(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 9. Jahrgang, Heft 1/2, 1959

ERICH WIDDER Sä mt lich e A u fn ah m en vom Verfasser Die Nothelferfenster von Morgret Bilger in Bad Kreuzen Was gibt unserer Zeit das Recht, neue Bildwerke in alte Kirchen- räume zu stellen, nachdem wir gerade über die „zeitgemäßen" Veränderungen, die in den letzten hundert Jahren in histor isc hen Kirchenbauten vorgenommen wurden, immer wieder zu Gericht sitzen? \tVas ist doch durch diese wohlgemeinten R estaurierungen und „Stilreinigungen" nicht alles an wertvollem altem Bildgut verlorengegangen, das di e verunglückten Neuerungen niemals er- setzen konnten in der Qualität der Aussage! Die Schulmeister der Kunst ha ben die Kunst li quid iert. Das Argern is , das dadurch a usgelöst wurde, ist immer noch zu wenig im Bewußtsein der Gläubigen. Die Abzugbildnerei, die mit den Stilnachahmungen begonnen hat und in den Vervielfältigungsmethoden unserer glor- reichen Epoche immer neue Triumphe feiert, ist zu einem a ll- gemeinen Übel ausgewachsen. Diese Produktionen haben aber den Anspruch der Kunst behalten, Aussage d es Menschen zu sein. Das Bild im Kirchenraum wollte der neue Ausdruck des Glaubens sein, auf das nichtssagendste und kraftloseste. Lassen wir hier ein Gedicht von Hugo Ball sprechen, das 1914 bi ldhaft di e geist ige Situation und die Zusammenbrüche unseres Jahr- hunderts beschwor: Das ist die Zeit, in der der Behemot Die Nase hebt aus den gesalznen Fluten. Die Menschen springen von den Schuten In grünen Schlamm, den Feuer überloht. Die Seelen sind verkauft in Trödelbuden Um weniges Entgelt und ohne Not. Di e H erzen ausgelaugt, die Geister tot, Gesträubte Engel gehen um mit Ruten. Sie dringen würgend in die Häuser ein Und ihrem Grimme widersteht kein Riegel, Sie schwirren ums Gesims der Sakristein U nd reißen mit sich Lattenwerk und Ziegel. Ihr Atem dampft. Ein schwarzer Sonnenschein Hängt wie Salpeter überm Höllentiegel .. . Die neue Kirchenkunst geht emen beschwerlichen, mühevollen Weg. Sie hat sich entsc hlossen von den leeren Perfektionen einer materialistischen Kultur abgewendet. Das theologische Konzept des neuen Bildgutes gerinnt wieder in der Weißglut schöpferischer Meditation. Die gewoll te Verschlüsselung der Aussage d es Heiligen ist wie ein Schleier vor der \!Veit. Und dadurch erschei nt diese Kunst anspruchsvoll , d .ie a us der demütigsten Hingabe an die heiligen Geheimnisse erwuchs . Aus der Geduld des Erwartens, des Hoffens . Sie will nicht illustrieren mit teuren Farbklischees, sie kündet mit der Reinheit der Farbe und der Form, die uns an- 24 spricht und für die wir bereit sem müssen . Die Gewöhnung an die a lte Kunst hat der Handel besorgt, seitdem sind die größten Werke der Vergangenheit in der Gefahr der Gewöhnlichkeit. Täuschen wir uns nicht. Die Klassifizierung wirkt auch hier tödlich wie in de r Käfersammlung. Das historisch e , ,Vissen ist noch kein Ve;rstehen. Es beginnt erst dort, wo auch und gerade die al ten , i\Terke in ihrem Symbolcharakter erlebt werden, wo ihr Trans- zendi eren hinter den gegenständli chen Zeichen erfaßt wird. Wie verschieden ist der Stil dieser Zeichen! Wenn in unserer Zei t, deren Ausgangsbasis einleitend skizziert wurde, ein , ,veg gefunden scheint für e ine wesenhaft kirchli ch e Kunst, dann ist das meh r a ls ein Kulturereignis, schon fast eine a llgemeine Hoffnung. Es war aber auch vom mühevollen Weg dieser Kunst die R ede; di e Höhepunkte sind einsam wie immer. Und die Bereitschaft d er Aufnehmenden ist nur la ngsam im \,Vachsen. In a llem , 1 Vesentlichen hat di e zeitgenöss ische Kirchenkunst enge Berührung mit der ehrwürdigen Tradition . Im Bli ck auf die unver- änderlichen he iligen Geheim nisse, in der Ehrfurcht des Künstlers vo r d em Unausdeutbaren, in seinem Ringen um die Wahrheit und in seiner E inziga rtigkei t . Vielleicht ist der Künstler heute noch mehr der einzelne gegenüber der Masse, die nicht mit der Gemeinschaft verwechselt werden darf. Denn in der Hierarchie der Gemeinschaft ha t der Künstler ein gewichtiges Wort. Margret Bilger zählt zu den bedeutendsten österreichi schen Künst- lerpersönlichkeiten der Gegenwart. Aus diesem Grunde dient die a llgemeine Einleitung au ch zur Erhellung ihres Schaffens, das wir an dem Fensterzyklus von Kreuzen betrachten wollen. Dort sind in die a lten Maßwerkfenster der sp ätgotischen Kirche die neuen Fenster eingesetzt worden. Damit sind wir auch auf d ie einleitende Frage zurückverwiesen. Die großen Holzr ißfolgen der Künstler in, die in einem kleinen Bauernhaus in Taufkirchen a n der Pram lebt und arbei tet, haben ihr sehr früh einen bedeutenden R ang als Graphikerin gesichert; dort schon ist eine re lig iöse Gedanken- und Bilderwelt schaubar geworden, die weit über die literarische Erzäh lung der Heilstat- sachen hinausging . Vor sechs J ahren hat Margret Bilger dann ein erstes großes G lasgemälde profanen Inhalts für die Vogelweider- schule in \tVels geschaffen . Die bekannte Darstellung der Manes- sischen Liederhandschrift spr icht aus diesem großen Flurfenster nicht sklavisch nachahmend , sondern neuschöpferisch, nicht zu- letzt durch die neue Technik verwandelt, zu dem Beschauer. Leitgedanken aus dem dichterischen , i\Terk ergaben einen Bilder- zyklus um die Gestalt des großen Minnesä ngers wie Legenden- bilder. Dieses erste Fenster läßt schon die Einfühlung der Künst- lerin in die Bilderwelt des Mittelalters fühlen, wenngleich die künstlerische Aussage von der modernen Graphik bestimmt bleibt, auch in di esem Glasfenster. Das wird noch stärker spürbar in d en ersten sakralen Glasgemälden für die Turmvorhalle der \tVelser

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