(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 8. Jahrgang, Heft 1/2, 1958

Dichter H erbstnebel bedeckte das See- becken. Im Pfa hldorf in der Nordostbucht des Sees erwac hten die J äge r. Knarrend schob sich das hölze rne Fallgitter d es See- tores in di e H öhe . Fast lautlos glitt der Einbaum mit den drei Gestalten durch s Tor und ste ue rte im Bogen seeaufwärts . Schon nach kurzer Fa hrt stieß er wieder a ns Ufer. Zuerst sprang der Spitzhund a n Land, dann folgten d ie drei J äger und zoge n den Kahn a uf das Trockene . Sie holten Bogen und Pfe il e und Speere aus dem Boot und betraten einen sc hmalen Fußpfad, der sie durch das dichte Erlenholz des Auwaldes führte. Dann überquerten sie das e twas höher liegende Wiesen- und Ackerland und stiegen im E ichenwald steil aufwä rts. Nach einstündige r, schweigender Wanderung er- reichten die J äger ein Hochtal, das frei zwischen d em Vorberg und der Höhe des ste ilen Berges lag. Der Nebel war allmählich lichter gewo rden, und Bäume und Sträucher erschi enen in ve rschwommenen Umrissen. J etzt waren auch die J äge r zu e rkennen. Der erste, ei n großer, krä ftiger Mann, war Aki, der H äuptli ng des Dorfes . Er trug einen starken Speer mi t Feuersteinspitze und an der Seite im Gürtel ein Feuerstein- messer in Hirschhornfassung. Über den Schulte rn lag ihm ein dunkler Mantel aus grobem \ ,Vollstoff. Darunter war er mit e inem hemda rtige n, ärmellosen Oberge- wand aus L innen bekleidet, das um die :Mitte durch eine Gürtelschnur zusammen- geha lten wurde. Die Füße steckten in Fußlappen aus \ 1 \Tolle und in Schuhen aus weichem Leder, die mit Riemen versc hnürt waren. Der zweite \ ,Vaidma nn war Bero, der J äge1·, der achba r des H äuptlings. Der dritte war Poro, der Knecht des H äupt li ngs. Beide wa ren ebenso gekle idet, 56 nur trugen sie la nge Bogen aus Eibenholz und Lederköcher, aus denen Pfeile mit Feuersteinspitzen hervorsahe n. Im Gürte l ha tten sie gla ttgeschliffene Beile aus Grün- stein, die in lange n, gebogenen Schäften eingesetzt wa ren. H ie r im H oc hta l hatten die Jäger sc hon früher den VVechsel eines Hirschrudels aus - gemacht, das um di ese Zeit aus dem Dicki cht auf Äsung zog. Nun galt es, den g ünstigste n Platz einzunehmen. Der H äupt- l ing und der Knecht traten hinter den mächtigen Stamm einer Eiche, die in der M itte der Blöße stand. Bero, der J äge r , verblieb am R a nde des Gehölzes. Lautlos verharrten di e J äge r in ihren Stellungen und warteten au f das Erscheinen des Leit- hirsches und se ines Rudels. Bald kündigten brechende Zweige und e in drohendes Röhren se in Kommen an . J etzt setzte der täuschende Lockruf Beros ein. Der Hirsch na hm den Lockruf au f und a bwec hselnd d em ve rmeintlichen Gegner a ntwo rtend, kam er dem Standplatz des H ä upt lings immer nä her. J etzt stand er unmitte lbar davo r. Da, ein Sausen, und der Spee r des H äuptlings fl og durch di e Luft und bo hrte sich tief hinter dem Blatte in den Rumpf des überraschten Tieres. Es bäumte sich a uf und wollte in gewaltige r Flucht a b- biegen, brach a ber schwe r zusammen und vere ndete stö hnend. Das R1:de l wendete und Aü ch tete. Di e J äge r sprangen zur Beute . Blutige r Schaum dra ng aus der VVunde, a ls der H ä uptling den Speer h erauszog. Es war ein mächtiger Sechzehn- ender, der gefallen war. Mit Stolz besahen di e J äger di e herrli che Beute . Dann leg ten sie diese auf eine Ba hre aus Baumstämmen, und unter der schwe ren Last stiegen sie keuchend zu Tal. ROBERT BERNHART IN EINEM STEINZEITLICHEN PFAHLBAUDORF AM ATTERSEE Der Rückweg führt e sie au f ha lber Höhe des Hanges über e ine frei vorspringende Felskuppe, von der sie zu T a l sahen. Ein frischer Ostwind hatte die Nebeldecke in weiße Fetzen zerrissen, die nun über den blauen Himmel schwammen und sich in der strahlenden Sonne auflösten. H ie r rasteten die J äge r. Zu Füßen sahen sie ihren See liegen und di cht unter ihnen ihr Dorf. Deutlich erblickten sie die H äuser m it ihren Satteldächern aus Schi lf, ihren Platt- formen und Stegen a us Stämmen und Bohlen. Auch die ovale Pa lisade, d ie das Dorf umschloß, erkannten sie. Hinter der Pa lisade na hmen sie sogar den schmalen Wehrgang aus, der ebenfalls rundum l ief. Nur an zwei Stellen war di e starke Wehr- pa lisade unterbrochen . Vom Landtor führte ein langer Steg durch den Schilfgürtel zum La nde. In den See hinaus öffnete sich das Seetor. Die la ndseit ige H ä lfte des um- zäunten Raumes nahmen di e wenigen H olzhäuser ein, di e in zwei R eihen mit der Langseite zum U fer standen und ihre Türen und Giebell uken nach Süden öffne- ten. Die andere H ä lfte wa r Wasserfläche und bildet e einen ruhige n H a fen, den d ie Einbaumboote durch das Seetor befuhren 1rncl verließen. Mit der aufgehenden Sonne wa r das ge- samte Dorf erwacht . Aus den Giebelluken kräuselten R auchsäulen . Kinder tummelten sich im Hafen. Fischer fuhren auf der Fläche des Sees und zogen die vollen Netze ein, d ie sie am Vorabend ausgesetzt hatten. Über den lange n Landsteg eilten Mädchen mit Körben aus Weidengeflecht, um im na hen Auwald Haselnüsse, H agebutten, Eicheln und Bucheckern zu sammeln. Auf dem höher liegenden Wiesenland waren die Ställe der Rinder, Ziegen und Schweine,

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