(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 8. Jahrgang, Heft 1/2, 1958
RUDOLF WALTER LITSCHEL l(unst als menschliche Verpflichtung aufgefaßt Die Bildhauerin und Restauratorin l<lothilde Rauch und ihre Werkstätte Ei n Ort, de r Gampern heißt, d a rf nicht auf Weltgeltung hoffen. Dazu klingt dieser Name zu bäuerlich, zu bodenständig, zu ha rt, aber auch zu mittelal terlic h und zu fes tgefügt. Vver Gampern hört oder liest, d enkt unwillkürlich an ein Hausgerät oder an e ine volkstümliche Tanzfigur. Di ese r Sied lung h ilft keine Propaganda, keine asphaltierte Straße, kein Espresso, kein Schwimmbad: Si e bleibt verborgen, und di e schmale Si lhouette ihres Kirchturms ist das ei nzige Andenken, da·; sie d em R e isenden für seine Fahrt von oder nach Salzburg mitgeben kann, Aber Gampern braucht sich nicht zu g rämen: Auch wenn es noch so sehr im ·windschatten liegt - di eser prächtige Hochaltar aus der Hochblüte der Spätgotik steht eben nur in Gampern und in seinem schönen, maßvollen Gotteshaus, in diesem Chor, der , mit Netzrippen gewölbt, wahrscheinlich von Stefan Wultinger stammt, von einem Baumeiste r, der zumindes t im Vöcklabrucker Bezirk seinen Namen über vier J a hrhunderte hinweg zu erha lten ver- mochte , Wenn man diese Kirche be tritt, knipst e in al tes Weiblein die elekrische Beleuchtung a n, und die Schreinfiguren - Maria mit den Kind, der hL R emigius und der hL Pantaleon - verharren im Scheinwerferlicht wie echte Akteure, erfüllt von Persönlichkeit und Ausdruck und geze ichnet von einer Kraft, die m it j edem Strich, mit j eder Kontur eine Meisterhand verrät. Es bedurfte deshalb schon des Gle ichmuts etlicher Generationen, um dieses Kunstwerk dem VerfoJl preiszugeben, Vor einem J a hr- zehnt noch stand der Beschauer vor diesem Altar mit dem Gefühl, daß dieses mit Denkmälern so gesegnete Ö sterreich einst wird R echensc ha ft ablegen müssen - und dann Gnade j enen, die ihre Blicke nach außen richte ten, statt nach innen, und die das Soll und Haben des Kaufmanns höher schätzten a ls di e ewig unvoll- endete Bilanz des Künstlers, Ich weiß nicht, wer sich um die R ettung d es Gamperner Altars die höchste n Verdienste erworben h at, aber ich weiß, daß diese Tat weit in di e Zukunft klingt und daß dieser Altar die bedeutendste Leistung einer Werkstätte kenn- zeichnet, di e sich auch heute noch in ihrer Haltung und in ihrem Gefüge nicht wesentlich von j ener unterscheide t, aus der dieser Gamperner Schatz hervorgegangen ist. * Diese vVerkstätte verbirgt sich in e inem kleinen Haus der Ortschaft Eben bei Altmünster am Traunsee , ,, Im Sommer wimmelt es hier vo n M enschen ", sagte ein junger Mann, der sich später als ein tüchtiger Schnitzer und als der Gestalter eines Kreuzweges für di e Kirche in N iederranna vorstellte, ,,aber bis zu uns h erauf dringt niemand, nicht einmal d as Kreischen der Badenden oder das H eulen der Schiffssirenen," Unmittelbar hinter diesem Refugium de r Stille (und damit der Konzentration, der Sammlung, der Stärke) beginnt der Steilhang und der Wald. Hier geht diese Klothilde Rauch mit ihren vie r Niitarbeitern oft genug spazieren, auch an Tagen, an denen man in Altmünster nicht ans Spazierengehen denkt - abe r diese Frau, die sich in ihrer ganzen Erscheinung so we nig von ihrem Mühl- viertel, wo sie geboren wurde, getrennt hat und sich nur ihrem Gatten anglich, von dem sie d en Namen, a ber noch mehr an Mut und Kraft empfing - diese Frau also weiß genau, was sie tut, wenn sie, statt zu a rbeiten, ihre ,, \Verkst2-tt" in den vVald führt: Hier, dem Ursprünglichen 2,m nächsten, wird in Gesprächen und Diskussionen der Ausgangspunkt für Künftiges gewählt, h ier wer- den Entscheid1:n.gen und M einungen gefall t, hier spricht man über ze itgenössische Kt!nst mit d er gleichen Antei lna hme wie über die Technik eines spätgotischen Tafelgemäldes - kurz: hier holt sich diese „\IVerkstätte Rauch" ihr Rüstzeug für viele Stunden des Tages und der Nacht, in denen niemand nach „Kollektivvertrag" und „Zeitausgleich" fragt , so:1d ern in d enen man schöpfer isch tätig ist und dieser Frau im weißen Arbe itskittel nacheifert, die trotz 2-ller Besch':: idenh<:: it Vorbild ist und bleibt_ Gotische Madonna in der Kirche Reindlmül1 I nach der Restaurierung 43
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