(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 8. Jahrgang, Heft 1/2, 1958
F R A N Z L p p vVas aus einem stehenden Gewässe r einen See mach t, ist in be- fri edigender Weise noch ni e_umschrieben worden. U nd wä re es dies, so stra fte der Volksmund solche Erklä rung sicherlich Lügen . Denn es entzieht sich völlig e inem bestimmten Begr iffe, was das Volk, im Salzkammergut zuma l, als „See" beze ichnet: d ie Grö ße ka nn es nicht sein , denn es nennt zuweilen schon eine läc herli che Wa nne vVa ssers „See" - während es ausgedehnte Flächen mit d er Beze ichnung „Lacke" oder „Klause" oder gar mi t „T eich" abt u t. Auch die Tiefe ist es sicherlich ni cht - sie sc hwa nkt und ist oft so gering, da ß das also beze ichnete Seelein in trockenen Sommern ganz ve rschwindet. Ne in, es ist ni chts Meßba res und Auslotba res, sondern in besonderer \!\ 1 eise etwas, das nur empfunden und er- leb t werden ka nn. E rlebt, wie es mir als Kind gescha h, a ls ich zum erstenma l in meinem Leben zwischen hohen F ichtenstämmen hellg rün und geheimnisvoll d en N ussensee a ufAimmern sah und w ie es wohl j edem vVanderer ergeht, wenn er müde, durstig und abgespannt vielleicht plötzlich und unvermittelt vor einem Wasserspiegel steht, dessen Fläc he die Wellen kräuseln, dessen Angesicht aber undurch- d ringlich ist. Sehnsucht und Ahnung, Lockung und Abwehr, Lust u nd Schmerz : eina nder widerstreitende, unerklä rli che Gefühle werden wachgerufen, di e sich in der Seele zum Eindruck des Geheimnisvollen ve rdichten . In der T at scheint es auf die Fähigkei t anzukommen, im M enschen j enes große Sta unen hervorzurufen, von d em a lles My thische lebt - weil es das Ge heimnis vorausset zt - , um aus einem nach ::--.raturgesetze n zwangsläufig r uhenden Gewässe r einen See im ur- sprünglichen Sin ne des vVortes zu machen. So wundern wir uns nicht, wenn seit den ä ltesten Zeiten di e See n vo n Wassergeistern, von Nöck und N ixe belebt vo rges tell t, ja wenn sie selbst als zauberha fte Wi rkwesen, a ls elfische Natur- macht empfunden und erl itten werden . U nd wenn auch spät ere J ahrhunderte solchen Glauben a bgeschwächt habe n, so we iß die Sage zumindest Seltsames zu be ri ch te n oder sie such t d as Seltsame zu erklä ren, e twa, daß ein Schatz oder ga r ein gläserne r Pa las t auf dem Grunde des Sees ruhe, d a ß ein „Wasse rweib" a ls himmel- la nger, grasgrüner Seewurm mit glä nzenden S ilberstreifen im See ha use und keine Ruhe finde , da ß d ie Fische ve rzaubert wären und die Gestalt von Schwarzen R eut t ern angenommen hätte n oder da ß nachtnächt lich ein a lter M a nn im goldenen E inbaum aus d en Fluten emporta uche ... . Sechzig Seen wurden gelegentlich im Salzkammergu t nach- gewiese n. *) Diese Za hl ist j ed och kaum mehr a ls ein Anhalts - punkt, denn sie sagt weder etwas über di e zugrunde gelegte Fläche noch da rüber aus, was noch a ls See Geltung behiel t. Es schwankt sowohl di e V orstellung vom Umfang des Begriffes Sa lz- kammergut als auch - wie wir hörten - vom Begriff eines Sees . Fassen wir das Sa lzkammergut nicht historisch, sonden als Ve r- kehrs-, \ ,Vi rtscha fts- und La ndscha ftseinheit auf, so reicht es von den T oren Sa lzburgs zwischen Fuschl- und H in tersee auf den K ämmen des H ochzinken zum Gamsfeld übergreifend und von dort der La ndesgrenze fo lgend bis herun ter zum steirischen Ennst al, verbindet die Nordufer von M ondsee, Attersee und Traunsee und bezieht im Osten das ganze T ote Gebirge bis zum Salzs teig ein . Das Einfa llstor im Südosten bewacht eindeutig der t rotzige Grim- ming. Die Enns zwischen M a ndling und Irdning bildet di e südliche Begrenzung der La ndscha ft , in der es ganz gewiß noch bedeutend mehr Seen gibt als di e sechzig unseres Geo- graphen. *) Vg l. z . B. O rigi na lkar te von D r. Ä. Kloiber, Auss tell ung OÖ. Landes- museum 195 