(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 8. Jahrgang, Heft 1/2, 1958

(Abb. 8), wo wir in der oberen Initiale die älteste Wieder- gabe des Florianer Stiftswappens vor uns haben dürften. Eine solche Anschauungsweise entfernt sich von dem einst- mals gültigen Standpunkt l',a r t p o ur l'a r t, sie wird die Bewertung nach der reinen Qualität nur als eine der denkbaren Möglichkeiten gelten lassen. Die liturgische Bestimmung di eser Zeichnungen und die angeführte Be- trachtungsweise könnte durch die Beobachtung in Frage gestellt werden , daß wir in diesen Initialen immer wieder Grotesken, Löwen , Drachen und andere Fabeltiere finden (Abb. 9, 12, 13), die sich um die Ranken gruppieren oder diese ersetzen. Die Beispiele aus St. Florian, Kremsmün- ster und L•ambach , die zugleich eine Entwicklungsreihe vertreten, bilden Parallelen zu den Grotesken berühmter Kreuzgänge der romanischen Zeit , die , ebenso wie diese Handschriften, der religiösen Zucht und der Verinner- lichung zu dienen hatten. Sie sind bestimmungsgemäß ebenso von allem weltlichen Getrrebe ab.gesondert und sie versinnbildlichen in gleicher Weise die Epoche, in der das mittelalterliche Mönchstum nicht ohne Kampf seine end- gültige Form erhalten hat. Tradition und Neuerung, landschaftliche Eigenheiten und landweite Beziehungen sind an diesen Bildern oftmals ab- zulesen. Nicht selten liefern sie Kenntnisse von Wanderun- gen und Wegen einzelner Persönlichkeiten, lierfern sie Be- ti ~pttaampipfi momfronfö _ onmff;;qSdh b , .....~_ ... 0 uuu; · lege für Erscheinungen des geistigen Lebens , die über weite Räume hin fast gleichzeitig auftreten. Freilich sind unsere Kenntnisse von diesen Hintergründen noch recht gering und b edürfen eingehender Forschungsarbeiten. Und weiter wird dieser Teil der Kunstgeschichte nur als ein Glied einer umfassenden Geistesgeschichte zu gelten haben , die erst dann zur Sprache gebracht werden kann, wenn es gelingt, zu den Einzelpersönlichkeiten vorzudringen , die durch Gruppenbildung das vielfältige Bild des mittelalter- lichen Mönchstums gestalt•et haben. Manchmal sind die Darstellungen von strenger Schlicht- heit und Größe, wie die Initiale I aus Garsten (Abb. 1) mit dem Bildnis des Heilandes, der Gottesmutter und des Moses , die in aller Einfachheit die Größe der kaiserlichen Majestät (Imperatoria,e, maiestatis) des 'I'extbeginnes der Scholastischen Geschichte des Petrus Comestor darstellt. Manchmal wirken sie ebenso eindrucksvoll durch die Fülle der Details , wie die Wiedergabe der Verkündigung an Maria (Abb. 7) in einer aus Lambach stammenden Hand- schrift. Diese Handschrift , nach dem wichtigst,en Text - einer deutschen Paraphrase des Hohenliedes vom Ebers- berger Abte Williram verfaßt - als „Lambacher Williram" bekannt, ist in Schrift und Zeichnung ein Werk des Mön- ches Gottschalk, der erst in der letzten Zeit als eine der 39

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