(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 9. Jahrgang, Heft 1/2, 1959

T E X T V O N E M M E R I C H D O N I N G E R / P H O T O S V O·N M A X E I E R S E B N E R w er heute den Namen \,Vilhering hört oder nennt, der verbindet damit unwillkürlich den Gedanken an die prachtvolle Stiftskirche. Jeder, der die ehrwürdige Zisterz ienserabtei besucht, kann sich davon überzeugen , daß dieses weit über die Grenzen Österreichs hinaus bekannte Gottes- haus a ls eme der glänzendsten Schöpfungen der Rokokozeit eine Kunststätte ersten Ranges ist. \!\Tenn man die Kirchen gleicher oder ähnlicher Stilperiode m Bayern, Franken, Schwaben oder auch in Österreich gesehen und studiert hat, wird man ohne Übertreibung sagen können, daß die Wilheringer Stiftskirche die prunkvollste, die figurenreichste und die freudigste ihrer Art in deutschen Landen ist. Das Kloster ii\ 7 ilhering liegt zwischen den beiden Kunstmetro- polen vVien und München. Aus diesen alten Kulturräumen rief der kluge, umsichtige und weitblickende Bauherr der neuen Kirche, Abt Johannes Baptist IV. Hinterhölzl (1734 - 1750), die Baumeister und Architekten, die Maler, Stukkateure und Vergolder. Damit hat sich der aus Zwettl im Mühlviertel gebür- tige Prälat ein unvergleichliches Denkmal seines Eifers und seines feinen Geschmackes gesetzt . Er stellte das großartige theologische Programm für die künstlerische Verherrlichung der Patronin des Hauses und d es ganzen Ordens auf. Er wollte der a llerseligsten Jungfrau Mar ia eine fest liche Residenz schaffen. Er unterließ den weiteren Ausbau noch geplanter Trakte, um alle Kunst und alle Mittel der Kirche zuzuwenden . Ihr Bestes haben in Wilhering drei Mitglieder der Familie Alto- monte geleistet. Wiener höfische Kunst haben sie in das Gottes- haus übertragen und bewundernd steht der Besucher vor der Arbeit ihres Geistes und ihrer Hände. Der im Vo1jahr verstorbene bekannte Wiener Kunsthistoriker Dr. Karl Bardachzi hat mit viel Gründlichkeit die Familien- geschichte der Altomonte nachgeforscht: ,,Der Vater Martinos Michael entstammte einer Tiroler Bäckerfamilie und kam wahr- scheinlich durch eine militärische Aktion nach Neapel. Sein dort 1667 geborener Sohn wurde im Alter von 16 Jahren zum nam- haften Maler G. B. Gaulli, genannt Bacciccio, in die Lehre gegeben, studierte dann beim Restaurator von Raffaels Vatikanischen Fresken, dem Meister Carlo Maratta in Rom. Vom polnischen Königshof eingeladen, reiste Martin 1684 nach Warschau und errang sich dort a ls polnischer Hofmaler große Anerkennung. Auf der Fahrt von Neapel nach Warschau hatte er seinen Tiroler Familiennamen Hohenberger in Altomonte geändert . 1703 kam er nach Wien, arbeitete an der Akademie unter Freiherrn von Strudel. 1720 kam er nach Linz, 1745 an das Zisterzienserstift Heiligenkreuz, als familiar is hochgeehrt; er ist dort hochbetagt gestorben. Sein in Warschau geborener Sohn Bartolomeo, der von seinem Vater, dann 1717 bei M. Franceschini in Bologna, 171 9 bei Lutti in Rom, schließlich durch zwei Jahre in F. Sol i- menas Schule in Neapel zum Maler ausgebi ldet wurde, wirkte mit seinem Vater hervorragend an der Ausstattung des Stiftes Wilhering mit. Auch Andreas Altomonte, geboren 1699 in Wien, kaiserlicher Hoftheateringenieur, war in \ ,Vilhering tätig, und zwar, wie angenommen werden kann, als spiritus rector der Inneneinrichtung. Ob er auch ein Sohn Martinos war, konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden." Aus einem Vertrag mit Vital Dräxl, der für Wilhering die Marmor- arbeiten durchführte, können wir sehen, daß Andreas