1 „Unser heimi sches F ischwasser als Lebensra um". S iehe dazu „Ö sterreichi sche Fi scherei", J g. 5/ 3 S. 57 2 Seen im Westen des Salzkammergutes Gl e ich im Wes ten läge da j a e in Großer un te r d en U nbekannten, vielleicht der g rößte unt er ihnen, d a er a n Ausdehnung dem Alm- see gle ich kommt . Es ist dies der H i n te r see. Ein Hinte r-See ist e r sowohl von Salzburg als vom Sa lzkammergut her gesehen, nämlich a bseits des Fremdenstromes, nur mit e iner Waldbahn und einer heute a llerdings ausgebauten Forsts trasse zu erreichen. Immer mehr gerät er fr eilich ins Blickfe ld, seit au f das Zwölferhorn bei St. G il gen eine Se ilbahn hina uffä hrt und se it die „Post-Alm" a ls ideales Skigebi et des Sa lzkammergu tes bekannt geworden ist. \!Ver vom Zwölferhorn aus eine der unve rgleichlichen Almwa n- derungen unternimmt , der ka nn den Hintersee, umrahmt von Na- delwäldern , die sich bi s a n sein U fe1- hinziehen , tiefgrün herauf- dämme rn sehen , ein a nspruchslose r, einsamer \ ,Vald- und Wa ld- wiese nsee, dem selbst d ie Ma ter ialbahn a n seinem U fer nichts a n- zuha ben vermag . Noch a bseitiger, wesentlich kleiner , a be r keineswegs unsche inba rer ist der Eib e n see, der sich etwa tause nd M ete r hoch hinter d er Drac henwand im Ge birge zwischen dem M ondsee und dem Fuschl- see verborgen hält . vVer von dem ma lac hi tgrünen, heiter be - schwingte n M ondsee von Plomberg den Hirschsteig her aufge - kletter t ist und nun se ine Schritte entweder zum Abe rsee oder zum Fuschl see wendet, der muß zum Eibensee hinuntersteigen , der sein erfrischend g rünes Bergwasser in einem Becken sammelt, das gleichermaßen vo n T annen und Buchen a ls auch vo n Legföhren umsta nden ist. Diese Berührungszone zwi schen der hochalpinen und der mittleren Bergwaldregion prägt den Eibensee, der seinen Namen j a auch noc h vo n j enem seltenen Baum erhä lt, dem die Waldleute eine schier ehrfürchtige Behandlung zollen. Niedrige Felspa rti en auf der einen und ve rlandende Schilfufe r auf der a n- deren Se ite p räge n sein r ätselha ftes, we il ni ch t einde u tiges Ges ich t. Verwa ndt dem Eibensee ist der F e l b li ngsee. Er li egt etwas unte r dem G ipfelg ra t des Felblingberges zwi schen Fuschl und Fa istenau wi e in einem K ra ter, kreisrund umsc hlossen von den aufs trebenden Wa ldleiten, die ge rade noch einer kleinen Almwiese R aum geben. Nur wenige M enschen kennen diese n seltsamen See, der in dem Kl e in e n Fe lbli ngsee noch ei nen Zwillingsbruder besitzt. Es gibt ein Mittel, sich des Geheimnisses eines Sees zu vergewissern : ma n muß in seinen Fluten ta uchen, ihn durchschwimmen, se in 'Nasse r kosten oder ihn au f ei nsamen Nac hen be fahren. Dieses Durchschwimmen eines Sees ist e ine Art Besitzergreifung, de r Steinse tzung oder Fahnenhissung ve rgleichba r, mit d er ein Berg- steige r seinen Gipfelsieg verkündet. U nsere U nbeka nnten gestatten es sogar, sich, we nn m a n ihnen unvermutet begegnen sollte, mit ihnen in pa radiesischer Blösse zu ve rmählen, denn kaum lauert ein Spä her an ihren U fern. Immer belohnen sie d a fü r unser e Zuneigung m it einem herrli chen Glücksge fühl und hinterlasse n wenigstens eine Ahnung von ihrem urha ft en, zeitlosen Wesen. Die Schafbergseen Darf ma n den S c hw a r ze n see noc h zu den U nbeka nnten zä h- len ? Ich wollte, ma n könn te es ! Man ka nn sich ihm von d rei Seiten nä hern. Vo n St. \ ,Volfgang her verbleibt er m it Kla ushütte, Alm und \!\ 1 irtshaus noch so recht in menschlichen Bezirken . Aber schon von Rußbac h, a lso vom Osten kommend, wird man seiner a ls ei nes r echt seltsamen Wesens gewahr, d as a uch de r Lä nge nac h mi t seinen fas t zwei Kilomet ern Ausdehnung recht beachtlich ist. „Schwa rzensee " bedeutet j a , so wie die vielen Schwa rzen- oder
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