(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 8. Jahrgang, Heft 1/2, 1958

richtige Leinenbindung ergab. Neben dem Webstuhl stand eine einfache Arbeitsbank. Auf ihr war der Spinnrocken aufgesteckt. An se inem Stabe aufgewickelt hing di e hölzerne Spindel mit ihrem Spinnwirtel am Ton, über den sich beim Spinnen durch das Drehen der Spindel der gesponnene Faden au froJlte . Unter der Bank stand ein aus zwei Tonkegeln und e inem Drehstäbchen bestehender Ständer. Er diente zum Ab- wickeln der Spindel und zum Aufwickeln der Knäuel. In einer Schüssel a us Holz lagen mehrere Knäuel bereit. Ein kleines Fenster spende te hier hellen Schein. Für di e Abendstunden hing an einem in di e Wa nd geschlagenen Holznagel an la nge n Schnüren eine Tonschale. Das Leinöl, das sie aufnahm, speiste e inen Schwimmdocht und beleuchtete den Platz . Die \ ,VandAäche zwischen Küchentür und dem Bett in der inneren Ecke nahm e in großer Schrank ein. Im oberen T eil bestand er aus drei offenen Fächern, auf denen schön verz ierte Krüge, Schüsseln und Schalen standen. Im unteren Teil wies e r große, durch Flügeltüren versperrbare Ab - teile auf. In ei niger Entfernung vor dem Schrank war di e zweite Feuerstelle des Hauses errichtet. Ihre Steinplatten- und Lehmschichte ragte nur eine Spanne hoch über den Fußboden. Jetzt lag sie unbenützt und blank gefegt da und wartete auf den Einbruch der Wintertage. Die ordnende Arbeit der Ahne war beendet. Noch e inma l bückte sie sich nach den schönen Matten aus Binsen und aus Birkenrinde, di e den fre ien Fußboden bedeckten. Der kranke Knabe war eingeschlafen . Ahne und H ä upt- ling verließen den Raum. Es war schon Mittag vorüber, a ls Aki, der Häuptling, einen Rundgang durch das Dorf antrat. Da war zunächst sein Nachbar Bero, der J äge r . Sein Haus war wie alle \ ,Vohnhäuser des Dorfes ei n zwe irä umige r Flechtwerk bau a uf einer e igenen Plattform. Nur durch den Vorplatz hing es mit dem Hause Akis zusammen. Es stand zunächst dem La ndtore, mit dem es durch einen schmalen Steg verbunden war, und um dessen Bewachung sich Beros Leute küm- merten. Aki und Bero st iegen über einen steilen Ste igbaum auf den Torturm, der sich unmittelbar über dem Landtor erhob . Hier überschauten sie die gesamte vVehr- a nlagc des Dorfes. Das Dorf war durch e inen breiten Schilfgürtel vom Ufer ge- trennt. Nur ein la nger und schmal er Steg ste llte di e Verbindung mit dem La nde her. In nächster Nähe des Dorfes ve rlief ei ne niedrige Vorpalisade aus dicht nebene ina n- der in d en Seeboden e ingeschlagenen Baum- stämmen. Dann folgt e im Abstand von einigen Schritten die Hauptpalisade mit der Toranlage. Vom Turm aus, wo sich eine Se ilwinde befand, konnte das T or schne ll durch e in Fallgitter gesc hlossen werden . An der Hauptpalisade entlang li ef dicht dahinter ein \1\Tehrgang rund um das Dorf, so daß der Angriff eines Feindes von j ed e,· Stelle abgewehrt werden konnte. Mit Liebe überschaute Aki sein kle ines R e ich, den Uferwa ld, das fruchtbare Acker- land und den hohen Eichenwald , der sich über den stei len Berg hinzog. Einige Sch ritte hinter dem Hause des J ä- Backofen und Getreidemühle eines Ste inzeithauses (Fo to Reinerth) Lin ke Seite : Oben: Lochkeule, Lochbeil und Knaufhammer Mitt e: Nachbildung eines Steinbohrers der Steinzeit im Heimathaus Vöck lab ruck (Foto Eiersebner) Unten: Geräte des Ackerbaus und der Brot- bereitung