(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 8. Jahrgang, Heft 1/2, 1958
Pädagogium Vöcklabruck: Corpus während der Restaurierung Klothilde Rauch stammt aus Gutau. Ihr Vater war ein Bauer, der sich seine Einrichtung selbst schnitzte und zur Erholung nicht ins vVirtshaus, sondern nach Linz ins Museum fuhr, um sich dort zu orientieren und Anregungen zu verschaffen. Seine Tochter Klot- hilde hütete währenddessen die Kühe und bemühte sich, aus weichem Holz allerlei Formen herauszuschneiden. In der Schule zählte sie nicht zu den Besten, aber zeichnen konnte dieses Mäd- chen, und ihre Finger bewiesen eine Geschicklichkeit, die dem begabten Vater nicht verborgen bleiben konnte. So kam Klothilde - eine Sensation für das stille Gutau - statt zu einem Bauern zu Professor Adlhart in die Lehre, einem tüchtigen Kunsterzieher, der sich vor allem um eine gediegene handwerkliche Ausbildung bemühte. Zufällig saß damals vor dem Katheder auch ein junger Mann aus Südtirol namens Rauch, der in Trient und bei Hanak studiert hatte, und dessen Vorfahren - alles ehrbare Kaufleute zu Kastelruth - wahrscheinlich niemals daran gedacht haben, daß ihr Nachkomme eine Kollegin aus dem Mühlviertel heiraten werde und daß das junge Paar justament in Altmünster am Traunsee ein Haus erwerben könne. So begann im Jänner 1932 m Eben bei Altmünster die „Werk- stätte Rauch" zu existieren. Sechs Jahre allerdings nur - dann starb der Bildhauer Rauch, und seine Gattin besaß nichts als eine 44 Tochter und eme Fülle von Erinnerungen, darunter auch jenes Bildnis in dieser gemütlichen „gl,ten Stube", wo sich wohl sitzen läßt und wo diese familiäre Atmosphäre, diese heftige Bindung an das Natürliche, an das Herkömmliche am stärksten spürbar wird. Bis vor kurzem noch versammelten sich hier alle Mitarbeiter - Josef Nußbaumer, Karl Pölzleitner, Robert Tauber-Lotsen und die Tochter Klothilde - zum gemeinsamen Mittagmahl, und man kann sich gut vorstellen, wie eben diese Tochter in die Arbeit und in das Gedankengut dieser \i\Terkstätte hineinwuchs, so daß sie eigentlich gar nichts anderes werden konnte als zunächst auch ein Zögling der Fachschule für Holzbearbeitung in Hallstatt, dann die glückliche Besitzerin von Meisterprüfungszeugnissen für Bild- hauerei und Faßmalerei und schließlich eine geprüfte Restaura- torin des Bundesministeriums für Unterricht. Diese letzte Hürde bestand sie erst im vergangenen Jahr, und während sie vor _dem Herd steht, um der Mutter beim Zubereiten des Mittagmahles zu helfen, leuchten jetzt noch ihre Augen, wenn sie davon spricht, und der Besucher ist sich bald gewiß, daß diese Klothilde Rauch um nichts schlechter sein wird als jene Klothilde Rauch, die eben den Altar von Oberrauhenödt in ihr Haus gestellt bekommen hat. * Diesen Altar kannte man natürlich. Man sah ihn zwei-, dreimal, aber hier, in dieser hellen und überraschend kleinen Werkstatt mutet er auf einmal ganz anders an, fast fremd und abweisend. Hier sieht man nämlich erst, wie gebrechlich und unansehnlich diese Statuen geworden sind, und wer die Arbeit eines Restaura- tors zum ersten Mal verfolgt, wird sich nie und nimmer vorstellen können, daß statt dieser graubraunen Schmutzschichte wieder Farbtöne aufleuchten, daß die Gesichter dieser Heiligen wieder den ursprünglichen Glanz, diese seltsam-anmutige Faszination erhalten, wie sie nur die Spätgotik ihren Plastiken einzuhauchen vermochte. Aber die Erinnerung an den Gamperner Altar zerstreut alle Be- denken. Auch hier war die alte Fassung nur in den Gesichtern der Hauptfiguren und in wenigen Gewandpartien erhalten geblie- ben, und Klothilde Rauch und ihre Mitarbeiter mußten sich in jahrelanger Arbeit und beraten von den besten Kennern spät- gotischer Mischtechniken um eine völlig neue Fassung bemühen. Und unwillkürlich hält man den Atem an: Während die Welt in Hast und Oberflächlichkeit zu verkümmern droht, ringt hier eine Handvoll Menschen um einen Quadratzentimeter Farbe, behut- sam wie Operateure, geschickt wie Feinmechaniker und belebt von einem Ziel, vor dem Stunden, Tage, Monate, Jahre nichts gelten. Eine solche Aufgabe ist wirklich nur in einer Gemein- schaft zu erreichen, in einem Betrieb, in dem die Menschen ,,menschlich betrieben" werden. Klothilde Rauch (die Tochter) entdeckte vor kurzem auch ihr Talent als Photographin. So kann der Besucher Arbeiten sehen, die längst die Werkstätte wieder verlassen haben und an ihren ursprünglichen Aufstellungsort zurückgekehrt sind . Etliche dieser Photographien muten wie medizinische Protokolle an: Da ist z.B. eine Muttergottes mit dem Kind in dem Zustand, wie sie in die Werkstatt kam - ihr Antlitz ist fast zerstört, die Gewandpartien sind abgeschlagen, und von der Weltkugel, die der Jesusknabe in seiner Linken hält, ist nur noch ein kümmerlicher Rest erhalten. Und dann - Wochen später - in dem Augenblick photogra- phiert, da bereits vor der Werkstätte der \;\Tagen wartet, um die restaurierte Plastik in die eben geweihte Kirche nach Linz-Binder- michl zu bringen: Jetzt ist die kostbare, alte Fassung wieder da, jetzt fehlt nichts mehr, sogar dieses .heimliche Leuchten aus den unendlich gütigen Augen Mariä ist wieder spürbar geworden.
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