(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 9. Jahrgang, Heft 1/2, 1959

Entwicklung und Ausbau der DACHSTEIN--SEILBAHN Mit dem Dachstein besitzt Oberösterreich ein Juwel der Berge. Adalbert Stifter fand hier die Anregung zu seiner Erzählung „Bergkristall", und die Maler Alt und Wald - müller haben die gewaltige Schönheit dieses Bergmassivs in ihren Gemälden festgehalten. Viele, viele Erholungsuchende lockt diese Hochgebirgswelt von eigenartigem Reiz Jahr für Jahr an. Lange Zeit war das Dachsteinplateau, dieses kilometerweite Vor-Reich des „Königs Dachstein" , nur dem Touristen zugänglich. Steile, mehrstündige Aufstiege führten empor zu dem größten Hochplateau der nördlichen Kalkalpen, von dem sich einzigartige Fernblicke darbieten. Ende des achtzehnten Jahrhunderts hatte der allmählich einsetzende Fremdenverkehr das Dachsteingebiet richtig „entdeckt", und 1832 wurde nach mehreren mißglückten Versuchen der Dachsteingipfel (3004 Meter) erstmals be- zwungen. In dieser Zeit wirkte der Naturforscher Friedrich Simony a ls weitbekannter Erforscher dieser Gebirgswelt. Es feh lte nicht an Versuchen, das Dachsteinmassiv dem Fremdenverkehr zu erschließen . Phantasiereiche Köpfe woll - ten sogar in den Jahren 1898 und später 1903 auf den Dach- stein eine Zahnradbahn bauen. Dann wieder begann das erste Bundesheer mit dem Bau einer Straße von Obertraun zur Gjaidalm. Die Zahnradbahn wurde nicht gebaut und der Straßenbau blieb 'nach einigen hundert Metern stecken. Erst nach dem zweiten Weltkrieg konnten die Erschließungs- gedanken in die Tat umgesetzt werden. Weitblickende Männer hatten die Bedeutung des Dachsteins für den Fremdenverkehr erkannt und wollten mit dem Bau einer Seilbahn auf den 2 100 Meter hohen Krippenstein, dem schönsten Aussichtsgipfel an der Nordflanke des Dachstein- massivs, einen neuen Anziehungspunkt für das ganze Salzkammergut schaffen . Unter ihnen der bekannte, indes verstorbene Bürgermeister von Bad Ischl, Fridolin Schröpfer, der Bürgermeister von Obertraun, Franz Deubler, und - mit dem ganzen Impuls seiner Persönlichkeit -:-- der Linzer Rechtsanwalt und Präsident der am 31. Oktober 1946 ge- gründeten Dachstein-Fremdenverkehrs AG., Dr. Erwin Steininger, die bei Bund und Landesregierung tatkräftige Förderung dieser Pläne fanden. Nach eingehenden Beratungen, bei denen die Möglichkeiten eines Seilbahnbaues von Hallstatt oder von Obertraun aus zur Debatte standen, entschied man sich bei einer inter- ministeriellen Besprechung in Wien im Jänner 1947 für das Projekt einer Seilbahn von Obertraun über die Schön- bergalm zum Krippenstein (2100 Meter), der den Aus- gangspunkt für die weitere Erschließnug des Dachstein- plateaus bilden soll. Entscheidend war der wirtschaftliche Gedanke, der eine höhere, wetterunabhängigere Frequenz der Seilbahn er- warten ließ, wenn man die bei der Schönbergalm gelegenen Dachsteineishöhlen dem breiten Publikum zugänglich macht . Die Richtigkeit dieser Entscheidung bestätigen all - jährlich die hohen Besucherzahlen der Seilbahn und der Eishöhlen. Während bisher jährlich etwa 20.000 Gäste die Dachsteineishöhlen besucht hatten, erhöhte sich die Zahl nach Inbetriebnahme der Seilbahn auf das Fünffache. An einem sonnigen Herbsttag des Jahres 1947 nahm am 14. Sep- tember der seinerzeitige Bundespräsident Dr. Karl Renner den ersten Spatenstich zum Bau der Tei lstrecke Obertraun- Schönbergalm vor. Nach vierjähriger Bauzeit wurde im Oktober 195 1 die erste Teilstrecke, die nach den Plänen von Dipl.-Ing. Kurt Mitteregger errichtet wurde, eröffnet. Sie überwindet bei einer Länge von 1743 Metern einen Höhen- unterschied von 742 Metern. In der grandiosen Felsschlucht zwischen dem Mittagkogel und dem Hageneck führt diese zur Schönbergalpe empor, wo eine große Seilbahnstation mit Umsteigmöglichkeit zur zweiten Tei lstrecke errichtet wurde. Zweihundert Meter neben der Mittelstation liegt das 1956 neu erbaute Schönberghaus, welches sich idyllisch in den Sonnenkessel der fe lsumsäumten Schönbergalm eingliedert. In wenigen Minuten erreicht man von hier die Dachstein- rieseneishöhlen, Mitteleuropas größte unterirdische Polar- landschaft, mit den Naturwundern des Parsival- und Tristandomes und der in Myriaden Eiskristallen gli tzernden Eiskapelle. Eine weitere Sehenswürdigkeit sind die ebenfalls im Gebiet der Schönbergalm gelegenen Mammuthöhlen, em unterirdisches Höhlenlabyrinth von über dreißig Ki lometern Länge. Im Jahre 1953 wurde mit dem Bau der zweiten Teilstrecke von der Schönbergalm zum Krippenste in begonnen . Über Zwischenstützen auf dem Mittagkogel führt die Seilbahn bei einer Gesamtlänge von 2285 Metern zur Bergstation Krippenstein (2100 Meter) , die einer gewaltigen Felsburg gleicht. Diese Teilstrecke, die einen Höhenunterschied von 732 Metern überwindet, wurde nach den Plänen von Dipl.-Ing. Friedrich Ettmayer gebaut und zu Pfingsten 1956 dem Verkehr übergeben. Die Dachsteinseilbahn zählt zu den größten und modernsten Seilbahnanlagen Mitteleuropas. Dies sowohl hinsichtlich ihrer Beförderungsleistung von über 350 Personen pro Stunde als auch besonders wegen ihrer Ausführung und technischen Ausstattung der Anlagen. Mit Rücksicht auf die Hochgebirgslage wurde eine schwere Pendelseilbahn gebaut, die dank ihrer großen, vierzig Personen fassenden Kabinen und der großen Spurweite in der Lage ist, auch bei starken Winden beziehungsweise sogar noch bei Stürmen den Verkehr aufrechtzuerhalten . Das ist besonders wichtig, weil bei raschem ,vetterumschwung die Möglichkeit einer Verkehrseinstellung auf ein Minimum herabgedrückt wird und die Seilbahngäste bei Aufziehen eines Gewitters nicht befürchten müssen, daß ihre Talfahrt verschoben wird. 15

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