, so eingeteilt, daß Feichtmayr hauptsächlich die ornamentalen und Übelherr die figuralen Dekorationen aus- arbeitete. Sicher stammen von Übelherr alle Figuren des Hoch- a ltars, der zugleich der Sippenaltar ist: St.Joachim und St. Anna, Zacharias und Elisabeth. Wir finden diese Heiligen in ähnlicher 1 1 \Teise in der K losterkirche von Engelszell. Weiter sind ihm zuzuschreiben die Chororgel, an welcher der Patron der Kirchen- musik, der psalmierende König David, plastisch dargestellt ist, und die mit gleichem künstlerischem Formgefühl erbaute Kanzel mit der Darstellung des Sturzes der Albigenser durch den heiligen Bernhard und den herrlichen Reliefs des Sämanns und der Feldwanderung Christi und seiner Jünger, mehrere Seitenaltar- figuren und alle Apostelkreuze. Diese Schöpfungen zählten Rudolf Guby und Cornelius Gurlitt zu den besten deutschen Plastiken aller Zeiten. Engelkinder, wie sie Hugo Schnell als Übelherrs letztes hervorragendes Werk in Maria-Stein an der Iller preist, sind hier in einer großen Anzahl und in bester Aus- führung vorhanden . * Die lateinische Bezeichnung „hilaria" (die Fröhliche) für die Abtei V\Tilhering, ein Name, der schon seit vielen Jahrhunderten im Gebrauch ist, wurde zu Beginn der großartigen Bauperiode des Stiftes in den Jahren 1734 - 1750 mit einer besonderen Wirk- lichkeit erfüllt . In keinem anderen kirchlichen Innenraum in deutschen Landen ist die Freude so sichtlich das Hauptthema der Darstellung als hier. Am Festtag der Himmelfahrt Mariens bricht ein Jubel ohnegleichen los. Das Signal wird im Chorraum gegeben: Auf dem Deckenfresko über dem Hochaltarbild stimmt eine begeisterte Schar von Engeln als festlichen Hymnus an : „Exaltata est Maria in coelum, gaudent angeli. "Aufdieses Zeichen hin setzt in der Kirche ein einheitliches Jubellied ein, in das alles miteinstimmt. Jede der Figuren tut mit, jede Gestalt, sei es ein Evangelist, ein heiliger Bischofoder Kirchenvater aus den sechzehn Medaillons über dem rotbraunen Gesims, sei es ein lieblicher Putto hoch oben an der Langhausdecke, selbst die Schmuck- formen, die zierlichen Rocailles, scheinen ihre Bewegung, ihre Lebendigkeit von der Festesfreude zu erhalten. Der heiteren Engelswelt müssen wir unsere besondere Aufmerk- samkeit zuwenden. Wie köstlich sind die Gebärden der lieblichen Putti! Die Freude ist das Um und Auf ihres Daseins und ihres Dienstes. Alles scheinen sie aus Liebe zur seligsten Jungfrau und Mutter zu tun. Sie singen vergnügt, sie mahnen, flehen und spielen (Scheinkampf am Schutzengelaltar), sie geigen, sie blasen die Trompete und die Flöte . Überall sind sie ebenso wichtige wie freudige Helfer: Sie tragen Kreuz und Kronen, Leuchter und Blumenkränze und bunte Fahnen. Kein einziger Engel erscheint überflüssig, jeder hat seine Aufgabe zugewiesen, so mancher hat aber nichts anderes zu tun, a ls zum Lobpreis der Verherrlichung Mariens, der Himmelskönigin, einfach schön zu sein und reinste Freude zu verkörpern. Die ganze Kirche ist wie das berühmte venezianische Gemälde Tizians eine „Assunta" . Durch die in ihr zum Ausdruck gebrachte Freude und Musik wird das Fest der Himmelfahrt Mariens zu einem besonderen Erlebnis. Der Mensch wird freudig gestimmt, Kummer und Sorge werden ihm genommen. Das Betrachten all dieser lieb lichen Schönheit ist ein „wahres Seelenbad" (Kardinal Piffl). Es ist wie ein jubelndes Hochzeitslied, Himmel und Erde scheinen sich hier zu vermählen . Gemäldega l erie und Gastz immer Nach dem seelisch und geistig erfrischenden Besuch der prunk- vollen, figurenreichen und freudigen Stiftskirche wollen wir der Gemäldegalerie und den sehenswerten Gastzimmern des Stiftes einen Besuch abstatten. Haben wir in der Kirche die erstklassigen Monumentalmalereien der beiden Altomonte bewundert, so erfreuen uns in der Gemälde- galerie zahlreiche Bilder, Entwürfe und Skizzen dieser Meister, außerdem eine Reihe von großartigen Arbeiten von Anton Franz Maulber tsch und Johann Martin Schmidt (Kremserschmid), des talentvollen Hofmalers der Kaiserin Maria Theresia J. Ku- petzky u. a . Hier im kleineren Raum führen die Meister des Pinsels eine ganz persönliche Sprache, hier sehen wir sie im Atelier und hier zeigen sie uns ihr innerstes \!\lesen. Die Stifte St. Florian, Kremsmünster und Schlägl besitzen eine reichere Gemäldesammlung. Was wir in Wilhering bewundern, ist die volle Einheitlichkeit der Bestände (rund 300 Bilder) . * Im Zeitalter der Maschine und der Massenproduktion allen Hausrates wenden wir uns mit besonderer Liebe und Aufmerksam- keit den mit größtem Geschmack und vollendeter Geschicklichkeit 35
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