den Riß zum Hochaltar gezeichnet hat. Der Hochaltar ist aber mit dem Gesamtplan der Dekoration so eng verwachsen, daß ein Rück- schluß von dem Autor des Hochaltarentwurfes auf den Schöpfer der Gesamtdekoration gestattet erscheint. In den Jahren 1737 - 1742 schuf Martin Altomonte die sieben großen Altargemälde. Auf dem Hochaltarbild ist die Aufnahme Mariens in den Himmel dargestellt. Von den Engeln getragen und gehoben, schwebt Maria den lichten Höhen entgegen. Um das Grab sind die Apostel versammelt. Bewegt blicken die einen in das offene Grab, die anderen himmelwärts. Sogar ein kleines Orchester hat sich auf einer Wolkenbank postiert. Das Bild des ersten Seitenaltars rechts zeigt uns den heiligen Bernhard, vor der Gottesmutter kniend, wie er der Patronin des Ordens seinen a lten Vater, die Brüder und seine Schwester vorstellt. Das zweite Altarbild dieser Seite ist das Schutzengelbild. Am ersten Altarbild der linken Seite sind die Ordensväter vor der Gottesmutter versammelt: Der heilige Vater Benedikt verehrt der seligsten Jungfrau das Regelbüchlein, der heilige Robert, der eigentliche Gründer des Zisterzienserordens, bekommt von der Gottesmutter einen Ring und aus den Händen der Engel nehmen Albrecht und Stephan das weiße Ordenskleid und die Verfassung des Ordens entgegen. Der mittlere Altar dieser Seite stellt den Tod des heiligen J oseph dar. Das letzte Bild auf der Epistelseite zeigt uns die bekannten Schutzheiligen Leonhard, Donatus, Sebastian und Florian, eine beliebte Gruppe von Heiligen, die allzeit bereit sind, das Land vor Blitz und Ungewitter, Pest und Feuer zu beschirmen. Der gegenüberliegende Altar auf der Nord- seite zeigt uns di e beliebten weiblichen Heiligen Barbara, Magda- lena, Katharina, Apollonia und Lucia. In diesen Altarbil<;Iern, insbesondere bei den fünf erstgenannten, bewies Martin Alto- monte wahre Meisterschaft. Wir bewundern die große Lebendig- keit seiner Darstellung, die Leuchtkraft und Frische seiner Farben. Im vordersten Deckenfresko hat Bartolomeo Altomonte die himm- lische Musik aufgestellt zum Empfang der Himmelskönigin. In den figuralen Malereien der Kuppel setzt der Künstler den Marienpreis fort mit der Darstellung zahlreicher Anrufungen Mariens aus der lauretanischen Litanei, auf den Vierungen finden wir Szenen aus dem Leben der Gottesmutter: Geburt Mariens, Tempelgang, Vermählung, Darstellung Jesu im Tempel, der zwölfj ährige J esus, das Pfingstfest und Mariens Tod. Auch eine Darstellung der Immakulata ist zu finden. In den Decken des Querschiffes sind die Anrufungen „Lob- würdige Jungfrau" und „Vortreffliches Gefäß der Andacht" zu finden. Die großartige Scheinarchitektur in der Kuppel stammt von dem Italiener Francesco Messenta. Eine glänzende Darstellung des Jubels und der Freude aller Heiligen ist das große, 18 m lange Deckengemälde im Langhaus. Hier zeigt sich der Künstler als ganz besonderer Meister. Der Schluß der lau retanischen Litanei, von der Anrufung „Du Königin der Engel" bis „Du Königin a ller Heiligen" wird illu- sionistisch dargeboten und mit prächtiger, te ilweise vergoldeter Stukkatur eingefaßt. Die seligste Jungfrau sitzt auf einem Throne, auf dem Haupte trägt sie die Krone, in der Hand das Zepter. Die . Engel und die Heiligen aller Stände und Jahrhunderte bringen ihre Huldigung dar. Oben schweben jubelnde Engel, vielfach Blumengewinde und Sträuße tragend, rechts von Maria ist die Gruppe der Patriarchen (Abraham mit Isaak, J oseph, Tobias etc.), links sehen wir die Gruppe der Propheten, darunter 31

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