aus dem Freilichtmuseum Unt e ruhl dingen am Bodensee (Foto Reinerth) Messe r, Lanzen- und Pfe il spi tze aus dem He imathaus Vöcklabruck (Foto Eiersebner) gers lag das Haus des Töpfers Pleko. Söhne und Töchter arbeiteten zu dieser Zeit auf den Äckern. Er selbst saß a n seinem Arbeits- ti sc h im \!Vohnra um. Aus einer großen Kiste aus Spaltbrette rn entnahm er den feuchten Ton, den er in Körben aus mehre- ren Gruben zusammengetragen hatte. Jetzt drehte er a us der we ichen l\llasse fingerdicke Rollen. Indem er sie spira lig zusammenlegte und da nn zu einer Sche ibe zusammen- preßte, gewann er schnell die Bodenfläche e ines großen Vorratsgefäßes. In gleiche r Weise baute er di e Wandung des Gefäßes a uf. Es dauerte ni ch t lange, und er konnte das fert ige Gefäß zum Trocknen auf eine gro ße Borde stellen. Hi er stand schon eine ganze R eihe fertiger H enkelkrüge, deren kugelige Bäuche mit schönen sch raffierten Zickzack- und Dreiecksbändern verz ier t waren. Mit einem knöchernen Griffel hat te e r Stich neben Stich eingedrückt und di e entsta ndenen Rinnen mit weißem Bre i aus K a lkstaub ausgefüllt, so daß sich di e helle Zeic hnung präc htig vom dunklen Grund abhob. Da standen noch Schüsse ln, Scha len und Tassen und selbst an ganz kle inen Krüglein fehlte es nicht. Zuunterst lagen neben Spinnwirtelscheibchen \ ,Veb - stuhlgewichte und Spu lenständer. Auch Aache Lampenschalen und hohle Lampen- ringe waren angefertigt. Auf gleicher Höhe mit dem Hause des Töpfers und mit ihm durch einen Steg ver- bunden stand das größte H a us des Dorfes, die Dorfhalle. Sie wa r der Mittelpunkt der gan- zen Siedlungsanlage. Ihre \ i\Tände bes tanden a us gespa ltenen mächtigen Eichenstämmen, die wie Palisaden aneinandergefügt waren, nurda ßsieerst von de r Pl a ttform aus aufrag- ten. Aki betrat die große Halle. Eine langge- zoge ne Feuerstelle lag in der Mitte. In großen Vorratstonnen wa ren Wei zen- und Gerstenkörner für äußerste Nottage aufbe- wahrt. Auch \!\laffen aller Art, Pfeile, Bogen, Be ile und Speere lagen hier für einen Ernst- fall bereit. Aki setzte sich a ufdi e fellbedeckte, lange Sitzbank. Er dachte daran, wie er vor Jahren nac h dem T odes seines Vaters hie r in der Halle vo n den Männern des Dorfes zum Häuptling gewählt worden war, wie er sich immer bemüht hatte, für sein Dorf zu denken und zu ha ndeln und wie es ihn mit Stolz erfüllt e, wenn es ihm, wie heute, gelang, für a lle e ine glückli che Tat zu vollbringen. Sollte das Dorf einmal in Feindesnot geraten, woll te er den letzten -vViderstand leisten und so la nge ausharren, bis a us einem der befreundeten Dörfer am a nderen Seeufer Hilfe kam . In so lchen Gedanken setz te Aki seinen Rundga ng fort. Er mußte zum H ause des Töpfers zurück und auf d em Wehrgange weiterge hen, wenn er die H äuser des Schnit- ze rs Stigo und des Fischers Leikan erreichen wo ll te . Die beiden Häuser bilde ten den nördli chen Flügel des Dorfes und hingen wie die anderen Gruppen durch ihre Vor- pl ätze zusammen. Stigo war gleich Pleko e in Künstl er. \!\Tenn er j etzt an seinem Ar- beitstisch saß und Ste inmesser und Stein- meißel ha ndha bte, meisterte er Holz, Horn und Stein in gleich gesc hickter Weise. Aus den ve rschi edensten Höl zern schnitzte er Pfeil- , Lanze n- und Beilschäfte, aber auch Fassungen für Steinmesser und Ste insicheln. 59

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